Mädchenbericht 2023: Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte von jungen Menschen im Fokus
Im September 2023 stellte Plan International Deutschland den Mädchenbericht 2023 „Jugend im Fokus“ vor, der beleuchtet, welche Aufmerksamkeit dem Thema sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte (SRGR) junger Menschen in der feministischen Entwicklungs- und Außenpolitik (FAEP) seit 2021 zukommt. Unter SRGR wird die uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit über Körper, Sexualität und Familienplanung verstanden, die Mädchen, junge Frauen und junge menstruierende Personen nirgendwo auf der Welt uneingeschränkt haben. SRGR bilden jedoch die Grundvoraussetzung für Gleichberechtigung und Teilhabe am sozialen, gesellschaftlichen und politischen Leben – dies gilt insbesondere für Mädchen und junge Frauen. Laut dem Bericht ist die neue feministische Außen- und Entwicklungspolitik Deutschlands, welche die SRGR in den Fokus rückt, eine Chance zur Stärkung der SRGR und somit der Selbstbestimmung sowie Partizipation von Mädchen und jungen Frauen weltweit.
Plan International Deutschland setzt sich als Kinderrechtsorganisation insbesondere für die Belange von Mädchen und jungen Frauen bis 24 Jahren im Bereich der SRGR ein. Im Englischen ist dafür die Bezeichnung ASRHR (Adolescent Sexual and Reproductive Health and Rights) gebräuchlich, im Deutschen gibt es noch keine gängige Übersetzung. Deshalb führt der Mädchenbericht den Begriff SRGR+-Jugend (SRGR+J) ein, um die SRGR aller jungen Menschen bis einschließlich 24 Jahre zu bezeichnen.
Das Ziel des diesjährigen Mädchenberichts ist, sowohl Lücken als auch Möglichkeiten für einen inklusiven sowie erfolgreichen außen- und entwicklungspolitischen Einsatz im Bereich der SRGR aufzuzeigen. Zudem beinhaltet der Bericht konkrete Handlungsempfehlungen für das Ministerium für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) und das Auswärtigen Amt (AA) zur Umsetzung der FAEP FAEP wird von beiden Ministerien verstanden als eine Politik, die einen besonderen Schwerpunkt auf die weltweite Gleichstellung und die Menschenrechte von vulnerablen Gruppen, insbesondere Frauen und Mädchen, legt.
Mit Blick auf das BMZ konstatiert der Mädchenbericht, dass sich das BMZ in seinen Strategien und Politikpapieren zu einem ganzheitlichen Ansatz in Bezug auf die SRGR verpflichte, dieser aber bei der Strategie zur feministischen Entwicklungspolitik zu unkonkret bleibe und nur durch intensives Studium anderer Dokumente, Initiativen und Strategiepapiere deutlich werde. Darüber hinaus fehle eine klare Ausrichtung und Positionierung auf junge Menschen, um die hohe Priorität und Bedeutung der SRGR sowie der SRGR+J zu betonen. Ferner vermisst Plan International eine spezifische Betrachtung der Bedürfnisse von jungen Menschen und die Anerkennung dessen, dass Mädchen, junge Frauen und junge Menstruierende spezifische Herausforderungen und Bedürfnisse im Bereich der SRGR haben, die besondere lebens- und situationsspezifische Ansätze erfordern. Ein besseres Verständnis und Wissen bezüglich dieser unterschiedlichen Bedürfnisse sei notwendig, um den ganzheitlichen Ansatz in der Praxis effektiv umzusetzen. Daher fordert Plan International die Einführung des SRGR+J-Konzepts in die feministische Entwicklungspolitik und einen konkreten Umsetzungsplan.
Hinsichtlich der feministischen Strategie des AA stellt der Mädchenbericht fest, dass die SRGR hier eine zentrale Komponente seien und das Thema in seiner Diversität und als Querschnittsthema in den verschiedenen Handlungsfeldern des AA erkannt werde. Allerdings sei die Ausarbeitung des Themas – insbesondere in Bezug auf eine präzise Definition und einen jugendspezifischen Ansatz – in unzureichender Form verankert. SRGR-Maßnahmen und Aktionen seien unkonkret und es bleibe unklar, wie das Ministerium diese unterstützen und mitgestalten wolle, was bei der Implementierung oft ein Hindernis darstelle. Es fehle ferner die Definition des Gender-Age-Disability Marker, auf die sich sowohl die Partner*innen des AA als auch die Zivilgesellschaft berufen können. Da diese Legislaturperiode (2021–2025) schon weit vorangeschritten sei, hält es Plan International für dringend erforderlich, eine umfassende Ausarbeitung der Umsetzung einer SRGR und SRGR+J-Strategie mit konkreten Maßnahmen und Zielen vorzunehmen, um die Umsetzung so greifbar und konkret wie möglich zu machen.
Sowohl dem BMZ als auch dem AA gibt der Mädchenbericht darüber hinaus spezifische Empfehlungen im Hinblick auf die fünf Kernelemente der SRGR+J an die Hand, unter Berücksichtigung derer thematisch relevante Strategiedokumente beider Ministerien analysiert wurden: Rechte, Gesundheit, Bildung, Gendernormen und Beteiligung. Im Vergleich zeige sich, so Plan International, dass das BMZ bei vielen Aspekten der fünf Kernelemente bereits positive Ansätze entwickelt habe, dabei aber zu sehr einen Familienplanungsansatz fokussiere, der heteronormative Rollenbilder und Familienkonstellationen fördere und somit dem selbst gesetzten intersektionalen Anspruch nicht vollständig gerecht werde. Beim AA dagegen seien viele Aspekte der fünf Kernelemente nur ansatzweise oder gar nicht zu erkennen. So gebe das AA in den von Plan International Deutschland analysierten Dokumenten keine eindeutige Definition der SRGR an und auf gesellschaftliche Strukturen, Normen und Werte werde nur am Rande Bezug genommen. Mädchen und junge Menschen im Allgemeinen blieben nahezu unsichtbar, wenn es um die SRGR gehe.