Sexualisierte Gewalt als verbindliches Thema in der Aus-, Fort- und Weiterbildung

Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

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Im vorliegenden Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ wird die Frage der verbindlichen Verankerung des Themas sexualisierte Gewalt[1] in der Aus-, Fort- und Weiterbildung in verschiedenen Perspektiven aufgegriffen. Die Inblicknahme von Risikopotenzialen  und -strukturen in pädagogischen Kontexten darf nicht zu einem generalisierten Misstrauen gegenüber Fachkräften und in der Kinder- und Jugendhilfe ehrenamtlich Tätigen sowie zum Aufbau vermeintlich omnipotenter Kontrollstrukturen in den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und benachbarten Feldern führen. Die beste Prävention gegen sexualisierte Gewalt sind eine ausgebildete und damit tragfähige pädagogische Professionalität und eine entsprechende Organisationskultur, auf die sich Anstellungsträger, Einrichtungsleitungen und vor allem Eltern, Kinder und Jugendliche als Nutzerinnen und Nutzer sowie Adressatinnen und Adressaten verlassen können. In diesem Sinne werden mit dem vorliegenden Positionspapier Eckpunkte für die notwendige Entwicklung und Implementierung von Lerninhalten für die Aus-, Fort- und Weiterbildung[2] ausgewiesen. 

Die Debatte um die Frage, welche Herausforderungen sich bei der Prävention von und Intervention bei Fällen sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen für pädagogisch-professionelles Handeln ergeben, ist nicht neu, obgleich sie mit der Aufdeckung von Fällen sexualisierter Gewalt in Institutionen eine bislang einmalige öffentliche wie fachliche Aufmerksamkeit erhalten hat. Auch die verbindliche Verankerung des Themas in der Aus-, Fort- und Weiterbildung wird von den einschlägigen Fachberatungen in Deutschland bereits seit vielen Jahren gefordert. Ausgangspunkte der in diesem Papier formulierten Eckpunkte für die Entwicklung und Implementierung von Lerninhalten für die Aus-, Fort- und Weiterbildung bilden sowohl die aktuelle Rechtsentwicklung zum Kinderschutz (SGB VIII, BKiSchG) als auch die von den nachfolgenden Akteuren formulierten Empfehlungen und Forderungen:

  • Empfehlungen des Runden Tisches Sexueller Kindesmissbrauch,
  • Empfehlungen des Runden Tisches Heimerziehung,
  • Ergebnisse des 2. Hearings des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), 
  • Ergebnisse des Experten- und Expertinnenworkshops „Sexualisierte Gewalt und Pädagogische Professionalität in der Kinder- und Jugendhilfe“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in Kooperation mit der AGJ im Februar 2014[3].

Relevante Zielgruppen 

Das Thema sexualisierte Gewalt ist grundsätzlich für alle (Berufs-) Gruppen von Bedeutung, die mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten, d.h. neben der Kinder- und Jugendhilfe betrifft dies beispielsweise auch kommerzielle Angebote (z. B. Kinder- und Jugendreisen). Im Fokus stehen somit sowohl die Aus-, Fort- und Weiterbildung von im Beruf aktiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Leitungskräften als auch die Qualifizierung von ehrenamtlich Tätigen (Betreuerinnen und Betreuer in Freizeitmaßnahmen, Trainerinnen und Trainer, Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter usw.) und anderweitig Beschäftigten (z.B. Honorarkräfte u. ä.).

Die hier formulierten Eckpunkte beziehen sich jedoch insbesondere auf die Entwicklung und Implementierung von Lerninhalten, die sich an die im pädagogischen Bereich tätigen Personen richten, d.h. auch an Lehrende an Fachschulen/Fachakademien und Hochschulen sowie im Rahmen von Fort- und Weiterbildung.

