Jungsein zwischen Vielfalt und multiplen Krisen - Dokumentation der AGJ-Fachtagung zum 17. Kinder- und Jugendbericht mit Jugendaudit vom 18./19.11.2024

In jeder Legislaturperiode legt die Bundesregierung einen Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland vor. Mit der Ausarbeitung des Berichts wird jeweils eine unabhängige Sachverständigenkommission beauftragt. Jeder dritte Kinder- und Jugendbericht soll darüber hinaus einen Überblick über die Gesamtsituation der Kinder- und Jugendhilfe und die Lage der jungen Generation geben. Der 17. Kinder- und Jugendbericht ist ein solcher Gesamtbericht, der zudem ein besonderes Augenmerk auf die beiden Aspekte „Aufwachsen in Krisen“ und „Aufwachsen in einer diversen Gesellschaft“ legt. 

Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ veranstaltet anlässlich der Veröffentlichung eines jeden Kinder- und Jugendberichts traditionell eine Fachtagung in Kooperation mit der Sachverständigenkommission. In 2024 fand der Auftakt für den fachpolitischen Austausch am 18. und 19. November 2024 statt. Über 200 Teilnehmende kamen in der Mitte Berlins und im digitalen Livestream zusammen, um zentrale Ergebnisse des Berichts gemeinsam mit den Mitgliedern der Sachverständigenkommission und des Jugendaudits sowie den Kommentator*innen aus der Praxis zu diskutieren.

Nachfolgend finden Sie die Dokumentation der Veranstaltung. Abrufbar sind die filmischen Mitschnitte der Begrüßung und Berichtsvorstellung durch Prof. Dr. Karin Böllert, der Rede der Bundesjugendministerin Lisa Paus und der Vorstellung des Jugendgutachtens durch Teilnehmende des Jugendaudits. Auch die Auftakt- und die Paneldiskussion können Sie als Videoaufzeichnung anschauen. Die Dokumentation enthält zudem zu jedem der 18 Foren eine kurze schriftliche Zusammenfassung sowie die dazugehörigen Präsentationen.

Die Hauptmoderation der Veranstaltung wurde von Katharina Linnepe übernommen.

Tag 1 - Montag, 18.11.2024

Begrüßung und Vorstellung des 17. KJB

Prof. Dr. Karin Böllert, Vorsitzende der Berichtskommission und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

„Ich stehe heute in einer Doppelfunktion, die ich so auch noch nicht erlebt habe“, eröffnete die Vorsitzende ihren Vortrag. In diesen Funktionen war es ihr Anliegen, nicht nur eine kritische Bestandsaufnahme zu präsentieren, sondern Lust auf die Lektüre des umfassenden Berichts zu machen.

Gesellschaftliche Herausforderungen: Kinder- und Jugendhilfe als unverzichtbare Unterstützung

Zentrales Thema des Berichts ist die gerechte Verteilung von Ressourcen und Lebenschancen für junge Menschen. Die Vorsitzende machte klar: „Unsere Gesellschaft ist durch soziale Ungleichheiten geprägt“. Der Bericht skizziert daher Perspektiven für mehr Gerechtigkeit und die Anerkennung von Diversität als Antwort auf Diskriminierung und soziale Benachteiligung.

Die Kinder- und Jugendhilfe beschrieb Karin Böllert als unverzichtbaren Bestandteil des Aufwachsens. Sie sei gefordert, „besser zu werden, als sie es zurzeit ist“, um soziale Benachteiligungen abzubauen und jungen Menschen echte Teilhabechancen zu ermöglichen. Die Berichtskommission plädiert für den Ausbau von Infrastruktur und mehr Zugänglichkeit.

Der Bericht beleuchtet umfassend globale Herausforderungen wie Klimawandel, Digitalisierung und Migration. Er fordert, die Gestaltung einer nachhaltigen und gerechten Zukunft stärker in den Fokus zu rücken. „Es geht darum, wie wir in Zukunft leben werden und welche Weichen wir heute stellen müssen“, betonte die Vorsitzende.

