Private Erziehung in öffentlicher Verantwortung - Folgen für die Kompetenzanforderungen in der Kindertagespflege und der Pflegekinderhilfe 

Diskussionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

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Mit der Kindertagespflege nach § 23 SGB VIII und der Pflegekinderhilfe nach § 33 SGB VIII gibt es zwei Angebotsformen innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe, die in den letzten Jahren zunehmend an Aufmerksamkeit und Bedeutung gewonnen haben. Für beide Angebote charakteristisch ist, dass sie ursprünglich als familienanaloge Betreuung im privaten Raum konzipiert und somit staatlichen Regulierungen weitestgehend entzogen waren[1]. Beide Angebotsformen verändern sich und gewinnen an Bedeutung, sobald sich die Rahmenbedingungen des jeweils institutionellen Pendants verändern. Eine dadurch wachsende Gemeinsamkeit dieser im Prinzip unterschiedlichen Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe ist, dass jenseits von Professionalisierungsnotwendigkeiten auf der einen Seite und der privat organisierten Erziehung in familiären Kontexten auf der anderen Seite zunehmende Qualifizierungserfordernisse offensichtlich werden, die Ausdruck der Wahrnehmung von privater Erziehung in öffentlicher Verantwortung sind.

So hat der Rechtsanspruch auf einen Kindertagesbetreuungsplatz für die ein- und zweijährigen Kinder ab dem 1. August 2013 dazu geführt, dass vor allem in den Kommunen, in denen der Kitaplatz-Ausbau noch hinter den Erwartungen zurückliegt, Kindertagespflegestellen als kurzfristigere und flexibler zu realisierende Alternativen angesehen werden. Hierdurch entsteht ein Spannungsfeld zwischen den Anforderungen an einen frühkindlichen Bildungsort und den bestehenden Rahmenbedingungen und Qualitätsan-forderungen im Bereich der Kindertagespflege. 

Mit der Zunahme der Kosten im Bereich der Hilfen zur Erziehung wurde u.a. die Forderung erhoben, dass neben der notwendigen Verbesserung der Steuerungsinstrumente und der Einführung von vergleichbaren Qualitäts-standards geprüft werden solle, ob nicht die Unterbringung in einer Pflegefamilie eine kostengünstigere Alternative zu einer stationären Unterbringung darstellt.

Trotz dieser skizzierten Gemeinsamkeiten unterscheiden sich beide Angebotsformen jedoch erheblich. Dies betrifft beispielsweise die Gründe für die Inanspruchnahme beider Angebotsformen, die Dauer der jeweiligen Betreuungszeiten oder das Selbstverständnis der Pflegepersonen. 

Bei der Kindertagespflege steht u.a. der Wunsch oder die Notwendigkeit im Vordergrund, auch mit einem Kleinkind berufstätig sein sowie eine Betreuungsform wählen zu können, die eine größere Familiennähe aufweist. Mit Blick auf die Betreuungszeit werden über 40% der unter Dreijährigen in der Kindertagespflege nicht länger als 25 Stunden in der Woche von der Tagespflegeperson betreut[2] und entgegen dem Selbstver-ständnis von Pflegefamilien sieht die Tagespflegeperson ihre Aufgabe eher als eine berufliche Tätigkeit an.

Pflegefamilien hingegen nehmen Kinder beispielsweise aus Familien auf, bei denen ein erzieherischer Bedarf festgestellt wurde. In diesem Fall stellen sie eine Hilfe zur Erziehung in Form einer Vollzeitpflege dar und sollen dazu beitragen, die Erziehungsfähigkeit der Eltern zu fördern und eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung zu ergänzen oder zu ersetzen. Aus der Perspektive der Pflegeeltern geht es gleichzeitig um die Möglichkeit, den Pflegekindern ein neues Zuhause zu geben. Im Gegensatz zur Kindertages-pflege leben Pflegekinder im Rahmen der Vollzeitpflege über Tag und Nacht außerhalb der Herkunftsfamilie bei ihren Pflegefamilien und tun dies im Durchschnitt für drei bis vier Jahre[3]. Allerdings variiert die Verweildauer der Kinder in den einzelnen Betreuungsformen erheblich, je nach den Erfordernissen des Einzelfalls auf kurze bzw. befristete Zeit oder auf Dauer. Laut dem 14. Kinder und Jugendbericht dauerten knapp 44 Prozent der im Jahr 2010 beendeten Vollzeitpflegen gem. § 33 SGB VIII zwei Jahre und länger.[4] In Bezug auf das Selbstverständnis begreifen Pflegeeltern ihre Aufgabe eher als eine „Lebensform“ und haben für sich selbst nicht den Anspruch, dass ihre Tätigkeit als eine Erwerbstätigkeit wahrgenommen wird. 

Neben der in den letzten Jahren stattgefundenen Sensibilisierung für Kinderschutzthemen und den damit verbundenen Veränderungen der rechtlichen Grundlagen gibt es für beide Angebotsformen jeweils spezifische Anlässe, eine (sukzessive) Verfachlichung oder gar Verberuflichung zu fordern. In der Kindertagespflege stehen insbesondere die Erwartungen an frühkindliche Betreuung, Erziehung und Bildung und somit die Umsetzung der Bildungspläne im Vordergrund. 

Bei den Pflegefamilien ist der hohe Anteil an gescheiterten Hilfen[5] Anlass genug, darüber nachzudenken, ob durch eine stärkere Verfachlichung die Erfolgsquoten gesteigert werden könnten. Doch auch zu bewältigende Herausforderungen, beispielsweise in Bezug auf besonders belastete und/oder ältere Kinder (§ 33, Satz 2 SGB VIII), Veränderungen der kommunalen Praxis im Sinne einer zunehmenden Anerkennung familiärer Betreuungsformen als geeignete Alternative zur Heimunterbringung sowie neue Forschungsergebnisse6 befördern die Sichtweise der Notwendigkeit einer fachlichen Weiterentwicklung.

