Junge Menschen am Übergang von Schule zu Beruf – Handlungsbedarfe an der Schnittstelle zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Arbeitswelt

Diskussionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe - AGJ

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Die Übergänge zwischen den Bildungsinstitutionen werden von der Arbeitsgemeinschaft für Kinder und Jugendhilfe – AGJ seit langem thematisiert. Es ist inzwischen durchgängig anerkannt, dass für alle biografischen Bildungsphasen ein sorgfältiges Übergangsmanagement erforderlich ist. Dies gilt umso mehr, als es in Deutschland zahlreiche unterschiedliche Institutionen und Verantwortungsebenen in der Bildungslandschaft gibt. Ausgangspunkt dieses Papiers ist die besondere Hürde zwischen der allgemeinbildenden Schule und der beruflichen Bildung. Die an den Schnittstellen zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Arbeitswelt auftretende, mehrdimensionale Problematik ist inzwischen von vielen Kommunen im Rahmen der Gestaltung kommunaler Bildungslandschaften aufgegriffen worden, z. B. in der Weinheimer Initiative[1]. Ebenso hat sich die Bundesagentur für Arbeit den Überschneidungen zwischen den verschiedenen Rechtskreisen gestellt, u. a. im „Arbeitsbündnis Jugend und Beruf“, das vielerorts als Modellprojekt installiert wurde. 

Die Bemühungen um eine verbindliche Regelung an den Schnittstellen von SGB II, III und VIII, wie von der AGJ bereits vor drei Jahren gefordert, kommen nur langsam voran.[2] Die Gründe liegen nicht zuletzt in einer sehr unterschiedlichen Sichtweise auf die jungen Menschen in den verschiedenen Rechtskreisen. Im SGB VIII ist das Recht eines jeden jungen Menschen auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverant-wortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit festgeschrieben. Das SGB VIII ist sowohl in seiner Grundsatzaussage (§ 1) als auch im Bereich der Jugendsozialarbeit (§ 13) auf „junge Menschen“ ausgerichtet und meint damit Personen bis 27 Jahre. Die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe sind als Angebote und Hilfen definiert (§ 2 Abs. 2). Ihre Inanspruchnahme ist freiwillig, was bedeutet, dass die Teilnahme an einem Angebot oder eine Hilfemaßnahme nicht „erzwungen“ werden oder mit Hilfe von Sanktionen durchgesetzt werden kann. Die Träger und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe haben einen anderen Blick auf die Leistungsberechtigten als die Träger der Arbeitsförderung und der Grundsicherung. 

Mit dem vorliegenden Papier rückt die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ, ausgehend von einer ganzheitlichen Perspektive auf die Entwicklung junger Menschen, Handlungsbedarfe an der Schnittstelle zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Arbeitswelt in den Fokus. 

1. Ausgangslage 

Die Anzahl der Schulabgängerinnen und Schulabgänger sinkt – mit erheblichen regionalen Unterschieden – stetig und nähert sich bundesweit immer mehr der Anzahl der zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze an. Die Bevölkerungsanzahl der 16- bis 19-Jährigen sinkt von 2008 bis 2025 durchschnittlich tatsächlich um ca. 24% auf rund 2 Millionen junge Menschen. Doch führt diese Entwicklung nicht zwangsläufig zu einem Einstieg der Heranwachsenden aus den heutigen „Übergangssystemen“ in eine (duale) Berufsausbildung. In 2025 werden, trotz Demographiewandel, ca. 238.000 junge Menschen im Übergangssystem verbleiben, wenn keine maßgeblichen Veränderungen erfolgen (zum Vergleich: 2008 verblieben 400.000 Jugendliche im Übergangssystem / 2011 waren es 295.000).[3]  