Zukunft „der Jugenden“: Mit Zuversicht gestalten

Jugend wird im Bericht nicht als homogene Gruppe beschrieben. Statt von „der Jugend“ ist im Bericht konsequent von „Jugenden“ die Rede. Auch die Auswirkungen der Pandemie, die Krisenbewältigung und die Bedeutung sozialer Netzwerke für junge Menschen werden thematisiert.

Die Vorsitzende war sich sicher: „Es ist möglich, mit einer wirkungsvollen Kinder- und Jugendhilfe ein gerechtes Aufwachsen für alle jungen Menschen zu ermöglichen“. Unter der Überschrift „Jung sein können mit Zuversicht und Vertrauen“ gibt der Bericht zehn Leitlinien vor, die Kinder- und Jugendhilfe vertrauenswürdiger und wirksamer machen sollen. Diese Leitlinien werden mit klaren Empfehlungen an Politik, Wissenschaft und Praxis verknüpft. Denn die Gestaltung einer besseren Zukunft liege in den Händen all dieser Akteure.

Statement der Bundesjugendministerin

Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Bundesjugendministerin Lisa Paus eröffnete die Fachdebatte zum 17. Kinder- und Jugendbericht mit einem Grußwort. 

 

 

Präsentation eines Kurzfilms zu Perspektiven und Lebenswelten von Kindern

Wie geht es dir in deiner Familie? Was macht dir Angst? Was brauchst du, damit es dir richtig gut geht? Im Kurzfilm „Was Kinder bewegt“ von Núria Wetzel Ginestí und Ellis Kusper wurden Perspektiven von Kindern zum Bericht und ihren Lebensrealitäten in den Blick genommen.  Junge Menschen zwischen drei und zwölf Jahren berichten darin aus ihren Leben und richten Wünsche und Forderungen an die erwachsenen Menschen. Der Film wurde vom Deutschen Jugendinstitut in Kooperation mit dem JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis realisiert und den Teilnehmer*innen der Fachtagung in Anwesenheit der zwei sechsjährigen Protagonist*innen Olasade und Diyar präsentiert.

 

 

Vorstellung des Zwischenrufs junger Menschen zum Kinder- und Jugendbericht: 

Vertreter*innen des Jugendaudits: Vincent Sipeer, Lisann Mai, Ilka Essig, Jana Paul, Cynthia Lilith Cheema, Justus Koops und Lennox Paul Doernbrack

Die Teilnehmenden des Jugendaudits nutzten die Fachtagung zum 17. Kinder- und Jugendbericht, um ihre Sicht auf aktuelle politische Herausforderungen und die Ergebnisse des Berichts darzustellen. „Unsere Sicht ist eine Sammlung individueller Perspektiven, die keineswegs als Gesamtwertung von jungen Menschen verstanden werden darf“, betonten sie eingangs. 

Junge Menschen fordern mehr Mitbestimmung und Demokratieförderung

„Jugendverbände sind Werkstätten der Demokratie“, hieß es im Vortrag. Die Bundesregierung solle außerdem das Demokratiefördergesetz weiterverfolgen und Programme wie „Demokratie leben!“ langfristig sichern. 

Die Forderung nach mehr Beteiligung junger Menschen stand im Mittelpunkt: „Die Stimmen von Kindern und Jugendlichen müssen in politischen Debatten gehört werden“. Die Teilnehmenden des Jugendaudits forderten eine verlässliche, intersektionale und barrierefreie Beteiligung auf allen politischen Ebenen. Selbstvertretungen sollten als dritte Säule im SGB VIII verankert werden, um die politische Mitbestimmung strukturell zu sichern. Die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz nannten die Jugendlichen zudem als ein grundlegendes Anliegen. Zusätzlich forderten die Jugendlichen eine Staatsministerin für die Rechte zukünftiger Generationen im Bundeskanzleramt.