Ausgehend von der öffentlichen Verantwortung der Gesetzgeber auf Bundes- und Landesebene sowie der örtlichen Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe für die Leistungen nach dem SGB VIII will die Arbeitsge-meinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ mit diesem Diskussionspapier einen Impuls für eine Fachdebatte im Hinblick auf die Kindertagespflege und die Pflegekinderhilfe als private Erziehung in öffentlicher Verantwortung leisten. In den Blick genommen werden soll die im gesellschaftlichen und fachlichen Diskurs aufgeworfene Frage der Professionalisierung der Kindertagespflege sowie der weitergehenden Verfachlichung bzw. Qualifi-zierung der Pflegekinderhilfe im Hinblick auf die verschiedenen Akteure sowie strukturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen.

1. Bedeutung der privaten Erziehung in öffentlicher Verantwortung

Die Definition dessen, was der Sphäre des Privaten zugerechnet wird und damit auch in besonderer Weise geschützt und dem Zugriff anderer entzogenen ist, und dem, was öffentlich verhandelt werden kann und muss, wird gesellschaftlich immer wieder neu bestimmt. In Bezug auf die Erziehung von Kindern kommt es regelmäßig zu Verschiebungen der Grenzen zwischen innerfamilialen Angelegenheiten und dem, was als Aufgabe der Gesellschaft verstanden wird. In den letzten Jahren erfordern der Strukturwandel familiärer Lebensformen und die fortschreitende Institutionalisierung von Kindheit und Jugend eine Neubestimmung dessen, was der öffentlichen Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern zuzuordnen ist. 

Was dabei unter öffentlicher Verantwortung verstanden wird bzw. werden kann, ist uneinheitlich. Im 11. Kinder- und Jugendbericht wird die öffentliche Verantwortung im Sinne der Verantwortung für die Ermöglichung eines gelingenden Lebens in den Vordergrund gestellt. „Die Lebensbedingungen sind so zu gestalten, dass Eltern und junge Menschen für sich selbst und füreinander Verantwortung tragen können“.[7] Öffentliche Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern beinhaltet also sowohl den Ausbau von Infrastrukturangeboten, die Familien bei ihrer Erziehungsarbeit unterstützen und die die Kinder in ihrer Entwicklung und Bildung fördern, als auch das Versprechen, dass die Angebote, die staatlich gefördert oder rechtlich reguliert werden, qualitative Mindeststandards erfüllen. Damit verbunden sind selbstverständlich auch Maßnahmen zur Sicherstellung von Kinderrechten. 

Wie im 14. Kinder- und Jugendbericht ausgeführt ist, kann jedoch aus der Verlagerung von ehemals innerfamilialen Erziehungsaufgaben in den öffentlichen Raum noch nicht auf eine Verstaatlichung von Erziehungsauf-gaben geschlossen werden. Vielmehr kommt es zu neuen Formen privater Verantwortungsübernahme im öffentlichen Raum8 und wohl auch zu neuen Formen öffentlicher Verantwortungsübernahme im privaten Raum, insbesondere wenn man an die beiden Angebote Kindertagespflege und Pflegekinderhilfe denkt. Dieses neue Verhältnis von privater und öffentlicher Verantwortungsübernahme führt, so die Jugendberichtskommission, nicht zu einer Verdrängung privater Verantwortung, sondern zu neuen hybriden Formen, die im Ergebnis zu einer größeren privaten und öffentlichen Verantwortungsübernahme führen.

Die staatliche Rolle in den pluralistischen Wohlfahrtsarrangements lässt sich beschreiben als zentrale Planungs- und Steuerungsinstanz und Garant für die Verwirklichung von Rechten und damit eben auch als Qualitätssicherer. Öffentliche Verantwortung besteht somit sowohl gegenüber den Personen, die diese gesetzlich normierten Aufgaben übernehmen, als auch gegenüber den Kindern und Eltern, die diese Angebote in Anspruch nehmen. Eine besondere Herausforderung für die Wahrnehmung der Aufgabe als Qualitätssicherer liegt in der wachsenden Diskrepanz zwischen den geforderten Qualifikationen der handelnden Personen und den inhaltlichen und fachlichen Ansprüchen an ihre Arbeit. Zudem lassen die Sensibilisierung für Kinderschutzfragen und die Erwartungen an die Initiierung von Bildungsprozessen die Anforderungen weiter steigen.

Diese hier nur angedeuteten Entwicklungen bleiben für die Kindertagespflege und die Pflegekinderhilfe nicht ohne Konsequenzen. Denn eigentlich findet die Erziehung von Kindern bei Tagespflegepersonen und Pflegeeltern im privaten Raum statt, also in der Sphäre, die dem staatlichen Zugriff weitestgehend entzogen ist. Aufgrund der Zuordnung dieser Erziehungssettings zum privaten Raum – so könnte man argumentieren – entzöge er sich der öffentlichen Verantwortung und damit auch der öffentlichen Einmischung in der Form von Erlaubnisverfahren und der Definition von Mindeststandards. Da es sich bei den beiden Angebotsformen allerdings um gesetzlich normierte Leistungen handelt, die damit den Eltern und den Kindern auch die Einhaltung von fachlichen Standards versprechen und hierüber erst das Vertrauen in die Angebote generieren, ist eine strikte Trennung zwischen privater und öffentlicher Sphäre nicht mehr möglich. 

