Erasmus+ Nachfolgeprogramm - Wie geht es weiter ab 2021?
2014 startete Erasmus+, das große EU-Programm für Bildung, Jugend und Sport mit einem Budget von 14,7 Milliarden Euro für die Jahre 2014 – 2020. Für die nächste Programmgeneration schlägt die Kommission insgesamt 30 Milliarden Euro, mithin eine Verdoppelung des Budgets vor. Der Jugendbereich soll mit 3,1 Mrd Euro (1,5 Mrd im laufenden Programm) ausgestattet werden. Das entspricht zunächst einmal 10% der Gesamtmittel.
Aus Erasmus+ soll künftig Erasmus werden
Die Architektur des Programms und der Bildungsbereiche soll grundsätzlich beibehalten werden, mit einer Unterteilung in jeweils drei Leitaktionen und eigenen Budgetlinien. Der Entwurf sieht im Moment eine Namensänderung vor: Aus Erasmus+ soll künftig Erasmus werden. Mit der Zusammenführung der Programme hatten der Schulbereich, die Berufs- und Erwachsenenbildung sowie das Jugendkapitel JUGEND IN AKTION bereits erheblich an Sichtbarkeit verloren. Über die Jahre konnte diese jedoch Schritt für Schritt wieder aufgebaut werden. Nun droht ein neuer Sichtbarkeitsverlust, denn mit Erasmus wird weiterhin nur der Hochschulbereich assoziiert.
Der Anspruch an die Bedeutung des Programms könnte kaum größer sein:
„Angesichts der raschen und tief greifenden Veränderungen infolge der technischen Revolution und der Globalisierung sind Investitionen in Lernmobilität, Zusammenarbeit und innovative Politikentwicklung in den Bereichen allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport der Schlüssel, um inklusive, kohärente und resiliente Gesellschaften zu bilden, die Wettbewerbsfähigkeit der Union zu bewahren und gleichzeitig einen Beitrag zur Stärkung der europäischen Identität und zu einer demokratischen Union zu leisten.“
Instrument zur Umsetzung der neuen EU-Jugendstrategie
Vor allem soll das neue Programm das wesentliche Instrument zur Umsetzung der neuen EU-Jugendstrategie ab 2019 sein, zur Verwirklichung der Europäischen Säule sozialer Rechte beitragen und die Schaffung eines europäischen Bildungsraums bis 2025 ermöglichen.
Etwas konkreter: Ziel des Programms ist es, die schulische, berufliche und persönliche Entwicklung von Menschen in Bildung, Ausbildung, Jugend und Sport in Europa und darüber hinaus zu unterstützen, um so zu nachhaltigem Wachstum, zu Beschäftigung, sozialem Zusammenhalt sowie zur Stärkung der europäischen Identität beizutragen. Der Vorschlag definiert neben diesem Hauptziel drei sektorspezifische Ziele. So heißt es für den Jugendbereich, dass das Programm die nichtformale Lernmobilität und die aktive Teilnahme junger Menschen sowie die Zusammenarbeit, Inklusion, Kreativität und Innovation auf der Ebene von Jugendorganisationen und der Jugendpolitik fördern soll.
Die verstärkte Teilnahme junge Menschen mit weniger Chancen wird in den grundsätzlichen Erwägungen zum neuen Programm als prioritär beschrieben. Die Kommission verspricht: „Dank neuer Formate und eines vereinfachten Zugangs für kleinere und Basisorganisationen wird es für Menschen aus benachteiligten Verhältnissen einfacher, an dem neuen Programm teilzunehmen.“
Internationale Öffnung und dezentrale Umsetzung
In allen drei Leitaktionen können Partnerländer der EU und sonstige Länder auf Basis von Vereinbarungen einbezogen werden. Darüber hinaus bestätigt und bekräftigt der Vorschlag die dezentrale Verwaltung durch Nationale Agenturen. Die Mitgliedstaaten sind außerdem weiterhin berechtigt, mehrere sektorspezifische Nationale Agenturen einzurichten. Außerdem stelt die Kommission eine Vereinfachung der Antragstellung und Programmdurchführung in Aussicht, u. a. durch verbesserte Online-Tools sowie Vereinfachung und Straffung der Programmarchitektur.
Die drei bekannten Leitaktionen bleiben weiterhin bestehen und werden im Namen präzisiert:
* Leitaktion 1 soll künftig „Lernmobilität“ heißen,
* Leitaktion 2 wird in „Zusammenarbeit zwischen Organisationen und Institutionen“ umbenannt,
* Leitaktion 3 wird zu „Unterstützung von politischen Vorhaben und politischer Kooperationen".
Es werden neue Aktivitätstypen eingeführt, diese entsprechen teilweise den Forderungen verschiedener Einrichtungen und Verbände der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland.