Finanzierung und Gesundheit: Forderungen für eine gerechte Jugendpolitik

Die Jugendlichen kritisierten geplante Kürzungen im Kinder- und Jugendplan des Bundes als „nicht hinnehmbar“. Eine an Inflation und Bedarfen orientierte Finanzierung müsse sicherstellen, dass alle jungen Menschen, unabhängig von Herkunft und sozialem Status, unterstützt werden. Auch postmigrantische Organisationen sollten stärker berücksichtigt werden. 

Angesichts der steigenden Belastungen durch Krisen wie Klimawandel, Krieg und soziale Unsicherheiten müsse die mentale Gesundheit junger Menschen Priorität haben: „Es braucht mehr Therapieplätze, insbesondere in der Kinder- und Jugendpsychologie.“ Fachkräfte in Schulen und sozialen Einrichtungen sollten besser geschult werden, um psychische Probleme frühzeitig zu erkennen. 

Die Jugendlichen forderten nachdrücklich, die Beteiligung an der Erarbeitung des Kinder- und Jugendberichts gesetzlich zu verankern und stellten klar: „Es darf nicht das letzte Mal gewesen sein“.

 

 

Auftaktdiskussion zwischen Bundesjugendministerin, Mitgliedern der Sachverständigenkommission und Teilnehmenden des Jugendaudits

Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Prof. Dr. Karin Böllert, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ
Dominik Ringler, Kompetenzzentrum für Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg
Prof. Dr. Sabine Andresen, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Vincent Sipeer und Cynthia Lilith Cheema, Teilnehmende des Jugendaudits

Im Rahmen der Fachtagung kamen Bundesjugendministerin Lisa Paus, Professorin Karin Böllert, Professorin Sabine Andresen, Dominik Ringler sowie Vincent Sipeer und Cynthia Lilith Cheema vom Jugendaudit zu einer engagierten Paneldiskussion zusammen. Dabei wurde über zentrale Ergebnisse, gesellschaftliche Herausforderungen und zukünftige Handlungsempfehlungen debattiert.

Kernbotschaften des Berichts: Zuversicht und Vertrauen als Schlüsselfaktoren

Die Kernbotschaften des Berichts betonen die Bedeutung von Zuversicht und Vertrauen für junge Menschen. Angesichts multipler Krisen wie der Covid-19-Pandemie stellt die Kommission fest, dass die Rechte und Bedürfnisse junger Menschen oft vernachlässigt werden. Sie fordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Hoffnung und Perspektiven ermöglichen. Gleichzeitig hebt sie die Bedeutung des Vertrauensvorschusses hervor, den Kinder und Jugendliche der Politik und Jugendhilfe entgegenbringen. Es liege an den Verantwortlichen, diesem Vertrauen durch konsequente politische Maßnahmen gerecht zu werden. „Wer vertraut, gibt immer einen Vertrauensvorschuss“, betonte Sabine Andresen, „und wie kann es gelingen, dass wir alle in den Bereichen, in denen wir Verantwortung haben, uns dessen auch als würdig erweisen?“.

Besondere Diskurse der Kommission

  • Frieden und internationale Konflikte: Unerwartet rückte das Thema „Aufwachsen ohne die Selbstverständlichkeit von Frieden“ in den Vordergrund, vor allem im Kontext internationaler Konflikte wie dem Israel-Gaza-Konflikt. „Wir mussten uns mit diesen Themen intensiver auseinandersetzen, als wir zunächst angenommen hatten“, so Karin Böllert.

  • Asyl- und Migrationspolitik: Die Kommission positionierte sich kritisch gegenüber der aktuellen Asyl- und Migrationspolitik, was in der Stellungnahme der Bundesregierung nur wenig Beachtung fand. Karin Böllert kommentierte: „Wir haben uns dezidiert gegen die im Augenblick vorherrschende Asyl- und Migrationspolitik ausgesprochen“.