Relevante Handlungsfelder

Pädagogische Kontexte bergen aufgrund ihrer Machtförmigkeit und der damit verbundenen Asymmetrie zwischen Pädagoginnen und Pädagogen sowie Nutzerinnen und Nutzern die Gefahr sexualisierter Gewalt. Deshalb ist in allen pädagogischen Handlungsfeldern eine entsprechende professionelle Reflexivität und Sensibilität unbedingt erforderlich, um sexuelle Übergriffe möglichst zu verhindern. Trotz dieses generellen Risikos sind die Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe besonders in den Blick zu nehmen, da Kinder und Jugendliche nach allen empirischen Erkenntnissen einer besonderen Gefährdung sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind. Dies betrifft insbesondere folgende Handlungsfelder mit ihren zielgruppen spezifischen Angeboten:

  • die verschiedenen Angebote im Rahmen der Kindertagesbetreuung (Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflege und Schulkinder-betreuung),
  • die Hilfen zur Erziehung (z.B. Erziehungsberatung, soziale Gruppenarbeit, Erziehungsbeistand, die Unterstützung durch Betreuungshelferinnen und Betreuungshelfer, die sozialpädagogische Familienhilfe, die Vollzeitpflege, die Heimerziehung und sonstige betreute Wohnformen, die teilstationäre Betreuung sowie die intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung),
  • die Kinder- und Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und der erzieherische Kinder- und Jugendschutz (z. B. sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen, verschiedene Formen des sozialpädagogisch begleiteten Wohnens und Sozialarbeit an Schulen, Jugendarbeit in Jugendzentren, Verbänden und Gemeinden sowie Kinder- und Jugendreisen).

Werte, Übereinkommen, gesetzliche Regelungen und Kompetenzprofile als Anknüpfungspunkte

Professionelle Soziale Arbeit gründet in universellen Werten und Übereinkommen, wie sie beispielsweise im Katalog der Menschenrechte oder den Persönlichkeitsrechten und dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes zum Ausdruck kommen (z.B. die Menschenwürde, das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit, das Recht von Kindern auf Förderung sowie auf Schutz und Unterstützung). Weiterhin ist auf die Verpflichtung zur Herstellung positiver Entwicklungs- und Förderbedingungen für Kinder und Jugendliche sowie auf die Verpflichtung zu einer gewaltfreien Erziehung zu verweisen.

Neben den nationalen gesetzlichen Grundlagen (u.a. SGB VIII, StGB, BKiSchG) sowie den Landeskinderschutzgesetzen sind auch die bestehenden relevanten Qualifikationsrahmen/Qualifikationsprofile als Referenzpunkte einzubeziehen, insbesondere der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR)[4] sowie beispielsweise der Qualifikationsrahmen Soziale Arbeit (QR SArb)[5] für alle drei wissenschaftlichen Abschlüsse Bachelor, Master und Promotion, der Qualifikationsrahmen für BA-Studiengänge der „Kindheitspädagogik“/„Bildung und Erziehung in der Kindheit“ sowie das Kompetenzorientierte Qualifikationsprofil für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern an Fachschulen/Fachakademien für Sozialpädagogik.

Eckpunkte für die Entwicklung von Lerninhalten zum Thema sexualisierte Gewalt

Da die Ausbildung pädagogisch-professionellen Handelns im Umgang mit sexualisierter Gewalt als kontinuierlich prozesshafter und reflexiver Diskurs anzusehen ist, werden für die Ausweisung der Eckpunkte die folgenden drei (beruflichen) Phasen als Strukturierungsmerkmal zugrunde gelegt: die Phase der Ausbildung/des Studiums, die Phase der Berufseinmündung sowie die Phase der Fort- und Weiterbildung.
Aufgrund der großen Bandbreite an Qualifikationen und Formen der Beschäftigung bzw. Mitarbeit sind die Eckpunkte in einem nächsten Schritt auf die jeweiligen Anforderungen und Rahmenbedingungen in den verschiedenen Handlungsfeldern zu übertragen. Die Erfordernisse hinsichtlich der Qualifizierungsangebote für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Leitungskräfte müssen im Einzelfall ermittelt werden. Obgleich in jeder Einrichtung ein bestimmtes Basiswissen über sexualisierte Gewalt und ihre Folgen, Täterstrategien sowie die Arbeit mit Betroffenen sexualisierter Gewalt vorhanden sein muss, ergeben sich die Erfordernisse für die Qualifizierungsangebote auch aus den Ergebnissen der konkreten Gefährdungsanalyse in Verbindung mit dem Handlungskonzept der Institution gegen sexualisierte Gewalt.