Zurzeit nehmen junge Menschen erst in einem Durchschnittsalter von 19,8 Jahren eine Erstausbildung auf.[4] Richtig ist, dass sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt entspannt hat, so dass in diesem Jahr laut Bundesagentur ca. 100.000 Ausbildungsplätze unbesetzt blieben. Im Wesentlichen profitieren aber von dieser Situation Schülerinnen und Schüler mit guten Noten, deren Auswahl an Ausbildungsplatzmöglichkeiten sich nun vergrößert hat. Mit schlechterem oder gar keinem Schulabschluss verbleiben nach wie vor Jugendliche in „Warteschleifen“ und ohne Ausbildungsperspektive. Gewerkschaften sprechen von „nicht ausbildungsreifen Betrieben“ und meinen damit sowohl diejenigen, die nicht ausbildungswillig als auch diejenigen, die nicht ausbildungsbereit sind. Arbeitgeberverbände sprechen hingegen von „nicht ausbildungsreifen Jugendlichen“. Fakt ist, dass offensichtlich bei einer nicht unerheblichen Zahl von jungen Schulabgängerinnen und Schulab-gängern, aus Sicht der potenziellen Ausbildungsbetriebe, die in der Schule erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen für einen im Wettbewerb stehenden Ausbildungsbetrieb nicht ausreichen. Und es wird auch weiterhin Heranwachsende geben, die eine intensive sozialpädago-gische Förderung benötigen und (wenigstens zeitweise) eine praktische Berufsausbildungssituation außerhalb des Marktwettbewerbes brauchen. Für diese Gruppe von integrationsgefährdeten Jugendlichen sollten auch weiterhin außerbetriebliche Ausbildungsangebote in ausreichendem Maße vorgehalten werden. 

Zu erwarten ist, dass zwar tatsächlich mehr sozial benachteiligte und individuell beeinträchtigte Jugendliche Zugang zur dualen Ausbildung erhalten werden als es in den vergangenen Jahren der Fall war, andererseits ist aber auch abzusehen, dass diese Jugendlichen Hilfe benötigen werden, um die heute nicht minder hohen Anforderungen an eine betriebliche Ausbildung erfüllen zu können. Schon jetzt werden 24,4% der Ausbildungsverträge vorzeitig aufgelöst. Das betrifft zurzeit ca. 154.000 junge Leute, von denen schätzungsweise die Hälfte erfolgreich in der dualen Ausbildung verbleibt und als sogenannte Umsteiger eine bessere Ausbildungsalternative gefunden hat.[5]  Bei der anderen Hälfte handelt es sich überwiegend um junge Menschen mit niedrigen Schulabschlüssen und mit ausländischer Staatsangehörigkeit oder mit Migrationshintergrund, die aus unterschiedlichen Gründen eine Ausbildung ohne Alternative abbrechen.[6]     

Auch verabschieden sich immer noch ca. 86.000 Heranwachsende im Prozess der Ausbildungssuche und werden von der Bundesagentur nicht mehr als Bewerberinnen und Bewerber geführt. Es ist wichtig, zu erkunden, ob diese jungen Menschen alleine zurecht gekommen sind oder eine intensivere Beratung im Übergangsprozess benötigen. [7] 

Hiervon ausgehend ergeben sich aus Sicht der AGJ konkrete Handlungsbedarfe an der Schnittstelle zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Arbeitswelt, die sich aus verschiedenen Handlungsfeldern herleiten lassen.

2. Handlungsfelder

Ablösungsprozesse und Verselbstständigung 

Die Verselbstständigung ist ein zentrales Entwicklungs- und Bildungsziel für junge Menschen am Ende ihrer Schullaufbahn. Dabei wird als zentraler Aspekt wachsender Selbständigkeit die Befähigung, eine eigenständige Berufsbiographie entwickeln zu können, verstanden. Diese Aufgabe gilt es bis zur Einmündung in die ökonomische Eigenverantwortung zu bewältigen. In diesem Entwicklungsprozess haben sie das Recht, insbesondere Angebote der Kinder- und Jugendhilfe gemäß § 13 SGB VIII zu erhalten. Zudem benötigen sie möglicherweise Leistungen nach anderen Sozialgesetzbüchern. Dieser Übergangsprozess, der mit Suchphasen zum nächsten Bildungsziel verbunden ist, geht mit Ablösungsschritten vom Elternhaus einher.8 Viele Studien belegen den prägenden Einfluss der Eltern auf die Bildungsentscheidungen junger Menschen. Es gibt viele Erfahrungen über die gelungene Einbeziehung der Eltern in der vorschulischen Bildung und in der Grundschule. Die breite Elternbeteiligung im weiteren Verlauf der Bildungsphasen ist jedoch weit schwieriger zu realisieren. Schulen und Kinder- und Jugendhilfe müssen hier stärker als bisher nach geeigneten Wegen suchen, um durch Information, Beratung und Begleitung junge Menschen und ihre Eltern zu unterstützen, mit dem Ziel, die wachsende Selbständigkeit zu befördern. In diesem Sinne gilt es, verlässliche Kommunikations- und Kooperationsstrukturen zwischen Kinder- und Jugendhilfe, Schule, Arbeitswelt und Familie zu schaffen.