  • Soziales Pflichtjahr: Eine klare Absage erteilte die Kommission der Einführung eines sozialen Pflichtjahres, solange nicht alle Interessierten einen Platz für ein freiwilliges soziales Jahr erhalten könnten.

  • Jungsein in Ostdeutschland: Die Auseinandersetzung mit dem Kapitel „Jungsein in Ostdeutschland“ wurde durch aktuelle gesellschaftliche Debatten und die Interpretation ostdeutscher Wahlergebnisse geprägt. Die Darstellung der Erfahrungen junger Menschen in Ostdeutschland erforderte eine sorgfältige Abwägung zwischen biografischen Erlebnissen und wissenschaftlichen Fakten. Dominik Ringler erklärte: „Wir mussten persönliche Erfahrungen und Fakten in Einklang bringen, was eine der größten Herausforderungen war“.

Mediale Resonanz und öffentliche Wahrnehmung: Vielfalt im Fokus

Der Bericht erhielt breite Aufmerksamkeit und stieß auf ein signifikantes Echo, so resümierte die Ministerin. Besonders die Themen Vielfalt und Intersektionalität standen im Fokus der medialen Berichterstattung. Die Kommission verzichtete bewusst auf den Begriff „Migrationshintergrund“ und wählte mit der Verwendung des Begriffs „natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit“ einen inklusiveren Ansatz. 

Perspektive der Jugendlichen: Visionen für die Zukunft

Die Jugendlichen des Jugendaudits brachten zentrale Forderungen in die Diskussion ein. Sie betonten, dass Adultismus als strukturelle Diskriminierung stärker thematisiert werden müsse. „Diese Gesellschaft ist keine, die sonderlich kinder- und jugendfreundlich ist. Sie ist zutiefst ungerecht und das Aufwachsen von jungen Menschen, das hat noch so viele Potenziale“, so Vincent Sipeer. Zudem forderten sie ein besseres Verständnis für Digitalität im Aufwachsen junger Menschen und schlugen einen „Digitalpakt Jugendhilfe“ vor. Ein weiteres Kernanliegen war die Klimakrise, die in der Kinder- und Jugendhilfe konsequenter berücksichtigt werden müsse, um Klimaneutralität und Bildung für nachhaltige Entwicklung zu fördern.

Starke Strukturen sichern: Jugendpolitik als Priorität

Der Bericht unterstreicht die Notwendigkeit starker Strukturen in der Kinder- und Jugendhilfe sowie deren angemessener Finanzierung. Er liefert konkrete Handlungsempfehlungen für die Politik und ruft dazu auf, die Themen Zuversicht und Vertrauen gezielt zu stärken.

Zum Ende der Diskussion betonten alle Beteiligten, dass die Umsetzung der im Bericht formulierten Empfehlungen politische Priorität haben müsse. 

 

Foren I.1: Jungsein im gesellschaftlichen Wandel und sozialen Ungleichheiten

 

Jungsein in Zeiten des Klimawandels

Input: Prof. Dr. Benedikt Hopmann (Universität Siegen), Lorenz Bahr (Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration)
Kommentierung: Janina Rüther (Naturschutzjugend NAJU)
Moderation: Laurette Rasch (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)
Protokoll: Paula Joseph (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)

Jungsein in einer Demokratie unter Druck

Input: Dr. Gabriele Weitzmann (Bayerischer Jugendring), Prof. Dr. Jörg Fischer (Fachhochschule Erfurt)
Kommentierung: Tobias Thiel (Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt)
Moderation: Nicole Tappert (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)
Protokoll: Sabine Bösch (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)

 

Jungsein in Zeiten kriegerischer Bedrohungslagen

Input: Prof. Dr. Peter Cloos (Stiftung Universität Hildesheim), Prof. Dr. Sabine Andresen (Goethe-Universität Frankfurt am Main)
Kommentierung: Aische Westermann (Kölner Flüchtlingsrat)
Moderation: Dr. Zola Kappauf (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)
Protokoll: Magdalena Beyrich (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)