Zu berücksichtigen ist auch, dass sich die im pädagogischen Bereich tätigen Personen auf verschiedenen Ebenen bewegen und sich grundsätzlich folgendermaßen differenzieren lassen:

  • als Akteure in der Arbeit mit den Betroffenen und den damit verbundenen Anforderungen (Erkennen, Begleiten, Agieren etc.),
  • als Personen, die ihr eigenes Handeln regelhaft reflektieren müssen,
  • als Professionelle, die innerhalb organisatorischer Rahmungen (z.B. Personalauswahl, Gestaltung von Arbeitsverträgen, Analyse von Gefährdungspotentialen etc.) agieren sowie diese angemessen gestalten müssen (dies betrifft insbesondere auch die Leitungskräfte).

Entlang dieser verschiedenen Ebenen müssen die im nachfolgenden ausgewiesenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen im Rahmen der Ausbildung/des Studiums, der Berufseinmündungsphase sowie der Fort- und Weiterbildung reflektiert und im Kontext der bereits im Rahmen der grundständigen Ausbildung vermittelten Ausbildungsinhalte hinsichtlich der Aneignung von Wissen und dem Erwerb von Handlungskompetenz differenziert gestaltet werden.

Grundsätzlich ist für die Entwicklung einer pädagogischen Professionalität im Umgang mit sexualisierter Gewalt in Bezug auf alle drei beruflichen Entwicklungsphasen darauf zu achten, Orte der Reflexion zur Verfügung zu stellen, in denen die notwendige Grenzbearbeitung reflektiert und der Umgang mit Macht in pädagogischen Beziehungen thematisiert werden kann. Zudem ist eine Stärkung des „Lernortes Praxis“ bzw. die intensivere Verbindung von Theorie und Praxis durch eine entsprechende Vernetzung und Kooperation der Ausbildungs- und Anstellungsträger anzustreben, da im Rahmen der Ausbildung/des Studiums nur auf der Metaebene der erforderliche Praxisbezug hergestellt werden kann. 

Eckpunkte für die Ausbildung/das Studium:

Für die Herausbildung pädagogischer Professionalität im Umgang mit sexualisierter Gewalt sind die Aneignung von Wissen sowie die reflexive Auseinandersetzung darüber erforderlich. Da die zentralen Rahmungen fachschulischer und (fach-) hochschulischer Qualifikationen Kenntnisse über das Potential von Macht und damit verbundener Asymmetrien sowie über Grenzverletzungen und sexualisierte Formen von Gewalt nicht explizit als Qualifizierungsthema benennen, empfiehlt die AGJ für die Ausbildungs- phase/das Studium die Entwicklung und Implementierung eines Basismoduls zum Thema sexualisierte Gewalt und ihrer Folgen, um eine verbindliche Behandlung und Auseinandersetzung mit dem Thema zu gewährleisten (explizite Vermittlung ausgewählten Basiswissens). Im Rahmen der in der grundständigen Ausbildung vermittelten Fachtheorie und Methodenlehre sollten dann jeweils Bezüge zum Thema sexualisierte Gewalt hergestellt werden (implizite Wissensvermittlung). 