Schulsozialarbeit und Kompetenzentwicklung

Im schulischen Kontext gelingt darüber hinaus eine elternunabhängige, professionelle Hilfestellung für erfolgreiche Bildungs- und Entwicklungs-prozesse zunehmend auch durch engagierte Schulsozialarbeit. Um erwachsen zu werden, die Geschlechtsrolle zu finden, für das eigene Handeln Verantwortung tragen zu lernen sowie ein Bewusstsein über die eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten zu entwickeln und gleichzeitig eine berufliche Orientierung zu finden, brauchen junge Menschen eine ausreichende Entwicklungszeit und manchmal mehrere Anläufe. 
Eine wesentliche Aufgabe im Rahmen von Schulsozialarbeit ist die Förderung der Kompetenzentwicklung junger Menschen. Dabei dürfen Kompetenzen nicht im Sinne einer engen, berufsbezogenen Ausrichtung verstanden werden. Kompetenzentwicklung unter den Aspekten einer zunehmenden und früheren Berufsorientierung an den Schulen hat dabei zweifellos ihren wichtigen Stellenwert. Kompetenzen müssen aber in einem weiteren Sinne verstanden werden. Sie sind nicht nur Wissen, Können und bestimmte Fertigkeiten, die zu beruflicher Handlungsfähigkeit führen. Kompetenzen umfassen auch Fähigkeiten, das eigene Handeln zu beurteilen und letztlich das eigene Leben bewältigen zu können, jeweils im Bewusstsein der eigenen Rolle und mit einem positiven Verständnis eigener Selbstwirksamkeit. Zielsetzung ist es also, dass Jugendliche sich über ihre Kompetenzen und das, was sie (schon) können, ebenso wie über das, was sie (noch) nicht können, bewusst sind. 

Begleitende Beratung zur Berufs- und Lebensorientierung

Professionelle Angebote der individuellen Begleitung und Beratung bieten eine gute Unterstützung der jungen Menschen bei der Bewältigung ihrer umfassenden Entwicklungsaufgaben. Das zeigt das Beispiel der Jugendberatungshäuser (z. B. in Berlin-Mitte), in denen Jugendhilfefachkräfte, in guter Kooperation mit dem Jobcenter vor Ort, junge Menschen auf ihrem Weg beraten und unterstützen. Aber auch die fachliche Information über die Berufsberatung der Arbeitsagentur ist, neben Praktika-Erfahrungen und Berufsorientierung in der Schule, ein unverzichtbarer Baustein. Mit einer Begleitung über Eltern und Peers sowie Kinder- und Jugendhilfe, Schule und Arbeitsagentur/Jobcenter können auch schwierige Übergänge erfolgreich gestaltet und bewältigt werden. Dabei ist es die Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe vor Ort, dafür Sorge zu tragen, dass benachteiligte Jugendliche ausreichend Unterstützung erhalten. Insbesondere vor dem Hintergrund der Neuorganisation des „Übergangssystems“ muss darauf geachtet werden, dass nicht nur allen jungen Menschen vor dem Verlassen der Regelschule Hilfen zur Berufsorientierung unterbreitet werden, sondern auch ausreichend Ressourcen zur intensiven Begleitung von integrationsgefährdeten Jugendlichen vorhanden sind. Es wird zur Aufgabe der kommunalen Steuerung gehören müssen, darauf zu achten, dass die Mittel für die Bewältigung des Übergangs in ausreichendem Maße auch denen zur Verfügung gestellt werden können, die intensivere Hilfen benötigen.
Berufsorientierung als wichtiger Teil der Lebensorientierung in dieser Phase der Persönlichkeitsentwicklung ist dabei als umfassender und zeitintensiver Suchprozess zu verstehen, der nicht erst nach dem Schulabschluss beginnt und mit der Aufnahme einer Ausbildung endet. Dafür ist eine individuell ausgerichtete Begleitung und Beratung notwendig, die nicht nur auf Themen der Berufstätigkeit und der beruflichen Ausbildung ausgerichtet sind. Ein so verstandener Suchprozess der Berufsorientierung kann beispielsweise auch die Teilnahme an einem Freiwilligendienst beinhalten, in dessen Verlauf der junge Mensch über einen größeren Zeitraum hinweg die Gelegenheit erhält, sich Klarheit darüber zu verschaffen, in welche Richtung er sich orientieren will. Ein solches, der Altersphase angemessenes, Verständnis von Suchbewegungen steht im Gegensatz zu der problematischen Konzeption, möglichst schnell die Schule und den Abschluss zu bewerkstelligen (z. B. G8-Abitur), um dann möglichst früh in eine berufliche Tätigkeit einzumünden. 