Dies hat zur Folge, dass neue Formen der öffentlichen Verantwortungs-übernahme gefunden werden müssen. Diese können zum Beispiel in der Setzung umfangreicherer Qualitätsanforderungen sowie höherer Anforde-rungen für die Qualitätssicherung im Hinblick auf die Kindertagespflege und die Pflegekinderhilfe bestehen, in der Bereithaltung von ausreichenden Kapazitäten professioneller Unterstützung und Beratung sowie in der Etablierung von geregelten oder niedrigschwelligen Beschwerdeverfahren für die Adressatinnen und Adressaten der Angebote. Diese Entwicklungen sprechen sehr dafür, eine Verfachlichungs-, wenn nicht gar Verberuflichungs-debatte, in Bezug auf verschiedene Teilsegmente der Kindertagespflege und der Pflegekinderhilfe zu führen.

Andererseits bedeutet diese deutliche Ausweitung der öffentlichen Verantwortung für das, was hinter den ehemals „verschlossenen Türen“ dieser Angebote geschieht, im Umkehrschluss nicht automatisch, dass nun jedes von Eltern gewählte Arrangement der Beteiligung Dritter bei der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder (z.B. durch Großeltern, Babysittende, Nachbarn) staatlicher Aufsicht unterliegt.

2. Professionalisierung, Verberuflichung und Verfachlichung

Mit Blick auf die im (fach-) öffentlichen Diskurs aufgeworfene Frage der Professionalisierung der Kindertagespflege sowie der Qualifizierung der Pflegekinderhilfe bezieht sich das vorliegende Diskussionspapier auf folgende definitorische Überlegungen:

Professionalisierung ist ein Begriff, der trotz aller definitorischen Differenzen entweder den Erwerb und die Anwendung professioneller Kompetenz auf höchstem Niveau oder aber sogar die Professionswerdung spezifischer sozialer Dienstleistungen im Prozess der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und Statuszuschreibung meint. 

Verberuflichung bedeutet, dass die Aufgabenerfüllung bei der Arbeitsperson einen Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf im sozialen Bereich voraussetzt, dass die Qualität der Aufgabenerfüllung über Kammern o.dgl. gesichert wird sowie, dass die beruflich tätigen Personen eine regelmäßige und ausbildungsadäquate Entlohnung erhalten.

Verfachlichung beginnt dort, wo Personen Aufgaben im sozialen Bereich in bezahlter Tätigkeit erfüllen und dafür in unterschiedlicher Form unterhalb einer Berufsausbildung (Anlernung, Weiterbildung...) qualifiziert sein müssen.

Vor dem Hintergrund dieser definitorischen Schablone ergeben sich für die Kindertagespflege und die Pflegekinderhilfe als einerseits private Erziehungs-settings und als andererseits gesetzlich normierte, öffentlicher Verantwortung unterliegende Leistungen entsprechende Klärungsbedarfe.
So wird der Begriff der Professionalisierung in dem hier verstandenen Sinne beispielsweise vorschnell auf den Bereich der Kindertagespflege angewendet, in dem es zunächst eher um Verfachlichung als Beschreibung und Kontrolle des Erwerbs sowie der Anwendung eines definierten Sets von Kompetenzen in entlohnten Tätigkeiten gehen muss.

3. Die Kindertagespflege

Die Kindertagespflege hat in den letzten Jahren einen starken Bedeutungszuwachs erfahren. Mit der rechtlichen Gleichstellung der Betreuungsangebote in Kindertagesstätten und in der Kindertagespflege für Kinder unter drei Jahren (§ 24 SGB VIII) durch das Tagesbetreuungs-ausbaugesetz (TAG) aus dem Jahr 2005 und aufgrund der Einigung zwischen Bund und Ländern, bis zum 01. August 2013 ein bedarfsgerechtes und qualitätsorientiertes Angebot für unter Dreijährige zu schaffen, hat die Bedeutung der Kindertagespflege in den Kommunen und Kreisen kontinuierlich zugenommen. Bereits bei den Berechnungen der durch das Kinderförderungsgesetz (KiföG) entstehenden Ausbaukosten ist davon ausgegangen worden, dass etwa ein Drittel der benötigten Betreuungsplätze durch die Kindertagespflege zur Verfügung gestellt werden kann. So wundert es nicht, dass sich sowohl die Anzahl der Betreuungsplätze als auch die Anzahl der Tagespflegepersonen dynamisch entwickelt hat, auch wenn bis heute der politisch anvisierte Anteil von 30%9 bezogen auf die neu geschaffenen Plätze noch nicht flächendeckend erreicht ist. Unterstützt wurde diese Dynamik beispielsweise durch das im Oktober 2008 gestartete Aktionsprogramm „Kindertagespflege“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) mit dem Ziel, mehr Tagespflegepersonen zu gewinnen, die Qualität der Betreuung zu steigern und das „Berufsbild“ insgesamt aufzuwerten.[10]

Zudem trägt die Kindertagespflege dem Wunsch- und Wahlrecht der Eltern nach einer Betreuungsform Rechnung, die ihren Vorstellungen von Erziehung möglichst nahe kommt. Bei kleinen Kindern ist dies häufig eine Form, die als besonders familiennah wahrgenommen wird, d.h. überschaubare Gruppen mit bestimmten Tagesabläufen und Räumlichkeiten ähnlich wie zu Hause, sodass sich kleine Kinder in einer gewohnten Lebenssituation wiederfinden und allmählich neue Bindungen außerhalb der Familie aufbauen können. Inwiefern die Annahme der Familienähnlichkeit vor dem Hintergrund einer zunehmenden Ausdifferenzierung und Formenvielfalt der Betreuungssettings noch zutrifft, wird allerdings auch unter den Akteuren im Bereich der Kindertagespflege kritisch diskutiert.[11] 

Zwar ist die Kindertagespflege vorrangig als Betreuungsform für Kinder unter drei Jahren gedacht, doch steht sie auch älteren Kindern offen, beispielsweise um Randzeiten abzudecken, wenn die Betreuungszeit in der besuchten Einrichtung nicht ausreicht (kitaergänzende Randzeiten), wodurch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erzielt werden kann.