Zu folgenden Kompetenzen sollte im Rahmen der Ausbildung/des Studiums befähigt werden:

  • Grundlagen der Sexualpädagogik, insbesondere Kenntnisse über die kindliche Sexualität und die psychosexuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen,
  • Grundlagen der Gewaltprävention,
  • Selbstreflexive und kommunikative Kompetenzen zur sexuellen Identitätsbildung, zu Rollenbildern sowie Partnerschaftskonstrukten und -konflikten,
  • Wissen um die Wirkmächtigkeit der professionellen Paradoxien und kasuistische Erfahrungen mit deren Gestaltung, insbesondere hinsichtlich der professionellen Gestaltung von Nähe und Distanz,
  • Kenntnisse über Indikatoren, Formen, Täterstrategien und Folgen sexualisierter Übergriffe auf Kinder und Jugendliche, wobei nach der Ausübung sexualisierter Gewalt a) durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Einrichtungen, b) durch externe Erwachsene, c) durch externe Gleichaltrige sowie d) durch Gleichaltrige in Einrichtungen differenziert werden sollte, da jeweils unterschiedliche Handlungs-notwendigkeiten erforderlich sind,
  • Kenntnisse über Machtpotentiale, Herrschaftsstrukturen und Asymmetrien in pädagogischen Beziehungen, d.h. Wissensbestände darüber, wie pädagogisches Handeln im Kern mit Macht und Sexualität verwoben wird,
  • Handlungsmöglichkeiten (Verfahrensweisen/Konzepte) zur Inter-vention und Kenntnis von Kooperationspartnern im regionalen Netzwerk,
  • Kenntnisse im Hinblick auf besondere Risiken für spezifische Gruppen (z.B. Jugendliche mit homosexueller Orientierung oder Jugendliche mit Behinderungen),
  • Interkulturelle und geschlechtssensible Aspekte,
  •  Kenntnisse im Bereich der Medienkompetenz, 
  • Kenntnisse der einschlägigen Gesetzesgrundlagen.

Eckpunkte für die Phase der Berufseinmündung

Die AGJ empfiehlt für die Berufseinmündungsphase, gezielte Angebote bereitzustellen, mit denen das im Rahmen der Ausbildung/des Studiums vermittelte Wissen durch Vertiefung und Spezialisierung in eine professionelle Handlungskompetenz transferiert werden kann, z. B. durch entsprechende Praktika bzw. gezielte Angebote in der Einarbeitungsphase (z.B. Mentoring, Supervision, Reflexionsräume). 

Darüber hinaus sollten folgende grundlegende Handlungskompetenzen während der Berufseinmündungsphase auch in Bezug auf die Auseinandersetzung mit dem Thema sexualisierte Gewalt vermittelt werden:

  • Beteiligung von Betroffenengruppen als Expertinnen und Experten in eigener Sache,
  • Umgang mit Verdacht im Hinblick auf sexualisierte Gewalt, Gefährdungseinschätzungen und entsprechende Handlungsoptionen,
  • Fähigkeit, die sozialpädagogische Perspektive in vernetztem und interdisziplinärem Arbeiten zu gewährleisten,
  • Wahrnehmung der anwaltschaftlichen Vertretung für Kinder und Jugendliche gegenüber anderen Professionen und Berufsgruppen,
  • Auseinandersetzung mit institutionellen und organisationalen Rahmungen sowie mit den Grundsätzen ethischen Professions-bewusstseins.

Eckpunkte für die Phase der Fort- und Weiterbildung

In Bezug auf die Phase der Fort- und Weiterbildung empfiehlt die AGJ eine weiterführende Vertiefung und Spezialisierung über Fort- und Weiterbildungen in bedarfsgerechter und gestufter Form in Abhängigkeit von dem jeweiligen Handlungsfeld sowie der Nähe zur Ziel- bzw. Betroffenengruppe.

Die Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen reichen hierbei von der Aufklärung über (dienstliche) Anweisungen und fachliche Informationen, der Vermittlung von Wissen und dem individuellen Kompetenzerwerb in Seminaren und Trainings bis hin zu einer Befähigung zur organisatorischen Implementierung der erworbenen Kompetenzen in den Bereichen Prävention und Intervention zum Thema sexualisierte Gewalt.[6]

Exemplarisch sollten folgende Themen und Handlungskompetenzen im Bereich der Fort- und Weiterbildung im Einzelnen vermittelt werden: 

  • Präventionsstrategien,
  • Informationen in Bezug auf rechtliche Veränderungen und Weiterentwicklungen,
  • Umgang mit Verdacht auf sexuellen Missbrauch,
  • Selbstreflexion zum Thema Grenzüberschreitungen,
  • Konfliktgesprächsführung mit den Beteiligten/Betroffenen,
  • Krisenpläne.