 

Jungsein in der Nicht-/Beteiligungsgesellschaft

Input: Dominik Ringler (Kompetenzzentrum für Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg), Prof. Dr. Karin Böllert (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)
Kommentierung: Miriam Zeleke (Hessisches Ministerium für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales)
Moderation: Angela Smessaert (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)
Protokoll: Alena Franken (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)

 

Jungsein in Armut

Input: Marion von zur Gathen (Der Paritätische Gesamtverband), Prof. Dr. Davina Höblich (Hochschule RheinMain)
Kommentierung: Eric Großhaus (Save the Children Deutschland)
Moderation: Nadine Salihi
Protokoll: Emma Capitain (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)

 

Jungsein in der Einwanderungsgesellschaft

Input: Prof. Dr. Philipp Sandermann (Leuphana Universität Lüneburg), Dr. Talibe Süzen (Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt)
Kommentierung: Elena Subbota (Jugendmigrationsdienst Erfurt IB Mitte gGmbH)
Moderation: Dr. Irene Poczka (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)
Protokoll: Julie Dombrowski (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)

Foren I.2: Jungsein im gesellschaftlichen Wandel und sozialen Ungleichheiten

 

Jungsein mit Behinderungen

Input: Prof. Dr. Benedikt Hopmann (Universität Siegen), Prof. Dr. Karin Böllert (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)
Kommentierung: Hanna Mann (jumemb – Partizipation Inklusive Jugendhilfe), Hanna Strüder
Moderation: Angela Smessaert (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)
Protokoll: Paula Joseph (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)

 

Jungsein in geschlechtlicher und sexueller Vielfalt

Input: Prof. Dr. Davina Höblich (Hochschule RheinMain), Prof. Dr. Philipp Sandermann (Leuphana Universität Lüneburg)
Kommentierung: Kim Alexandra Trau (Jugendnetzwerk Lambda e.V.)
Moderation: Eva-Lotta Bueren (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)
Protokoll: Christine Neumeyer (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)

 

Jungsein in Stadt und Land

Input: Dominik Ringler (Kompetenzzentrum für Kinderund Jugendbeteiligung Brandenburg), Dr. Talibe Süzen (AWO Bundesverband)
Kommentierung: Gerd Rademacher (Landesjugendfeuerwehr Brandenburg) und Lisa Krehl (Gangway e.V.)
Moderation: Heidi Schulze (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)
Protokoll: Liane Pluto (Deutsches Jugendinstitut)

 

Jungsein in Ostdeutschland

Input: Prof. Dr. Jörg Fischer (Fachhochschule Erfurt), Marion von zur Gathen (Der Paritätische Gesamtverband)
Kommentierung: Johanna Probst (Kinder- und Jugendring Sachsen)
Moderation: Franziska Porst (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)
Protokoll: Emma Capitain (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)

 

Jungsein in einer alternden Gesellschaft

Input: Lorenz Bahr (Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration), Prof. Dr. Peter Cloos (Stiftung Universität Hildesheim)
Kommentierung: Shari Kohlmeyer (Deutscher Bundesjugendring)
Moderation: Nadine Salihi
Protokoll: Julie Dombrowski (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)

 

Jungsein und Dynamiken der Gewalt

Input: Prof. Dr. Sabine Andresen (Goethe-Universität Frankfurt am Main), Dr. Gabriele Weitzmann (Bayerischer Jugendring)
Kommentierung: Prof. Dr. Theresia Höynck (Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen)
Moderation: Nils Rusche (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)
Protokoll: Dr. Zola Kappauf (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)

 

Tag 2 - Dienstag, 19.11.2024

Foren II: Adressat*innen, Strukturen, Angebote und Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe

 