Es hat sich eine Vielzahl unterschiedlicher Angebotsformen in der Kindertagespflege herausgebildet. Grundsätzlich gilt für alle – in Abgrenzung zur Kindertagesstätte – der nichtinstitutionelle Charakter.

Der überwiegende Teil der Tagespflegepersonen betreut die Kinder in der eigenen Wohnung. Daneben gibt es inzwischen eine große Vielfalt an Betreuungsformen in der Kindertagespflege: Kinder werden im Haushalt ihrer Eltern, in anderen geeigneten Räumen oder ergänzend in bestehenden Kindertagesstätten und Familienzentren betreut. Kinder werden aber zunehmend auch in Betrieben (in der Regel in Großtagespflege) und hier zum Teil durch festangestellte Tagespflegepersonen betreut. Tagespflegepersonen arbeiten beispielsweise in Zweier- oder Dreierteams zusammen und versorgen gemeinsam bis zu zehn Kinder gleichzeitig in angemieteten Räumen. Allerdings variieren die landesrechtlichen Regelungen für die unterschiedlichen Formen der Kindertagesbetreuung zum Teil erheblich.[12] 

Die Großtagespflege als einrichtungsähnliches Setting, in dem zwei oder mehrere Tagespflegepersonen mehr als fünf Kinder gleichzeitig betreuen, entwickelt sich sowohl im ländlichen Raum als auch in Großstädten dynamisch. Allerdings gibt es auch hier erhebliche Unterschiede – sowohl zwischen als auch innerhalb der Bundesländer. In einzelnen Kommunen in Nordrhein-Westfalen wird zum Beispiel der Ausbau der Großtagespflege gezielt gefördert. In Sachsen, Brandenburg oder Schleswig-Holstein hingegen hat die Großtagespflege keine große Bedeutung.

Die Vorteile der Großtagespflege liegen aus der Perspektive der Kindertagespflegeperson in einer klaren Trennung von Betreuungstätigkeit und Privatsphäre sowie in der Möglichkeit des kollegialen Austausches. Auch finanziell gibt eine Großtagespflege größere Sicherheit, da viele Kosten gemeinsam getragen werden können. Für Eltern steht u.a. die Verlässlichkeit des Angebotes, d.h. die Vertretung im Notfall im Vordergrund. Für kleinere Firmen und mittelständische Betriebe erscheint die Großtagespflege als Alternative, betriebliche Angebote der Kindertagesbetreuung zur Verfügung zu stellen und so die Familienfreundlichkeit als Arbeitgeber erhöhen zu können, wenn die Nachfrage nach Betreuungsplätzen eine betriebliche Kindertages-stätte nicht auslasten würde.

Neben den aufgeführten Vorteilen gibt es im Zuge der zunehmenden Ausdifferenzierung der Kindertagespflege auch Anlass für eine kritische Sichtweise in Bezug auf die Großtagespflege. Zwar können die Bundesländer bestimmen, dass eine Erlaubnis zur Betreuung von mehr als fünf gleichzeitig anwesenden Kindern erteilt werden kann, wenn die Person über eine pädagogische Ausbildung verfügt und insgesamt nicht mehr Kinder betreut werden als in einer vergleichbaren Gruppe in einer Kindertagesstätte. Dennoch werden aufgrund von Abgrenzungsschwierigkeiten in Bezug auf die institutionalisierte Kindertagesbetreuung, der Gefahr der Dequalifizierung des gesamten Feldes der Kindertagesbetreuung sowie des Risikos einer Förderung der Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen auch kritische Stimmen im Hinblick auf die Gefahr einer „Kita-Light-Version“ laut. Zudem geht mit der Institutionalisierung der Kindertagespflege der Verlust an Flexibilität im Hinblick auf die Betreuungszeiten einher.

Anforderungen an die Qualität(ssicherung)

Wenn sich die Kindertagepflege von der ursprünglichen Form der Betreuung von einzelnen zusätzlichen Kindern neben den eigenen Kindern im privaten Haushalt hin zu einer gewerblichen Betreuung mit den gleichen fachlichen Ansprüchen wie an die Kindertagesstätten im Sinne des Erziehungs- und Bildungsauftrages entwickelt, müssen sich auch die fachlichen Anforderungen dieser Entwicklung anpassen. Als mögliche Stellschrauben der Qualitäts-entwicklung und Qualitätssicherung sind hier sowohl die Qualifizierung der Pflegepersonen und der Fachberatung als auch strukturelle und organisato-rische Rahmenbedingungen in den Blick zu nehmen.[13] 

Die Betreuung von Kindern im Haushalt der Eltern bedarf im Unterschied zu den anderen Formen der Kindertagespflege keiner Pflegeerlaubnis.[14] Bei den erlaubnispflichtigen Betreuungsformen in der Kindertagespflege müssen unterschiedliche Voraussetzungen seitens der Tagespflegepersonen erfüllt sein. Dabei wird die Feststellung der persönlichen Eignung nach § 23 Abs. 3 SGB VIII von den örtlichen Jugendämtern vorgenommen. Neben einem anerkannten Qualifizierungslehrgang (beispielsweise entlang des DJI-Curriculums mit einem Mindestumfang von 160 Unterrichtsstunden), dem Verfügen über kindgerechte Räumlichkeiten und den persönlichen Voraussetzungen, wie beispielsweise pädagogische Kompetenz und Kooperationsbereitschaft im Hinblick auf die Eltern, sind auch spezielle auf die Tätigkeit ausgerichtete fachliche Voraussetzungen zu erfüllen. Hierzu zählen u.a. die Bereitschaft zu jährlichen Qualifizierungs- und Fortbildungs-veranstaltungen sowie die aktive Auseinandersetzung mit Fachfragen. Darüber hinaus sind allerdings auch organisatorische Kompetenzen erforderlich, beispielsweise im Hinblick auf Rechtsrahmen, Selbständigkeit, Jugendhilfeträger und Vertragsbeziehungen mit den Eltern sowie das erfolgreiche Absolvieren eines Erste-Hilfe-Kurses am Klein(st)kind.