Berufsorientierung findet – auch aus oben genannten Gründen – zunehmend und früher an den Schulen, unterstützt durch Angebote der Kinder- und Jugendhilfe, ebenso wie Programme des Bildungsministeriums, der Bundesländer und der Bundesagentur für Arbeit, statt. Grund für frühe Angebote der Berufsorientierung ist die Erkenntnis, dass es für Jugendliche mit Förderbedarf im letzten Schuljahr oder kurz vor Verlassen der Schule in den meisten Fällen zu spät ist: Wenn dann keine Anschlussperspektive im Sinne eines weiterführenden Schulbesuchs oder einer Ausbildungsstelle vorhanden ist, bleiben häufig nur die Angebote und Programme des Übergangssektors, die in den meisten Fällen keinen qualifizierenden Abschluss ermöglichen. Sie vermitteln zwar berufliche Orientierung und Ansätze beruflicher Handlungsfähigkeit, die Anschlüsse in das Berufssystem und die berufliche Ausbildung sind dann jedoch schwieriger. 

Vielfalt der Ausbildungsgänge 

Die Perspektive für Heranwachsende muss in jedem Fall ein voll qualifizierender Berufsabschluss sein. Alle Zahlen zeigen, dass die Gefahr, arbeitslos zu werden und zu bleiben, umso größer ist, je niedriger die berufliche Qualifikation ist. Dabei sollten aber die beruflichen Fördermöglichkeiten der Bundesagentur nicht so eng gefasst bleiben, wie sie es jetzt meist noch sind: Es geht nicht nur um anerkannte Ausbildungsberufe im Rahmen des klassischen dualen Systems, sondern auch um Berufe, die schulisch organisiert sind und Berufe, die Länderregelungen unterliegen. Gerade in diesen Berufen ist zurzeit der Fachkräftemangel besonders groß (z. B. Ausbildungsberufe in den Bereichen Pflege, Erziehung und Gesundheit). 

Seit einiger Zeit wird das Stichwort Ausbildungsgarantie mit dem Ziel des qualifizierenden Abschlusses in die Debatte um berufliche Orientierung und Anschlüsse eingebracht. Hier müssen auch die genannten Berufszweige mit einbezogen werden. Gerade für Jugendliche, die nicht „auf geradem Weg“ im Anschluss an die Schule eine Ausbildung beginnen können, sollte es ein solches verbindliches Ausbildungsangebot mit sozialpädagogischer Unterstützung geben. Über eine Weiterentwicklung der Qualifizierung der Berufsberaterinnen und Berufsberater muss in diesem Zusammenhang ebenfalls nachgedacht werden. 