Träger- und Finanzierungsstrukturen

Input: Prof. Dr. Philipp Sandermann (Leuphana Universität Lüneburg), Dr. Talibe Süzen (Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt)
Kommentierung: Rolf Diener (Die Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration – SASJI)
Moderation: Angela Smessaert (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)
Protokoll: Paula Joseph (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)

 

Personelle Ressourcen

Input: Prof. Dr. Davina Höblich (Hochschule RheinMain), Lorenz Bahr (Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration)
Kommentierung: Alexander Nöhring (AWO Bundesverband)
Moderation: Dr. Irene Poczka (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)
Protokoll: Dr. Zola Kappauf (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)

 

Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe

Input: Prof. Dr. Nadia Kutscher (Universität zu Köln), Prof. Dr. Benedikt Hopmann (Universität Siegen)
Kommentierung: Andreas Borchert (Sächsische Landjugend)
Moderation: Nadine Salihi
Protokoll: Christine Neumeyer (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)

 

Adressat*innen

Input: Prof. Dr. Peter Cloos (Stiftung Universität Hildesheim), Prof. Dr. Sabine Andresen (Goethe-Universität Frankfurt am Main)
Kommentierung: Jana Paul, Careleaver e. V., Björn Redmann (Bundesnetzwerk Ombudschaft in der Kinder- und Jugendhilfe)
Moderation: Eva-Lotta Bueren (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)
Protokoll: Sabine Bösch (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)

 

Kinder- und Jugend(hilfe)politik

Input: Prof. Dr. Karin Böllert (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ), Dr. Gabriele Weitzmann (Bayerischer Landesjugendring)
Kommentierung: Heidi Schulze und Nils Rusche (jugendgerecht.de – Arbeitsstelle Eigenständige Jugendpolitik)
Moderation: Nicole Tappert (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)
Protokoll: Alena Franken (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)


Schnittstellen, Kooperationen, Planung

Input: Prof. Dr. Jörg Fischer (Fachhochschule Erfurt), Dominik Ringler (Kompetenzzentrum für Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg)
Kommentierung: Thomas Fink (Bundesarbeitsgemeinschaft [BAG] Landesjugendämter)
Moderation: Laurette Rasch (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)
Protokoll: Emma Capitain (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ)

Paneldiskussion „Im Gespräch mit der Kommission“ – Leitlinien: Jungsein können mit Zuversicht und Vertrauen – was Kinder- und Jugendhilfe vertrauenswürdig macht 

Prof. Dr. Wolfgang Schröer, Vorsitzender des Bundesjugendkuratoriums, Universität Hildesheim Lorenz Bahr, Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration
Prof. Dr. Philipp Sandermann, Leuphana Universität Lüneburg
Prof. Dr. Karin Böllert, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe - AGJ

Am zweiten Veranstaltungstag diskutierten Kommissionsmitglieder über aktuelle Herausforderungen, Zukunftsperspektiven und zentrale Forderungen für die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Mit dabei waren unter anderem Professorin Karin Böllert, Staatssekretär Lorenz Bahr und Professor Philipp Sandermann. Unter der Moderation von Professor Wolfgang Schröer wurden Themen wie Vertrauen, Verantwortung und politische Handlungsspielräume intensiv beleuchtet.

Keine Einbahnstraße: Vertrauen als Grundpfeiler der Jugendhilfe

Die Diskussion begann mit einer Kernbotschaft des Berichts: Vertrauen müsse aktiv verdient werden. Karin Böllert hob hervor: „Junge Menschen geben der Kinder- und Jugendhilfe einen Vertrauensvorschuss. Diesen müssen wir durch konkrete Taten und Verlässlichkeit rechtfertigen“. Philipp Sandermann ergänzte: „Vertrauen ist keine Einbahnstraße. Es entsteht durch moralische Integrität, Kompetenz und Wohlwollen“. Die Kommission betonte, dass Kinder- und Jugendhilfe nur dann nachhaltig erfolgreich sein könne, wenn diese Prinzipien konsequent umgesetzt würden.