Mit Blick auf die Qualitätsentwicklung in der Kindertagespflege erscheint es sinnvoll, für die unterschiedlichen Angebotsformen in der Kindertagespflege – zumindest für die Großtagespflege und die Kindertagespflege im Haushalt der Eltern eines Kindes (als Extrempole) – jeweils spezifische Kompetenz-anforderungen an Tagespflegepersonen zu stellen und spezifische Qualifizierungsangebote vorzuhalten. Vor dem Hintergrund der formal-rechtlichen Gleichstellung mit der institutionellen Betreuung ist es zudem erwägenswert, über eine bundesrechtliche Normierung des Nachweises eines pädagogischen Konzeptes für die Kindertagespflege nachzudenken. Gestützt wird diese Überlegung zudem durch einen unanfechtbaren Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom August 2013, laut dem Eltern eines unter drei Jahre alten Kindes auf Tagespflegepersonen verwiesen werden können und somit der Träger der Kinder- und Jugendhilfe den Rechtsanspruch auf U3-Betreuung erfülle.[15] Perspektivisch in Erwägung zu ziehen ist zudem die Schaffung ländereinheitlicher Bildungsstandards als Orientierung für frühpädagogische Fachkräfte. Darüber hinaus erscheint es sinnvoll, ein fachlich tragbares Vertretungssystem zu installieren, um Verlässlichkeit der Kindertagespflege i.S.v. Betreuungskontinuität sicherzu-stellen.

Mit Blick auf eine (nachhaltige) Qualitätssicherung ist insbesondere die Rolle der Fachberatung zu betrachten. Die Jugendämter bzw. in einigen Bundesländern die Anstellungsträger von Tagespflegepersonen müssen die Arbeit der Tageseltern durch eine regelmäßige intensive fachliche Beratung und Begleitung unterstützen, was spezifischer Kompetenzen und Ressourcen bedarf. Ein Angebot an spezifischen Fortbildungen für die Fachkräfte der Fachberatungen ist demnach ebenfalls erforderlich. Grundsätzlich ist darüber nachzudenken, das Eignungsprüfungsverfahren in eine, in den Landes-gesetzen bzw. Kommunalsatzungen verankerte Richtlinie zu überführen, sodass die Struktur der Fachberatung bundesweit homogen und vergleichbar ist.[16]

Vielerorts sind mittlerweile regionale Arbeitsgruppen der Tagespflegepersonen entstanden, die im Rahmen kollegialer Beratung ihre fachliche Arbeit reflektieren. In einigen Kommunen gibt es Bestrebungen, dass auch in den Arbeitsgemeinschaften nach § 78 SGB VIII Tageseltern vertreten sein sollen. Letztlich ist die Umsetzung des § 79a SGB VIII (Bundeskinderschutzgesetz) von Bedeutung, der die öffentlichen Träger ausdrücklich dazu auffordert, die Qualität der Jugendhilfeangebote zu gewährleisten. 

Darüber hinaus ist perspektivisch darüber nachzudenken, für die Betreuung von Kindern im Haushalt der Eltern das Erfordernis einer Pflegeerlaubnis wiedereinzuführen.[17]

4. Die Pflegekinderhilfe

Die Pflegekinderhilfe in Deutschland hat sich ebenfalls in den letzten Jahrzehnten ausdifferenziert und fachlich weiterentwickelt. Allerdings ist die Ausdifferenzierung nach bedürfnisgerechten Pflegeformen zwischen einzelnen Kommunen sehr uneinheitlich und teilweise unzureichend ausgeprägt.[18] Im Gegensatz zur Kindertagespflege meint der Begriff der Pflegekinderhilfe bzw. Vollzeitpflege die Unterbringung, Erziehung und Betreuung eines Kindes oder Jugendlichen in einem familiären Setting über Tag und Nacht außerhalb der Ursprungsfamilie. Im Rahmen der Vollzeitpflege lassen sich zumeist folgende Angebotsformen unterscheiden: 

Legt man das Unterscheidungskriterium der Dauer zugrunde, lassen sich die kurze (bzw. befristete) Vollzeitpflege und die Dauerpflege unterscheiden. Während die Dauerpflege ein auf Kontinuität angelegtes Pflegeverhältnis darstellt, kann die befristete Vollzeitpflege nach Kurzzeitpflege[19] (bei der bei einem befristeten Ausfall der Herkunftsfamilie die Erziehung des Kindes übernommen wird) oder Bereitschaftspflege[20] im Rahmen einer Inobhutnahme (d.h. die Aufnahme von Kindern in Krisen- oder Notsituationen) differenziert werden. Darüber hinaus gibt es Pflegefamilien, die Kinder mit Behinderungen[21] aufnehmen sowie die Verwandtenpflege, bei der Kinder und Jugendliche ihren Lebensmittelpunkt bei Verwandten – überwiegend bei Großeltern, aber auch bei Onkeln und Tanten, Geschwistern, Neffen und Nichten – oder bei Lehrern und anderen familienfremden Personen – haben und dort aufwachsen.