Nachqualifizierung

Nach wie vor gibt es ca. 1,5 Millionen junge Menschen von 20 bis unter 30 Jahren (ca. 2,2 Millionen der 20- bis 34-Jährigen) ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Hier sind erhöhte Anstrengungen notwendig, um diese „abgehängte Generation“ wieder einzugliedern. Da ca. 80 % dieser Ungelernten über einen Schulabschluss verfügen9, steht einer nachträglichen Berufsausbildung von den Voraussetzungen her nichts im Wege. 
Für die ca. 60 Prozent der arbeitslosen jungen Menschen im SGB II-Bereich, die keinen Berufsabschluss haben, wächst die Wahrscheinlichkeit zu längeren Arbeitslosenzeiten, wenn kein Berufsabschluss erworben wurde. Dass sich eine nachträgliche Anstrengung zum Berufsabschluss lohnt, liegt daher auf der Hand. 

Es werden unterschiedliche Modelle der Nachqualifizierung für eine inzwischen eher lernentwöhnte Gruppe von jungen Erwachsenen benötigt, die dem Erwachsenenalter, aber auch der schwierigen Lernsituation Rechnung tragen (z. B. betriebliche Umschulungen mit intensiver Begleitung, Externenprüfungen mit intensiver Begleitung – auch bei geringqualifiziert Beschäftigten, Gruppenumschulungen etc.). Hierfür trägt die Kinder- und Jugendhilfe zwar nicht mehr die Verantwortung, sie formuliert aber die gesellschaftliche Notwendigkeit, hier Angebote zu machen. Diese Zielgruppe ist zudem nicht durchgehend arbeitslos, sondern in großen Teilen in Beschäftigung, allerdings in geringqualifizierter oder nicht qualifizierter Beschäftigung. Die Gefahr der Arbeitslosigkeit ist bei dieser Gruppe daher besonders hoch.  Entsprechende Programme der Bundesagentur (z. B. „AusBildung wird was“[10]) und anderer Akteure müssen noch realitätsgerechter auf diese Zielgruppe ausgerichtet werden und ihr bei Teilnahme an Qualifizierung entsprechende Möglichkeiten der Existenzsicherung während dieser Phase gewähren.

3. Handlungsbedarfe

Ausgehend von den genannten Handlungsfeldern am Übergang junger Menschen zwischen Schule und Beruf ergeben sich folgende Bedarfe an der Schnittstelle zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Arbeitswelt:

Gemeinsames Handeln möglich machen

  • Verbindliche Kommunikations- und Kooperationsstrukturen zwischen Kinder- und Jugendhilfe, Schule, Arbeitswelt und Familie müssen für eine optimale Orientierung von jungen Menschen geschaffen werden. Die Koordination der gemeinsamen Aufgaben im Übergang von Schule und Beruf sollte regional über die Kommunen / Kreise gesichert werden.

Gemeinsame Anlaufstellen schaffen

  •  Jugendgerechte, kombinierte Lebens- und Berufsberatungsangebote, wie sie z. B. in den Jugendberatungshäusern praktiziert werden, müssen erhalten und ausgebaut werden. Hierzu zählen auch die Sicherung der zahlreichen Kompetenzagenturen bundesweit und die (Weiter-)Entwicklung einer intensiven Zusammenarbeit zwischen Kinder- und Jugendhilfe und den Jobcentern sowie der Berufsberatung der Arbeitsagentur. Eine Weiterentwicklung der Angebote als feste Anlaufstellen in den Kommunen unter einem Dach sollte gefördert werden. Der Beratungsgegenstand solcher Angebotsformen darf nicht nur auf die beschränkten Themen der Arbeitsintegration ausgerichtet sein, sondern muss der gesamten Lebenssituation junger Menschen am Übergang zwischen Schule und Beruf Rechnung tragen. 

