Deutscher Kinder- und Jugendhilfepreis 2024 verliehen

Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ hat am 26.09.2024 die Preisträger*innen des Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreises 2024 – Hermine-Albers-Preis – in Berlin gewürdigt. Der Preis wurde dieses Jahr in den drei Kategorien Praxis-, Theorie- und Wissenschaft sowie Medien vergeben. Ermittelt wurden die diesjährigen Preisträger*innen von einer elfköpfigen Jury unter Vorsitz von Prof. Dr. Nadia Kutscher aus insgesamt 173 eingereichten Bewerbungen.

Der Deutsche Kinder- und Jugendhilfepreis 2024 in der Kategorie Praxispreis ging in diesem Jahr an das Paul Gerhardt Werk – Diakonische Dienste gGmbH Berlin für die Arbeit „Ökologische Nachhaltigkeit im Lebensalltag der Kinder und Jugendlichen“ und das Kath. Kinder- und Familienzentrum St. Augustinus wurde in dieser Kategorie mit einer Anerkennung für die Arbeit „Der nachhaltige Umgang mit der Natur, der Umwelt und dem Klima“ ausgezeichnet. Den diesjährigen Theorie- und Wissenschaftspreis erhielt Dr. Meike Wittfeld für die Dissertation „Riskante Nähe. Sexuelle Gewalt in Institutionen als Herausforderung für die Heimerziehung“. Und auch beim Medienpreis wurde eine Art „Gold- und Silbermedaille“ verliehen: Der Preis ging an Jasmin Cilesiz für die TV-Dokumentation „Deutschlands verlorene Kinder“ und Katharina Wolff wurde für zwei Fernsehbeiträge „Wenn ‚Systemsprenger‘ erwachsen werden – 2 Folgen: 1. Wohin mit Emil, 2. Emil zieht um“ mit einer Anerkennung gewürdigt.

"Die Arbeiten der diesjährigen Gewinner*innen des Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreises 2024 leisten einen Beitrag dazu, Angebote und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe besser zu machen und sie an den Bedürfnissen von jungen Menschen und ihren Familien auszurichten. Die Arbeiten sind Vorbild und Innovationsmotor zugleich“, sagte die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ, Prof. Dr. Karin Böllert, die auch Professorin an der Universität Münster ist. „Der Preis ist ein Ausdruck der Anerkennung und Wertschätzung für Menschen, die sich mit ihrem Engagement dafür einsetzen, dass sich die Kinder- und Jugendhilfe weiterentwickeln kann. Dabei werden Potenziale, Errungenschaften, aber auch Schwachstellen dieses Systems aufgezeigt.“

In ihrer Rede machte die AGJ-Vorsitzende in Hinblick auf den diesjährigen Praxispreis, der zum Thema "Ökologische Nachhaltigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe" ausgeschrieben war, darüber hinaus deutlich, dass die AGJ auch in dieser Frage als Anwältin an der Seite der jungen Menschen stehe und sie in ihrer Beteiligung und Selbstwirksamkeit gestärkt werden müssten. „Wir als Kinder- und Jugendhilfe müssen uns intensiv mit den Fragen klimagerechter Lebensstile auseinandersetzen und uns für und mit jungen Menschen in gesellschaftliche und politische Diskurse einbringen. Dabei gilt es auch eine ökologische nachhaltige Transformation in unseren Arbeitsfeldern umzusetzen,“ so die AGJ-Vorsitzende.

Die Rede für den Stifter des Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreises, den Obersten Jugend- und Familienbehörden der Länder, hielt Abteilungsleiter Rolf Diener in Vertretung des Vorsitzlandes der Jugend- und Familienministerkonferenz Bremen. Er übergab zusammen mit der AGJ-Vorsitzenden und dem stellvertretenden Juryvorsitzenden, Dr. Christian Lüders, die Auszeichnungen an die Preisträger*innen. Dank des Stifters konnten von 1955 bis heute an die 100 Preise und viele Anerkennungen vergeben werden. „Den Obersten Landesjugend- und Familienbehörden danke ich ganz herzlich dafür, dass sie den Preis über einen so langen Zeitraum immer wieder möglich gemacht haben,“ sagte die AGJ-Vorsitzende Prof. Dr. Karin Böllert.

Der Preis ist pro Kategorie mit 4.000 Euro dotiert. Darüber hinaus kann in jeder Kategorie auch eine Anerkennung vergeben werden, die jeweils mit einem Geldbetrag von 1.000 Euro versehen ist. 

Die Ausschreibung für den Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreis – Hermine-Albers-Preis 2026 wird Anfang des Jahres 2025 erfolgen. 
 