Nach Schätzungen von Blandow und Küfner[22] leben im Jahr 2011 rund 70.000 Kinder und Jugendliche bei Verwandten. In Bezug auf die Verwandtenpflege wird zwischen Pflegeverhältnissen formeller, halbformeller und informeller Natur unterschieden. Die Zahl der formellen Verwandtenpflegeverhältnisse auf der Grundlage des § 33 SGB VIII lag laut Kinder- und Jugendhilfestatistik im Jahr 2010 bei 16.181 andauernden und beendeten Hilfen. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die meisten Verwandtenpflegeverhältnisse informeller bzw. halbformeller Natur sind, d.h. Familien ohne Bezug zum Jugendhilfe-system bzw. mit Bezug wirtschaftlicher Leistungen beim Sozialamt oder Jugendamt. Die Besonderheit der Verwandtenpflege wird erst seit einer von Blandow und Walter im Jahr 2004 durchgeführten Bestandsaufnahme in der Fachwelt diskutiert.[23] Obgleich die Verwandtenpflege in der Vergangenheit seitens der professionellen Sozialen Arbeit eher mit Skepsis betrachtet wurde und als ‚Hilfe zur Erziehung‘ durch viele Jugendämter lange Zeit generell nicht gewährt wurde, ist mittlerweile eine Öffnung der Kommunen und öffentlichen Träger gegenüber der Verwandtenpflege zu beobachten. 

Erziehungs- bzw. Vollzeitpflegestellen nach § 33 SGB VIII, die sich gem. Satz 2 um „besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche“ kümmern, sind besonders darauf ausgerichtet, schwierigere und ältere Kinder und Jugendliche, die beispielsweise ein hohes Abbruchsrisiko aufweisen, intensiv pädagogisch und/oder therapeutisch zu betreuen.24 Nach der amtlichen Statistik stellen diese und andere besondere Pflegeformen einen Anteil von rund zwölf Prozent an allen Pflegekinderhilfen dar.25 Gerade bei diesen professionalisierten Angeboten der Vollzeitpflege stellt sich allerdings häufig die Schwierigkeit der Abgrenzung zu familienähnlichen Formen der Heimerziehung nach § 34 SGB VIII.

Folgen für die Kompetenzanforderungen

Rechtlich ist die Pflegekinderhilfe im Bereich der Hilfen zur Erziehung verortet. Die aufgeführten Pflegeverhältnisse bedürfen keiner Pflegeerlaubnis nach § 44 SGB VIII, wenn sie im Rahmen von Hilfe zur Erziehung oder von Eingliederungshilfe (Pflegefamilien, die Kinder mit Behinderungen aufnehmen) aufgrund einer Vermittlung und somit Überprüfung durch das Jugendamt zustande kommen. Darüber hinaus gibt es private Pflegearrangements (Verwandtenpflege), bei der sich Pflegepersonen aus dem Verwandtenkreis oder sozialen Nahraum des Kindes annehmen, ohne Leistungen des Jugendamtes beziehen zu wollen. Wenn diese Pflegepersonen nicht mit dem Kind verwandt oder verschwägert sind, Vormund oder Pfleger für das Kind sind und die Unterbringung in ihrem Haushalt acht Wochen überschreiten wird, bedürfen diese Pflegearrangements in der Regel einer Pflegeerlaubnis. 

Die Entscheidung, welche Form der Hilfe geeignet ist, wird im Rahmen des Hilfeplanverfahrens nach §§ 36 ff. SGB VIII bestimmt. Dennoch ist die Eignung von Personen und Familien, die ein Pflegekind in Vollzeitpflege aufnehmen wollen, nicht an bestimmte berufliche Vorerfahrungen geknüpft, sondern verweist eher auf Grundhaltungen, wie z.B. „ein besonderes Interesse an Kindern und Jugendlichen, Offenheit für die Herkunftseltern, Perspektiven anderer einnehmen können, Reflexionsfähigkeit, Humor, Commitment26 und die Fähigkeit zur flexiblen Problemlösung“[27]. Relevant sind die nach einer Metaanalyse von Oosterman et al.[28] als bedeutendste Schutzfaktoren benannten Fähigkeiten der Kooperationskompetenz sowie des Erziehungs- und Fürsorgeverhaltens. Im Hinblick auf die Einschätzung der Geeignetheit von Pflegeeltern handelt es sich somit im Einzelfall immer um eine Abwägung unterschiedlicher familiärer und individueller Ressourcen. Darüber hinaus qualifizieren sich die Pflegeeltern mit zunehmender Erfahrung und entsprechender fachlicher Begleitung, weswegen die Frage der Eignung nicht als statisch, sondern vielmehr als prozesshaft zu betrachten ist.[29] Allerdings ist in dem Zusammenhang über spezifische Pflegeelternschulungen als Voraussetzung und Vorbereitung auf die neue Rolle nachzudenken. Im Rahmen privater Pflegeverhältnisse, die keiner Pflegeerlaubnis bedürfen, wird die Eignung der Pflegepersonen nicht überprüft. Obgleich diese Pflegearrangements nicht der Kontrolle des Jugendamtes unterliegen, gilt die Wahrnehmung des staatlichen Wächteramtes durch die Familiengerichte und das Jugendamt auf Grundlage des § 8a SGB VIII, wonach bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung des Kindeswohls einzugreifen ist.[30] 

Die Zuständigkeit für die Arbeit im Bereich der Pflegekinderhilfe und somit die Verantwortung für fachliche und strukturelle Anforderungen im Hinblick auf Pflegefamilien liegt beim Jugendamt. Ungefähr drei Viertel aller Jugendämter haben einen Fachdienst, den Pflegekinderdienst (PKD), gebildet. Der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) ist meist für die Arbeit mit der Herkunftsfamilie und das Hilfeplanverfahren zuständig, der PKD für die Arbeit mit dem Pflegekind und der Pflegefamilie. In bestimmten Fällen liegt die Alleinzuständigkeit beim PKD oder die gemeinsame Verantwortung für den Hilfeplan bei beiden Akteuren. Circa 8 % der Jugendämter haben die fachliche Begleitung der Pflegeverhältnisse an freie Träger delegiert. 