Prioritäten setzen: Verantwortung für junge Menschen übernehmen 

Trotz begrenzter finanzieller Ressourcen konnte die Kinder- und Jugendhilfe in Nordrhein-Westfalen priorisiert werden, so Staatssekretär Bahr. Er betonte, dass Mittel zugunsten von Kindern, Jugendlichen und Bildung aufgestockt wurden – zulasten anderer Ressorts wie Umwelt und Sicherheit. Die Landesregierung habe sich klar für die Unterstützung junger Menschen entschieden, was im Sinne von Vertrauen und Zuversicht als zentrale Werte verstanden werden müsse. Dies sei ein Modell, wie ressortübergreifende Zusammenarbeit für Kinder und Jugendliche gelingen könne. Karin Böllert kommentierte: „Man muss die anderen Ressorts daran erinnern, dass wir alle gemeinsam Verantwortung tragen für junge Menschen und alle die Verpflichtung haben, Zuversicht und Vertrauen zu ermöglichen. Dann kann eine Kürzung in einem Ressort zugunsten des Ressorts, wo Kinder und Jugendliche verantwortet werden, auch Ausdruck einer Verantwortungsübernahme sein und nicht nur Ausdruck von machtpolitischen Spielchen und Durchsetzungsmanövern“.

Erfolge der Jugendhilfe: Anerkennung und ehrliche Grenzen

Die Diskutanten betonten, dass die Kinder- und Jugendhilfe trotz großer Herausforderungen bereits viele Erfolge erzielt habe. Besonders hervorgehoben wurden der Ausbau der Kindertagesbetreuung und die Versorgung von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten. „Das ist eine echte Erfolgsgeschichte, die aber auch sehr deutlich die Grenzen der Kinder- und Jugendhilfe in diesen Systemen aufzeigt“, ergänzte Lorenz Bahr. Die Fachleute forderten, die Grenzen der Leistungsfähigkeit ehrlich zu kommunizieren. Der größte Erfolg der Kinder- und Jugendhilfe liege darin, dass sie von ihren Adressat*innen als selbstverständlicher Teil der sozialen Infrastruktur für das Aufwachsen junger Menschen wahrgenommen wird – nicht mehr als Institution für soziale Probleme, sondern als unterstützende Begleiterin im Lebensalltag.

Ein zentraler Auftrag für die nächste Bundesregierung: Beteiligung und jugendpolitische Vorhaben umsetzen

Die Panelteilnehmenden forderten, die Beteiligung junger Menschen und ihrer Eltern als zentrales politisches Ziel im nächsten Koalitionsvertrag zu verankern. Beteiligung schaffe Vertrauen und stärke das Gefühl der Selbstwirksamkeit. „Vertrauenswürdigkeit stellt man her, indem man den anderen anerkennt und ihn auch mitmachen lässt“, so Philipp Sandermann. Besonders geflüchtete Eltern zeigten sich trotz großer Belastungen sehr engagiert bei der Mitgestaltung öffentlicher Infrastruktur – ein Potenzial, das nicht ungenutzt bleiben dürfe. 

Die Kommissionsmitglieder formulierten klare Erwartungen an die zukünftige Bundesregierung. Kritisch angemerkt wurde, dass frühere politische Zusagen wie die Einführung der Kindergrundsicherung, die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz, die Verabschiedung des Demokratiefördergesetzes sowie die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre bisher unerfüllt blieben. Die Teilnehmenden appellierten, klare Prioritäten zu setzen und politische Verantwortung zu übernehmen. Beteiligung und soziale Gerechtigkeit müssten verbindliche Verpflichtungen und keine unverbindlichen Absichtserklärungen bleiben. Zudem müsse die Asyl- und Migrationspolitik dringend überdacht werden. „Ich wünsche mir einen Koalitionsvertrag, in dem eine Asyl- und Migrationspolitik festgehalten wird, die sich nicht darin ergötzt, einen Überbietungswettbewerb im Hinblick auf Abschiebefantasien und der Aufweichung des Asylrechtes zu dokumentieren“, so Karin Böllert.