PREISTRÄGER*INNEN DES DEUTSCHEN KINDER- UND JUGENDHILFEPREISES – HERMINE-ALBERS-PREIS 2024

PRAXISPREIS 2024
Paul Gerhardt Werk – Diakonische Dienste gGmbH Berlin für die Arbeit „Ökologische Nachhaltigkeit im Lebensalltag der Kinder und Jugendlichen“

Das Paul Gerhardt Werk begleitet junge, hilfebedürftige Menschen mit und ohne Fluchterfahrung in unterschiedlichen Wohnsettings auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Die jungen Menschen im Alter von 6 bis 17 Jahren sind aufgrund ihrer bisherigen Lebenswege oft psychisch beeinträchtigt oder von seelischer Behinderung bedroht. Das Angebot der verschiedenen Wohnsettings wird durch Maßnahmen der offenen Jugendarbeit ergänzt. Hier finden sich vor allem junge Menschen, die größtenteils eine türkisch-arabische Migrationsgeschichte mitbringen.

 

Film des Paul Gerhardt Werks  – Diakonische Dienste gGmbH Berlin zur 
Umsetzung der ökologischen Nachhaltigkeit in der Einrichtung >>
https://youtu.be/BgTgDwQQruQ (Film auf YouTube)

Begründung der Jury: „Die Jury hat vor allem der umfassende Ansatz des Paul Gerhardt Werks zur ökologischen Nachhaltigkeit überzeugt. Ökologische Nachhaltigkeit ist in das Leitbild der Einrichtung integriert. Der Ansatz des Paul Gerhardt Werkes ist es, sowohl auf institutionell-infrastruktureller Ebene als auch in der pädagogischen Arbeit mit den Adressat*innen unter Berücksichtigung vielfältiger Aspekte von Nachhaltigkeit den gesamten Alltag in der Einrichtung darauf auszurichten und junge Menschen zur Selbstwirksamkeit zu empowern. Die geschilderten Ansätze sind überzeugend und vielfältig: Sie enthalten kurzfristige Aktionen und längerfristige Prozesse, organisationsstrukturelle Entwicklungen und jugendgerechte Aktivitäten. Sie adressieren Mitarbeitende und die jungen Menschen.

Ein Teil der Bewerbung war ein Nachhaltigkeitswettbewerb und alleine dieser ist preiswürdig. Hier werden überaus kreative Ansätze im Umgang mit dem Thema gezeigt und es wird die ganze Bandbreite möglicher Aktivitäten zu Nachhaltigkeit zusammengetragen. Entstanden sind u. a. Projekte wie „Gesundes und klimafreundliches Essen“, „Mitmachen beim Cleanup-Day“, „Müllvermeidung im Alltag“ und „Natur erleben“.

Aber es ist nicht alles nur Wettbewerb, auch die Wohnungen der jungen Menschen werden mit nachhaltigen Bauelementen ausgestattet, wie z. B. Wärmepumpenheizung oder auch einfach Sparduschköpfen. Desweiteren wird der Einkauf nachhaltigkeitsorientiert ausgestaltet, interne Prozesse werden auf CO2-Reduktion hin umgestellt, Mitarbeiter*innen werden zum Thema weitergebildet, Dienstfahrräder und ÖPNV-Tickets werden gestellt und es gibt eine Nachhaltigkeits-AG auf Trägerebene. An all das ebenso wie das alltägliche ökologische Handeln wird regelmäßig über das Intranet erinnert.

Das Paul Gerhardt Werk leistet mit seiner Arbeit auf den verschiedenen Ebenen einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung des Themas ökologische Nachhaltigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe, gibt diesem neue Impulse und hat Innovationspotenzial mit einem Augenzwinkern und einem behutsamen Blick auf die Adressat*innen.“
 

Die Laudatio für die Kategorie Praxispreis bei der Preisverleihung hielt Kathrin Demmler - Direktorin JFF - Institut für Medienpädagogik

ANERKENNUNG PRAXISPREIS 2024
Kath. Kinder- und Familienzentrum St. Augustinus für die Arbeit „Der nachhaltige Umgang mit der Natur, der Umwelt und dem Klima“
 