Gemeinsame Aufgaben bewältigen

  • Für jeden jungen Menschen mit Förderbedarf muss eine passende Förderung gefunden werden. Nur so kann verhindert werden, dass junge Menschen erneutes Scheitern erleben müssen oder aber unterfordert werden. Beide Situationen wirken demotivierend und erschweren einen erfolgreichen Ausbildungsverlauf. Hierfür bedarf es Sonderformen von dualen (und ggf. auch schulischen) Ausbildungen, die es auch Heranwachsenden mit besonderem Förderbedarf möglich machen, diese zu Ende zu führen (z. B. zeitlich „gestreckte“ Ausbildungen, assistierte Ausbildung, Teilzeitausbildung, Einsatz von Ausbildungsmanagements für Auszubildende und Betrieb). 
  • Die Entwicklung von ganzheitlichen Unterstützungsangeboten (z. B. niedrigschwellige Lernarrangements in Werkstätten), die frühzeitig bei der Stabilisierung der Persönlichkeit ansetzen, muss vorangetrieben werden. 
  • Passende Nachqualifizierungsangebote (z. B. begleitete betriebliche und überbetriebliche Umschulungen und entsprechende Vorbereitungen) für die sogenannten „Verlierer“ auf dem Ausbildungsmarkt der letzten 15 Jahre müssen entwickelt werden. Zur Lebenssituation passende Konzepte der Unterhaltssicherung während der Phase der Nachqualifizierung müssen entwickelt und umgesetzt werden.

Gemeinsame Weiterentwicklung von Handlungsansätzen

  • Bestehende Angebote zur Berufsorientierung sollten mit Informationsangeboten über  Mobilitätsprogramme, Praktika, Freiwilligen-dienste und weitere Lern- und Orientierungsräume für junge Menschen am Ende der Schullaufbahn verbunden werden. Der Ausbau von Orientierungsangeboten mithilfe neuer Medien darf dabei nicht vernachlässigt werden. In diesem Sinne sollten auch Berufswahlprozesse und die Qualifizierung von Berufsberaterinnen und Berufsberatern weiterentwickelt werden.
  • Lernen in non-formalen Settings sollte mit dem Ziel der Kompetenz-erweiterung gefördert und für junge Menschen gewinnbringend anerkannt werden. 


Auf der Grundlage der im vorliegenden Papier diskutierten Punkte regt die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ an, dass sich die an den Schnittstellen zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Arbeitswelt verantwortlichen Akteure und Institutionen mit der Entwicklung und Operationalisierung von Förderangeboten befassen, die sich aus den genannten Handlungsbedarfen ableiten lassen.  

 

Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ
Berlin, 25. September 2013 

 

[1] Vgl. www.weinheimer-initiative.de; Die Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative steht für gemeinsame kommunalpolitische und bürgerschaftliche Verantwortungsübernahme und für kommunale Koordinierung im Übergang Schule/Arbeitswelt ein. Sie ist ein Zusammenschluss von über 20 Städten und Landkreisen und zahlreichen weiteren Akteuren. 

[2] Vgl. „Chancen für junge Menschen beim Übergang von Schule zu Beruf verbessern – Schnittstellenprobleme zwischen SGB II, III und VIII beheben!“, Positionspapier der AGJ, Dezember 2010
[3] Vgl. „Einfluss der demographischen Entwicklung auf das Übergangssystem und den Berufsausbildungsmarkt“  – Expertise im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, Oktober 2010, S. 3-4; vgl. „Die betriebliche Ausbildung sichert die Zukunft“, Positionspapier zum Übergang Schule – Beruf, Beschluss des Bundesfachausschusses Bildung, Forschung und Innovation der CDU Deutschlands, Juli 2012
[4] Vgl. Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2013, S. 156
[5] Vgl. Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2013, S. 183ff 
[6] Vgl. BiBB Report 21/2013, S. 13
[7] Vgl. Berufsbildungsbericht 2011
[8] Vgl. „Bildung braucht Freiräume. Dimensionen einer Lernkultur der Kinder- und Jugendhilfe“ Positionspapier der AGJ, November 2011
[9] Vgl. Bundestagsdrucksache 17 / 12967 „Junge Menschen ohne Berufsabschluss“, S. 21
[10] Ziel der Initiative ist es, bundesweit 100.000 jungen Menschen zwischen 25 und 35 Jahren ohne Berufsausbildung eine zweite Chance zu geben.