Eine im Sinne der Qualitätsdebatte in der Kinder- und Jugendhilfe anzustrebende Verberuflichung der Pflegekinderhilfe insgesamt – auch hier ist die Umsetzung des § 79a SGB VIII im Sinne der Gewährleistung der Qualitätsentwicklung und -sicherung durch die öffentlichen Träger von Bedeutung - sowie die damit anzunehmende Ausweitung öffentlicher Verantwortung steht konträr zu der Privatsphäre familienähnlicher Betreuungsformen. Die Aufgabenerfüllung im familiären Bereich stellt grundsätzlich keinen Beruf dar (Kapitel 2). Vielmehr geht es um eine Verberuflichungsdebatte im Hinblick auf die besonderen Formen der Vollzeitpflege, die vor allem für schwierige und ältere Kinder bzw. Jugendliche gedacht sind (Erziehungs- bzw. Vollzeitpflegestellen nach § 33 SGB VIII), sowie hinsichtlich der beratenden und begleitenden Fachdienste. 

Die genannten Erziehungsstellen sind besonders darauf ausgerichtet, Kinder und Jugendliche mit einem hohen Abbruchsrisiko aufzunehmen und intensiv pädagogisch und/oder therapeutisch zu betreuen. Im Hinblick auf diese besonderen Pflegeverhältnisse reichen die oben genannten Grundhaltungen und Fähigkeiten nicht mehr aus. Beispielsweise werden in einigen Bundesländern Erziehungsstellen als professionelle Form der Vollzeitpflege betrachtet, bei denen in der Regel ein Elternteil sozialpädagogische Fachkraft ist, die Pflegefamilie eine intensivere Begleitung erfährt und die Pflegestelle ein vom TVöD abgeleitetes Honorar erhält.[31] Hier ist darüber nachzudenken, die formal ausgewiesene pädagogische Qualifikation als Voraussetzung festzuschreiben und spezifische Weiterbildungsmaßnahmen vorzuhalten. In Bezug auf die professionalisierte Fachberatung muss es insbesondere um die Qualität der Hilfeplanung, um Verfahren der Vorbereitung und Herausnahme eines Kindes aus der Familie, um die vorbereitende Einbeziehung der Herkunftsfamilie sowie die vorbereitenden Kontaktgespräche zwischen der potenziellen Pflegefamilie und der Ursprungsfamilie gehen.[32] Hier sind vergleichbare Standards für die Unterstützung von Pflegefamilien erforderlich, wobei sowohl die Jugendämter als auch die in der Pflegekinderhilfe tätigen freien Träger zu vergleichbaren Ausstattungsstandards verpflichtet werden, beispielsweise über eine Leistungs- und Qualitätsentwicklungsvereinbarung, wie sie im Neuen Manifest zur Pflegekinderhilfe vorgeschlagen wurde.

Weiterhin sind die Pflegekinder in Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen, was die Art und Form der Hilfe, die Wahl der Pflegefamilie sowie Umgangs-kontakte und Verbleibsentscheidungen betrifft, wobei sich an dem Alter, Entwicklungsstand und der konkreten Situation des Kindes bei der Inpflegegabe zu orientieren ist.[33]  

Die Kompetenzanforderungen haben auch deswegen zugenommen, weil Herkunftsfamilien bzw. teilweise Pflegekinder und auch die Pflegekinderhilfe mehr Wert auf den gegenseitigen Kontakterhalt und dessen Sicherung legen. Hierbei bedürfen die Herkunftsfamilien der Unterstützung durch das Jugendamt, was die Vorbereitung eines Pflegeverhältnisses, die Unterstützung bei der Bewältigung ihrer neuen Situation als Eltern ohne Kind nach der Inpflegegabe ihres Kindes sowie die Gestaltung der Umgangskontakte betrifft.[34]

5. Fazit und Ausblick

Die Verantwortung für die Kindertagespflege und die Pflegekinderhilfe als Angebotsformen privater Erziehung in öffentlicher Verantwortung ist durch die skizzierten Veränderungen, insbesondere durch die gestiegenen fachlichen Anforderungen in der frühen Bildung, der Sprachförderung und Integration, den neuen Aufgaben im Kinderschutz sowie jenen zur Qualitätssicherung deutlich gestiegen. Dies hat zur Folge, dass neue Formen der öffentlichen Verantwortungsübernahme gefunden werden müssen, und dies führt außerdem zu der Frage, wie die Verantwortungsebenen Bund, Länder und Kommunen diesen höheren Anforderungen unter Berücksichtigung der Spezifika ehemals innerfamilialer Erziehungssettings gerecht werden können. Ein möglicher Weg ist die strukturelle und fachliche Weiterentwicklung der beiden Leistungen Kindertagespflege und Pflegekinderhilfe.