Der Schwerpunkt des Kath. Kinder- und Familienzentrums St. Augustinus liegt auf dem Natur-, Klima- und Umweltschutz. Die Einrichtung ist seit August 2023 als Klima-Kita NRW ausgezeichnet und engagiert sich auch dafür, Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) im Elementarbereich zu etablieren. Grundlage ist ein alltagsintegrierter Ansatz. Die bestehende Tagesstruktur der Kita eröffnet zahlreiche Möglichkeiten, das Umfeld, den Alltag und die Aktivitäten der Kinder nachhaltig zu gestalten. Durch langfristige Angebote und vielseitige Projekte zu Nachhaltigkeitsthemen haben die Kinder die Möglichkeit, Wissen zu erwerben und Erfahrungen zu sammeln, die ihnen helfen, Kompetenzen für ein verantwortungsbewusstes Handeln zu entwickeln. Sie können sich aber auch immer wieder fokussiert spielerisch und forschend mit zukunftsrelevanten Themen auseinandersetzen. 
So hat sich die Einrichtung z. B. bereits zweimal an der weltweiten Aktion „Kinder-Klimameilen“ beteiligt. Zwei Wochen lang konnten die Kinder „Meilen“ in Form von Aufklebern sammeln beispielsweise, wenn sie anstatt mit dem Auto, zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Kita gekommen sind oder gefahren wurden. Oder auch, wenn sie mithelfen im Haus Energie zu sparen. 
 

Begründung der Jury: „Insgesamt ist es nicht trivial, das ökologische Nachhaltigkeit für Kinder in diesem Alter so differenziert und erfahrbar zu gestalten. Das gelingt dem Kath. Kinder- und Familienzentrum St. Augustinus hier sehr gut. Das Themenspektrum ist sehr breit aufgestellt und geht auf viele Bereiche und diverse Themen der Nachhaltigkeit ein. Dabei liegt der Arbeit ein umfassendes Konzept zugrunde, wobei die Einrichtung deutlich macht, dass die Bedürfnisse, Interessen und Anliegen der Kinder und Familien im Zentrum stehen. Besonders hervorzuheben ist auch, die Integration der Umweltbildung in den pädagogischen Alltag und dass die ganze Kita-Familie in das Thema einbezogen wird.“

THEORIE- UND WISSENSCHAFTSPREIS 2024
Dr. Meike Wittfeld für die Dissertation „Riskante Nähe. Sexuelle Gewalt in Institutionen als Herausforderung für die Heimerziehung“
 

Vor welchen Herausforderungen stehen pädagogische Fachkräfte der Heimerziehung angesichts des neuen, öffentlichen Diskurses über sexuelle Gewalt gegen Schutzbefohlene? Anhand von sechs Gruppendiskussionen mit Teams, aus der Heimerziehung, wird mittels der Dokumentarischen Methode rekonstruiert, dass die Fachkräfte sich im Zuge des öffentlichen Diskurses unter Generalverdacht gestellt fühlen. Empirisch kann gezeigt werden, dass das Thema sexuelle Gewalt durch diesen und weitere Anlässe für die Fachkräfte relevant wird (Ausbildung, biografische Betroffenheit, institutionelle Bedingungen, Tatverdacht/Gewalttaten und kindliche Bedürfnisse nach Versorgung und Nähe). Der subjektiv wahrgenommene Generalverdacht geht für die Fachkräfte einher mit der Angst vor Repressalien gegen die eigene Person oder Kolleg*innen. Kindliche Bedürfnisse nach Nähe werden für die Fachkräfte vor dem Hintergrund zum Risiko. Gehen sie den Bedürfnissen fachlich angemessen nach, glauben sie Gefahr zu laufen, sexueller Gewalt bezichtigt zu werden. Sie stehen vor einem professionellen Dilemma und müssen den Schutz der eigenen Person gegen die Nähebedürfnisse der Kinder und Jugendlichen abwägen. Die Folge ist distanziert(ere)s und technokratisches Handeln, welches je nach konzeptioneller Perspektive unprofessionell und im Hinblick auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen verletzend sein kann. Um der Herausforderung zu begegnen, haben die Fachkräfte Bewältigungsstrategien entwickelt. Diese sind davon abhängig, (1) ob die Fachkräfte sich vorstellen können, dass eine*r ihrer Kolleg*innen sexuelle Gewalt verübt, (2) inwieweit sich Fachkräfte für ein Nähebedürfnis der Kinder und Jugendlichen verantwortlich fühlen (familienanalog vs. nicht familienanalog) und (3) wie sich der Umgang der Organisation mit der medialen Thematisierung darstellt. Als ein weiterer Ergebnisstrang kann in der Arbeit gezeigt werden, dass sexuelle Gewalt durch eigene Kolleg*innen nicht, bzw. nur sehr schwer vorstellbar ist. Diese „Undenkbarkeit“ ist in die Sprache der Beforschten eingeschrieben. Die Arbeit zeigt, wie dieser fehlende Wahrnehmungshorizont das Handeln der Fachkräfte beeinflusst.