Anforderungen an die Leitungskräfte in der Kinder- und Jugendhilfe und Konsequenzen für deren Fort- und Weiterbildung

Eine struktur- und machtsensible, reflexive pädagogische Professionalität muss auch immer die organisationalen Rahmungen und pädagogischen Kontexte gestaltend in den Blick nehmen. Daher sind sowohl die Stärkung des ethischen Professionsbewusstseins als auch der Organisationskultur mithilfe eines kontinuierlichen Prozesses der Praxis- und Organisationsentwicklung erforderlich, der das Wohl der Kinder und Jugendlichen in den Fokus stellt. Da die entsprechenden Qualifizierungsmaßnahmen je nach Aufgabenbereich und Funktion unterschiedliche Themen und Formen umfassen, sollten Leitungskräfte und andere Verantwortliche (z. B. Vorstände) mit Blick auf das Aufgabenspektrum der Organisations- und Personalentwicklung für das Thema sexualisierte Gewalt zu Folgendem befähigt werden:

  • Vermittlung von Handlungskompetenz im Bereich Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt in Bezug auf die Gesamtorganisation sowie die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
  • Kenntnisse um Gefährdungspotentiale sowie Methoden, diese mit Blick auf die Organisation und das Personal zu analysieren,
  • Aufbau von Strukturen, die Beteiligung und Beschwerdemöglichkeiten für die Kinder und Jugendlichen selbst sowie für deren Eltern sicherstellen
  • Aufbau von Strukturen, die Gefährdungsmomente vermindern, d.h. zum einen Kenntnisse über die Gestaltung von pädagogischen Organisationen in Bezug auf präventive Strukturen (z.B. innerinstitutionelle Transparenz, Vermeidung von Machtkonzen-trationen, selbstreflexive Organisationskultur) und zum anderen die Entwicklung der Kompetenz, diese auszugestalten,
  • Wissen um geeignete Reflexionsformen einschließlich Supervision und deren Bedeutung für die Auseinandersetzung mit dem Thema sexualisierte Gewalt für die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Gesamtteams und diese Kompetenz als Organisationskultur zu implementieren,
  • Themenspezifische Fort- und Weiterbildung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ermöglichen und zu fördern, einschließlich der partizipativen Ermittlung entsprechender Bedarfe,
  • Wissenstransfer und Kooperationsvermögen, um die relevanten Akteure (zuständigen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger sowie Institutionen im Kinderschutz) zu vernetzen,
  • Kompetenzvermittlung zur Ermittlung und zum Umgang mit Fragen zur persönlichen Eignung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,
  • Weiter- und Neuentwicklung fachdidaktischer, insbesondere sexualpädagogischer Ansätze und deren Implementierung.

Die Perspektive, auf die Kompetenzen von Leitungskräften im Bereich der Organisations- und Personalentwicklung zu fokussieren, muss dabei grundlegend auch immer die Kompetenzerweiterung und Kompetenz-entwicklung der Leitungskraft selbst in Bezug auf das Thema sexualisierte Gewalt einschließen.

