Eurochild hat eine kritische Stellungnahme zu den Aufbau- und Resilienzplänen der EU-Mitgliedstaaten veröffentlicht. Damit möchte Eurochild Einfluss auf die Vergabe der EU-Konjunkturmittel in Höhe von 672,5 Milliarden Euro nehmen, die in den nächsten fünf bis sieben Jahren für die EU-Mitgliedstaaten mit dem Ziel der Konjunkturbelebung zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ als Nationales Partnernetzwerk (NPN) bei Eurochild konnte sich dieses Mal mit einer eigenen Kommentierung aufgrund des 17. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetages nicht einbringen. Dennoch soll über den Prozess zur Bewertung der Nationalen Aufbau- und Resilienzpläne informiert werden.
Die Stellungnahme von Eurochild sowie die Zusammenfassung der Rückmeldungen der Eurochild-Mitglieder zu den Nationalen Aufbau- und Resilienzplänen können Sie einsehen. Die Rückmeldungen der deutschen Mitglieder (National Coalition, Deutsches Kinderhilfswerk e. V. und Bayerischer Jugendring) sind auf S. 17ff einsehbar.
Hintergrund
Aufbau- und Resilienzpläne der EU-Mitgliedstaaten
Mit dem Aufbauinstrument „Next Generation EU“ in Höhe von 750 Mrd. Euro und dessen größtem Ausgabeninstrument – der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) mit einem Volumen von 672,5 Mrd. Euro – wird das Ziel verfolgt, die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie abzumildern und die europäischen Volkswirtschaften und Gesellschaften nachhaltiger und widerstandsfähiger zu machen. Zudem sollen sie dadurch besser auf die Herausforderungen und Chancen des grünen und digitalen Wandels vorbereitet werden. Die dafür zur Verfügung stehenden 672,5 Mrd. EUR werden in Form von Darlehen und Zuschüssen zur Unterstützung von Reformen und Investitionen der Mitgliedstaaten bereitgestellt. In den Aufbau- und Resilienzplänen der Mitgliedstaaten soll aufgezeigt werden, für welche Reformen und öffentliche Investitionsprojekte die EU-Mittel ausgegeben werden sollen. Um von der Unterstützung durch die Fazilität zu profitieren, sollten diese Reformen und Investitionen bis 2026 umgesetzt werden.
Deutschland hat den ersten Entwurf für einen Deutschen Aufbau- und Resilienzplan (DARP) im Dezember 2020 an die Europäische Kommission übermittelt. Den Vorgaben der ARF folgend wurde der Plan in einem Konsultationsprozess nun konkretisiert. Deutschland stehen aus der ARF Mittel in Höhe von ca. 25 Milliarden Euro zu. Im weitesten Sinne kinder- und jugendhilferelevant sind die Schwerpunkte „Digitalisierung der Bildung“ (Komponente 3.1 Digitalisierung der Bildung), wobei hier vor allem auf Schule abgezielt wird, und „Stärkung der sozialen Teilhabe“ (Komponente 4.1 Stärkung der Sozialen Teilhabe), worunter der Ausbau der Kinderbetreuungsinfrastruktur oder Maßnahmen im Rahmen von Aktionsprogrammen zum Aufholen pandemiebedingter Lernrückstände fallen.
Europäisches Semester
Das Europäische Semester und die ARF sind untrennbar miteinander verbunden. Mit der Veröffentlichung der Jahresstrategie für nachhaltiges Wachstum 2021 wurde das diesjährige Europäische Semester eingeleitet. Sie setzt die Wachstumsstrategie des letzten Jahres fort, die auf dem Europäischen Green Deal und dem Konzept der wettbewerbsfähigen Nachhaltigkeit basiert.
Die Kommission wird die Aufbau- und Resilienzpläne anhand der länderspezifischen Empfehlungen bewerten. Da sich das Europäische Semester und die Fazilität überschneiden werden, ist es notwendig, das Europäische Semester vorübergehend anzupassen.
Stellungnahme von Eurochild: Das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen wird in der überwiegenden Mehrheit der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne ignoriert
Eurochild bedauert, dass Kinder in mehreren Nationalen Aufbauplänen, die die Verwendung der speziellen EU-Gelder regeln werden, unsichtbar bleiben. Eurochild-Mitglieder und Partner haben die Pläne von 16 Ländern analysiert (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Kroatien, Litauen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern). Die Analyse der nationalen Sanierungspläne in diesen Ländern zeigt, dass Kinder und Jugendliche überwiegend außer Acht gelassen wurden. Die nachteiligen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das soziale Gefüge und das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen werden nicht berücksichtigt, und soziale Investitionen werden nicht ausreichend einbezogen. Wo sie enthalten sind, sind die Ziele und Maßnahmen zu deren Belangen oft zu allgemein und unzureichend. Außerdem schlagen viele Pläne keine neuen Elemente zur Bewältigung der Krise vor, sondern verweisen lediglich auf bereits bestehende Instrumente.
Eurochild kritisiert zudem, dass zivilgesellschaftliche Organisationen überwiegend aus dem Prozess der Entwicklung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne herausgehalten wurden, obwohl sie nützliche Expertise und Einblicke in die Auswirkungen der Pandemie auf verschiedene Gruppen von Bürgern liefern. Nur 4 der 22 Organisationen und Einzelpersonen, die die Analyse durchgeführt haben, wurden von ihren Regierungen bei der Entwicklung der Pläne konsultiert.