Begründung der Jury: „Es gelingt Dr. Meike Wittfeld mit ihrer Dissertation hervorragend, die verschiedenen Dimensionierungen nicht nur der Art und Weise des Sprechens über das prekäre Thema, sondern auch der für die Orientierungen der Fachkräfte in Bezug auf Nähe, Distanz, Sexualität und sexuelle Gewalt relevanten Aspekte herauszuarbeiten. Die teilweise umschreibenden, stockenden und nicht selten distanzierenden Auseinandersetzungen mit dem Thema werden in der Arbeit von Dr. Wittfeld immer wieder reflexiv in einen Kontext eingebettet und damit durch die Autorin kritisch gewürdigt und analysiert. Aus der Spannung zwischen den unmittelbaren Wortbeiträgen der befragten Fachkräfte und deren sorgfältiger und reflexiver Analyse sowie ihrer Einbettung in den Gesamtkontext der Diskussion um den institutionellen sexuellen Missbrauch in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe entsteht ein dichte, ausgesprochen wertvolle und hervorragende Arbeit zur Bearbeitung dieses hochaktuellen Themas. Die Dissertation ist zudem gut geschrieben, sodass sie nicht nur für rein akademisch Interessierte ein Gewinn ist!"

Die Laudatio bei der Preisverleihung für den Theorie- und Wissenschaftspreis hielt Dr. Dirk Härdrich – Dezernent für Bildung, Soziales und Integration der Stadt Salzgitter 

MEDIENPREIS 2024
Jasmin Cilesiz für die TV-Dokumentation „Deutschlands verlorene Kinder“ (Erstveröffentlichung auf RTLZWEI am 02.11.2021) 
 

Armut, Missbrauch, Gewalt: In Deutschland gibt es viele Kinder und Jugendliche, die in unerträglichen Verhältnissen leben bzw. gelebt haben. Jasmin Cilesiz hat einige von ihnen mit der Kamera begleitet und daraus einen Film gemacht, der bewegt und informiert. 
Der Film ist konzentriert und hautnah bei den Menschen. Jasmin Cilesiz macht Probleme und Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen sichtbar, die es überall in unserem Land gibt. Sie schaut nicht kurz mal „drauf“, sondern geht meist aus der Perspektive der Kinder und Jugendlichen deren immensen Belastungen und ständigen Kampf im Leben intensiv nach. Dabei geht es u. a. um Fragen: Was es bedeutet, wenn Kindheit unter traumatischen Bedingungen erlebt wird, welche Chancen Kinder unter diesen Vorzeichen haben, eigenständige und psychisch stabile Erwachsene zu werden und welche Hilfen greifen, damit Heranwachsende aus extrem belasteten Verhältnissen dennoch eine Aussicht auf ein normales Leben haben.
 

Begründung der Jury: „Die TV-Dokumentation von Jasmin Cilesiz ist zurückhaltend und einfühlsam gemacht. Sie legt den „Finger in die Wunde“ und geht „an die Nieren“. Sie ist sehr gut geeignet, „die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen und ihrer Familien einer breiten Öffentlichkeit ins Bewusstsein zu rufen“. 

Mit der Kamera ist man manchmal wie live dabei, wenn es schwierig wird zwischen Kindern, Mütter, Großeltern, beim Gespräch in der Küche oder am Esstisch – mitunter bedrückende Familienverhältnisse. Doch es wird niemand bloßgestellt oder verurteilt, Menschen dürfen Schwächen haben, müssen nicht perfekt sein. Es gibt Rückschläge und Sackgassen im Leben. Deshalb kommen im Film auch Menschen aus allen Bereichen der Jugendhilfe zu Wort, die sich für die Heranwachsenden in Not engagieren. Besonders bewegend sind auch die ehrlichen Originaläußerungen der Kinder und Jugendlichen. Ein hervorragender Film, der die Probleme mitunter krass und deutlich macht, aber auch Hoffnung gibt.“

ANERKENNUNG MEDIENPREIS 2024
Katharina Wolff für 2 Fernsehbeiträge „Wenn ‚Systemsprenger‘ erwachsen werden – 2 Folgen: 1. Wohin mit Emil, 2. Emil zieht um“ (Erstveröffentlichung im WDR/Reihe Menschen hautnah am 20.01.2022)
 

Es handelt sich hierbei um eine zweiteilige Fernsehdokumentation über zwei geistig und entwicklungsbeeinträchtigte Jugendliche – Emil und Mercedes – die kurz vor der Volljährigkeit stehen.