Ausblick

Nach Ansicht der AGJ ist es zwingend erforderlich, dass über die Kinder- und Jugendhilfe hinaus in allen Handlungsfeldern für die Thematik sensibilisiert wird, in denen Verantwortung für Kinder und Jugendliche übernommen wird. Dies gilt somit auch für den Gesundheits- und Bildungsbereich.
Neben der Vermittlung von wissenschaftlichen Befunden und konkreten Informationen sowie einem damit verbundenen Aufbau professioneller Handlungskompetenzen im Rahmen der Ausbildung/des Studiums, der Berufseinmündung sowie der Fort- und Weiterbildung von im Beruf aktiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Leitungskräften sollten in einem weiterführenden Schritt auch folgende Aspekte in den Blick genommen werden:

  • die spezielle Ausbildung sowie Fort- und Weiterbildung von Fachkräften für die Arbeit in Beratungsstellen mit dem Ziel eines bundesweiten Ausbaus von (spezialisierten) Informations- und Beratungsangeboten für Betroffene,
  • im Sinne ausreichender und verbesserter Therapieangebote eine zielgruppenspezifische Fort- und Weiterbildung für Psychothera-peutinnen und Psychotherapeuten sowie Ärztinnen und Ärzte.

Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ 

Berlin, 02./03. Juni 2014

 

[1] Neben der Form der sexualisierten Gewalt wird in der Fachliteratur zwischen körperlicher Gewalt sowie emotionalem Missbrauch und Vernachlässigung unterschieden, vgl: Spitzer/Grabe (Hrsg.): Kindesmisshandlung. Psychische und körperliche Folgen im Erwachsenenalter, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2013, S. 17f. Gegenstand des vorliegenden Positionspapiers ist die Form der sexualisierten Gewalt, ohne damit jedoch die weiteren Missbrauchsformen und ihre Folgen verharmlosen zu wollen.
[2] In diesem Text sind mit „Lerninhalten für die Aus-, Fort- und Weiterbildung“ sowohl fachschul- und (fach-) hochschulspezifische Lehrpläne und Curricula für die Ausbildung bzw. das Studium als auch Lerninhalte im Rahmen der beruflichen Fort- und Weiterbildung gemeint. Die Lerninhalte beziehen sich sowohl auf die pädagogischen als auch Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsberufe.
[3] Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat mit Förderinitiativen in den Bereichen Bildung und Gesundheit zwei Forschungsschwerpunkte gesetzt, die eine neue Forschungslandschaft aufbauen und verankern sollen mit dem Ziel, die Forschung im Kontext sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in pädagogischen Einrichtungen auszubauen. Durch die Einrichtung von Juniorprofessuren an Hochschulen, wie bspw. der Juniorprofessur an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, soll eine nachhaltige wissenschaftliche Bearbeitung dieses Forschungsbereiches etabliert werden, mehr Informationen unter: www.bmbf.de/de/14675.php.
[4] Der DQR wurde am 01. Mai 2013 eingeführt und stellt einen Referenzrahmen zur Einordnung der Qualifikationen des deutschen Bildungssystems dar. Ziel ist es, sowohl die Orientierung und Durchlässigkeit im deutschen Bildungssystem zu erleichtern als auch zur Vergleichbarkeit deutscher Qualifikationen in Europa beizutragen. Siehe hierzu auch die AGJ- Stellungnahme „Herausforderungen des Deutschen
Qualifikationsrahmens (DQR) für die Kinder- und Jugendhilfe“, Beschlussfassung September 2012.
[5] Der QR SArb dient als Orientierungsrahmen für die (Um-)Gestaltung von Studiengängen und Curricula der Sozialen Arbeit und bezieht sich auf vergleichbare Rahmenwerke, wie bspw. den DQR, mehr Informationen unter: www.fbts.de/fileadmin/fbts/Aktuelles/QRSArb_Version_5.1.pdf.
[6] Es gibt bereits einzelne Fort- und Weiterbildungsangebote in diesem Bereich, u.a. die Bundesweite
Fortbildungsoffensive 2010-2014 zur Stärkung der Handlungsfähigkeit (Prävention und Intervention) von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kinder- und Jugendhilfe zur Verhinderung sexualisierter Gewalt, mehr Informationen unter: www.dgfpi.de/tl_files/pdf/bufo/Konzept/2011-01-17%20Kurzkonzept%20Bundesweite%20Fortbildungsoffensive%20DGfPI%20e.V.pdf.