In Leitaktion 1 wird es, nach dem Willen der EU-Kommission, neben den Jugendbegegnungen und der Fachkräftemobilität, neue Aktivitätstypen geben, darunter sogenannte „youth participation activities“, die sich wahrscheinlich am Format der ehemaligen "Jugendinitiativen" ausrichten werden. Der Europäische Freiwilligendienst ist nach Einführung des Europäischen Solidaritätskorps natürlich nicht mehr Teil des Programms.
In Leitaktion 2 sollen künftig kleinere Partnerschaftsprojekte gefördert werden, um den Zugang für kleinere Organisationen, insbesondere auch für Organisationen, die mit jungen Menschen mit geringeren Chancen zusammenarbeiten, zu erleichtern. Online-Plattformen und -Tools für die virtuelle Zusammenarbeit sollen ebenfalls gefördert werden.
In Leitaktion 3 sollen Aktivitäten, die zur politischen Zusammenarbeit mit einschlägigen Akteuren (wie europäischen NGOs und internationalen Organisationen im Jugendbereich) gefördert werden. Außerdem soll die Leitaktion 3 zur verstärkten Teilhabe junger Menschen am politischen Dialog (EU-Jugenddialog), vor allem im Rahmen der Umsetzung der EU-Jugendstrategie, beitragen.
#DiscoverEU ohne inhaltliche Anbindung an die Ziele
Die Initiative #DiscoverEU, mit der perspektivisch den 18-jährigen Jugendlichen in der EU ein Interrailticket kostenlos zur Verfügung gestellt werden soll, hat es ebenfalls in den Katalog der vorgeschlagenen Fördermöglichkeiten geschafft. Damit würde #Discover EU Teil des Jugendbereichs im neuen Programm und mit etablierten Formaten der nicht formalen Bildung gleichgestellt werden.
De facto wird #Discover EU so als eine Form von Lernmobilität definiert, was allerdings u.a. vom Europäischen Jugendforum, dem Deutschen Bundesjugendring und von Teilen des EU-Parlaments kritisiert wird. Es bleibt völlig unklar, wie dieses Format zur Erreichung der Ziele des Programms beitragen kann, das auf die Verbesserung von Schlüsselkompetenzen von jungen Menschen und ihrer Beschäftigungsfähigkeit, der Förderung ihrer Beteiligung am demokratischen Leben, des bürgerschaftlichen Engagements, des interkulturellen Dialogs sowie von sozialer Inklusion ausgerichtet ist.
Denn an keiner Stelle wird im Vorschlag erläutert, wie #DiscoverEU - mit einem avisierten Budget von immerhin 700 Mio Euro - zu den oben genannten Zielen oder gar zur Umsetzung der EU-Jugendstrategie nachhaltig beitragen könnte. In ihrer Pressemitteilung spricht die Kommission vielmehr von „Förderung der europäischen Identität durch Reisen“, eine Formulierung, die so noch nie im Bildungszusammenhang genutzt wurde.
Kohärenz mit dem Europäischen Solidaritätskorps (ESK)
Mit der Einrichtung des ESK wird der ehemalige Europäische Freiwilligendienst als Programmbestandteil von Erasmus+ abgewickelt.
Zu den Verbindungslinien zwischen den künftigen EU-Jugendprogrammen führt die Kommission im Vorschlag aus:
„Im Bereich Jugend wird das Programm für Kohärenz mit dem Europäischen Solidaritätskorps sorgen und mit seinem Angebot an unterschiedlichen Aktivitäten eine Ergänzung für diese Initiative darstellen. Mit dem Europäischen Solidaritätskorps soll das Engagement junger Menschen und Organisationen in zugängliche und hochwertige solidarische Tätigkeiten gestärkt werden; das Erasmus-Programm bietet hingegen andere Arten von Aktivitäten wie transnationale Lernmobilität, Jugendaktivitäten, Maßnahmen zur Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen Organisationen und Aktivitäten zur Unterstützung der Politikentwicklung. Die beiden Programme verfügen über gemeinsame Lenkungs- und Durchführungsmechanismen.“
Die nächsten Schritte
Die EU-Kommission strebt eine rasche Einigung über den gesamten langfristigen EU-Haushalt und den Programmvorschlag an. Verzögerungen würden die Durchführung des neuen Erasmus-Programms im ersten Jahr (2021) beeinträchtigen: So könnten fast eine Million Menschen ihren Auslandsaufenthalt nicht antreten, und Hunderttausende EU-finanzierter Projekte in den Bereichen „Allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport“ könnten nicht rechtzeitig starten.
Zunächst aber sollten in Deutschland die im Jugendbereich engagierten Akteure Positionen und Meinungen erarbeiten und eine fachliche Debatte zum Vorschlag eröffnen. Gesprächsstoff gibt es sicherlich, genügend Gestaltungsspielraum hoffentlich.
Quelle: JUGEND für Europa
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