Emil ist mit einer hirnorganischen Anomalie auf die Welt gekommen. Deshalb ist seine geistige Entwicklung verzögert und er reagiert von klein auf impulsiv und aggressiv. Rastet wegen Kleinigkeiten aus und greift auch seine Geschwister oder Eltern an. Die Eltern wollen, dass Emil so lange wie möglich in der Familie leben kann, doch je älter er wird, desto weniger schaffen es seine Eltern die Situation in den Griff zu bekommen. Irgendwann eskaliert die Lage. Damit Emil weiterhin zu Hause wohnen kann, muss nun nach Auflage des Jugendamts ein pädagogisch geschulter Sicherheitsdienst Tag und Nacht anwesend sein. Doch dies ist auf Dauer keine Lösung. Die Eltern suchen nach einer Wohngruppe, die es Emil ermöglicht, eine Chance zu bekommen, irgendwann ein relativ normales Leben zu führen. Obwohl es wenige Plätze gibt, gelingt im zweiten Teil der Doku der erfolgreiche Umzug in eine geschlossene Wohngruppe der Eingliederungshilfe. Gezeigt wird wie gut sich Emil entwickelt – die Eltern sind stolz darauf.

Auch die Mutter der 17-jährigen Mercedes hatte keine Kraft mehr mit den ständigen Wutausbrüchen ihrer Tochter umzugehen. Damit sie sich selbst und auch die drei Geschwister schützen kann, hat sie Mercedes ab ihrem 15. Lebensjahr in eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe untergebracht. Seitdem hat das Mädchen elf Einrichtungen durchlaufen. Die Mutter hat sich dann, anders als Emils Eltern dazu entschieden, ihre Tochter an eine gesetzliche Betreuerin abzugeben. Auch bei Mercedes geht es um den Wechsel in eine Einrichtung der Eingliederungshilfe für Erwachsene; allerdings droht Wohnungslosigkeit, wenn sie keinen Platz findet.

Begründung der Jury: "Die Dokumentation von Katharina Wolff zeigt eindrücklich einerseits die hohen und mitunter grenzwertigen Belastungen und Überforderungen von Familien mit Kindern mit einer geistigen oder seelischen Beeinträchtigung – vor allem, wenn diese zu massiver Impulsivität und Gewalt neigen. Dabei wird das Spannungsverhältnis deutlich, in dem sich die Eltern bewegen: Es reicht vom Anspruch, gute Eltern sein zu wollen, über den Schutz der Kinder vor sich selbst sowie den Schutz der Geschwister, der Eltern und anderer vor dem Kind. Bis dahin, welche Entscheidungen getroffen werden müssen, damit das Kind eine Chance auf eine Zukunft erhält. Das Ringen der Eltern, ihre Zweifel, ihre Liebe zu den Kindern, aber auch ihre Angst, Traurigkeit und ihre Stärke werden einfühlsam aus der Familienperspektive geschildert. Bei Emil kommen auch seine Geschwister zu Wort, die eindrücklich die Situation aus ihrer Sicht darstellen. Katharina Wolff ist es in hervorragender Weise gelungen, Verständnis für die beiden Jugendlichen und für ihre Familien zu wecken. Niemand wird bloßgestellt. Die Kinder- und Jugendhilfe spielt im Hintergrund immer wieder eine wichtige Rolle.“

Die Laudatio zum Medienpreis hielt auf der Preisverleihung Spiegel Buchautor Peter Wensierski

Herzlichen Dank an die Jury zur Vergabe des Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreises 2024!

Die AGJ dankt der Jury ganz herzlich für ihre hervorragende Arbeit und ihr besonderes Engagement, ohne Sie wäre der Deutsche Kinder- und Jugendhilfepreis – Hermine-Albers-Preis – nicht möglich. Mit großem zeitlichem und ideellem Engagement ist es ihr wieder gelungen, aus einer Fülle von hervorragenden Bewerbungen eine herausragende Auswahl zu treffen. 

Im einzelnen danken wir ganz herzlich der Juryvorsitzenden Prof. Dr. Nadia Kutscher und dem stellvertretenden Juryvorsitzenden Dr. Christian Lüders, und den Jurymitgliedern: Sebastian Bock, Kathrin Demmler, Dr. Dirk Härdrich, Winfried Hebold-Heitz, Christine Lohn, Prof. Dr. Martina Richter, Judith Schwarzburger, Peter Wensierski und Rolf Westermann. 

Sie haben eine großartige Arbeit geleistet!

Dank an den Stifter des Preises

Die AGJ dankt dem Stifter des Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreises - Hermine-Albers-Preis -, den Obersten Jugend- und Familienbehörden der Länder, ganz herzlich für die kontinuierliche Förderung und die Unterstützung.