Zukunft der Jugendpolitik: Stabile Strukturen und ehrliche Versprechen

Die Expert*innen der Diskussion forderten, dass die Kinder- und Jugendhilfe nicht länger von persönlichem Engagement Einzelner abhängen dürfe. „Wir brauchen Strukturen, die unabhängig von Personen funktionieren und dauerhaft Vertrauen schaffen“, betonte Karin Böllert. Eine gesetzlich verankerte Jugendbeteiligung bei der Erstellung künftiger Jugendberichte sei unerlässlich, um junge Menschen ernsthaft einzubeziehen. „Für Vertrauen gibt es nichts Tödlicheres als gebrochene Versprechen“, warnte Philipp Sandermann, „und ich glaube ein Versprechen, hinter das man nicht zurückfallen sollte und eigentlich auch nicht mehr kann nach diesem Kinder- und Jugendbericht, ist das Versprechen der Beteiligung“.

Junge Menschen müssten als selbstverständlicher Teil der Kinder- und Jugendhilfe anerkannt und nicht als Bittstellende betrachtet werden. Fortschritt sei nur durch partnerschaftliche Zusammenarbeit mit ihnen möglich, so Karin Böllert. Gleichzeitig solle die Kinder- und Jugendhilfe auch ihre Stärken anerkennen: „Von einem Kollaps sind wir weit entfernt“, stellte Lorenz Bahr klar.

 

Gerechtes Aufwachsen ist möglich mit einer wirkungsvollen Kinder- und Jugendhilfe: Leitlinien und Empfehlungen im World Café

Im abschließenden World Café wurden die Leitlinien für eine vertrauens- und zuversichtsbasierte Kinder- und Jugendhilfe sowie die Empfehlungen an Politik, Wissenschaft und Fachpraxis an zehn Thementischen aufbereitet. Gemeinsam mit den jeweiligen Tischpat*innen - Kommissionsmitgliedern und Mitarbeiter*innen der AGJ-Geschäftsstelle - konnten die Teilnehmer*innen die jeweiligen Empfehlungen und Leitlinien des vierten und fünften Berichtskapitels besprechen und weiterdenken. Die dabei entwickelten Ideen und Kritikpunkte sowie die Gedanken zu Gelingensfaktoren und Herausforderungen angesichts einer praktischen Umsetzung wurden stichpunktartig festgehalten.

Ausblick

Die Fachtagung zeigte eindrucksvoll, dass die Kinder- und Jugendhilfe vor komplexen Herausforderungen steht, gleichzeitig aber bereits wertvolle Strukturen und Perspektiven bietet. Klar wurde auch, dass nachhaltige Fortschritte nur durch kontinuierliche politische Unterstützung, eine gesicherte Finanzierung und eine stärkere Beteiligung junger Menschen möglich sind.

Zentrale Forderungen wie die gesetzliche Verankerung der Kinderrechte, die Einführung der Kindergrundsicherung, der Ausbau der Jugendbeteiligung und eine gerechtere Asyl- und Migrationspolitik blieben durchgehend präsent. Die Paneldiskussionen und Foren verdeutlichten, dass diese Anliegen nicht nur politisches Engagement, sondern auch gesamtgesellschaftliche Unterstützung erfordern.

Die Ergebnisse und Empfehlungen der Fachtagung fließen in zukünftige politische Debatten und fachliche Entwicklungen ein. Die AGJ wird die Themen weiter vorantreiben und den Dialog mit Politik, Wissenschaft und Fachpraxis intensivieren, um die Perspektiven junger Menschen und ihrer Familien nachhaltig zu verbessern.

 


Ansprechperson für Nachfragen und Hinweise ist die zuständige Referentin Monique Sturm (monique.sturm[at]agj.de).