Kindertagespflege

In der Kindertagespflege beförderten die rechtlichen Normierungen im SGB VIII seit dem Jahr 1990 sowie die zunehmende Ausdifferenzierung der Angebotsformen eine Entwicklung, die über eine Verfachlichung der Kinder-tagespflege, insbesondere im Hinblick auf die Großtagespflege, bereits hinaus weist. Perspektivisch sollte eine Verberuflichung des gesamten Feldes der Kindertagespflege angestrebt werden, um neben der rechtlichen Gleichstellung bzw. Gleichrangigkeit der Betreuungsangebote in Kindertages-stätten und in der Kindertagespflege für Kinder unter drei Jahren zu einer tatsächlichen Gleichwertigkeit beider Angebotsformen zu gelangen. Eine Verberuflichung der Kindertagespflege – zumindest der Großtagespflege mit dem Ziel der Vermeidung der beschriebenen Gefahr einer „Kita-Light-Version“ (Kapitel 3) – macht es einerseits erforderlich, die Anforderungen an die fachliche und persönliche Eignung von Tagespflegepersonen klar und in Bezug auf die jeweilige Angebotsform zu definieren und spezifische Qualifizierungsangebote vorzuhalten sowie andererseits ein qualifiziertes und angebotsspezifisches Begleitsystem von Seiten der örtlichen Träger der öffentlichen und freien Kinder- und Jugendhilfe zur Verfügung zu stellen.

Im Rahmen der Qualitätsentwicklung und -sicherung sollte mittelfristig angestrebt werden, die Eignungsprüfung zu standardisieren, höhere und angebotsspezifische Standards für die Qualifizierung in der Kindertagespflege zu setzen und mit einem verpflichtenden Praxisteil zu verbinden. Weiterhin sollte die Einführung verpflichtender Fortbildungen für Tagespflegepersonen befördert werden. Darüber hinaus gilt es, (finanzierte) Vertretungsmodelle sowie eine damit verbundene Verlässlichkeit des Betreuungsangebots zu gewährleisten. Das Praxisbegleitsystem muss dem besonderen Charakter der verschiedenen Angebotsformen in der Kindertagespflege entsprechend gestaltet bzw. weiterentwickelt werden, wozu ein spezifisches Fortbildungs-angebot für die Fachkräfte der Fachberatungen vorgehalten werden muss. Das Praxisbegleitsystem muss sich selbst profilieren und den Tagespflegepersonen eine fachlich versierte und partnerschaftliche Beratung und Unterstützung bieten. 
Perspektivisch sollten mit Blick auf eine Verberuflichung des Feldes der Kindertagespflege allerdings auch Strategien zur langfristigen Attraktivitäts-steigerung der Beschäftigungsbedingungen mitgedacht werden, wie z.B. die Förderung von Festanstellungsmodellen zur längerfristigen Bindung und Reduzierung der Fluktuation der Tagespflegepersonen, eine leistungs-orientierte Vergütung (z.B. die Vergütung von Sonderzeiten wie kitaergänzende Betreuungszeiten und Übernachtungs- und Eingewöhnungs-zeiten), wie sie vom Gesetzgeber in § 23 Abs. 2a SGB VIII explizit gefordert ist, sowie Maßnahmen zur nachhaltigen Stabilisierung und Verstetigung des Tätigkeitsfeldes35. Perspektivisch wäre auch über die Entwicklung eines Berufsprofils36 nachzudenken, das als Grundlage für die Entwicklung eines kollektiven Selbstverständnisses der Tagespflegepersonen dienen und zu einer gesellschaftlichen Wertschätzung und Wahrnehmung der Kindertagespflege als eine gleichwertige Alternative oder Ergänzung zur institutionellen Betreuung führen könnte. Eine bundesrechtliche Normierung des Nachweises eines pädagogischen Konzeptes für die Kindertagespflege sowie die Schaffung ländereinheitlicher Bildungsstandards wären in dem Zusammenhang ebenfalls langfristig mitzudenken. 

Pflegekinderhilfe

Die Arbeit von und mit Pflegefamilien begründet sich auf rechtlichen Grundlagen, die sich seit Beginn der 1980er Jahre wesentlich verändert haben. Die unterschiedliche gesetzliche Normierung hinsichtlich der notwendigen Erteilung einer Erlaubnis und die fehlende Verbindlichkeit hinsichtlich der Qualifizierungsanforderungen sind dringend zu thematisieren. Hier ist der Bundesgesetzgeber gefordert, eine entsprechende Weiterentwicklung voranzubringen.

Die Entscheidung, ein Kind in einer Pflegefamilie aufwachsen zu lassen, bedarf eines fachlichen Gesamtkonzeptes, beginnend bei der Gewinnung von Pflegeeltern, die Pflegeelternschulung als Voraussetzung und Vorbereitung auf die neue Rolle bis hin zur ständigen fachlichen Begleitung und Unterstützung der Pflegefamilie. Darüber hinaus gilt es, einen verbindlichen, in Krisensituationen schnellen und reibungslosen Zugang zu laufender Beratung zu gewährleisten sowie geregelte oder niedrigschwellige Beschwerde-verfahren für die Adressatinnen und Adressaten zu etablieren. Hierfür bedarf es einer entsprechend qualifizierten, möglichst multiprofessionellen Personalausstattung im Jugendamt bzw. in der beauftragten Institution. Darüber hinaus sind regelmäßige und zugleich verpflichtende Qualifikationen von Pflegeeltern genauso erforderlich wie die ausreichende Bereitstellung finanzieller Ressourcen für Fortbildungen und Supervision, angeleitete und pädagogisch betreute Gruppenangebote, fachpraktische Reflexionsgruppen und andere Austauschmöglichkeiten sowie konkrete entlastende Hilfen in Krisensituationen. Darüber hinaus ist die Einbeziehung der Pflegekinder bei sie betreffenden Entscheidungen unter Berücksichtigung ihres Alters zwingend erforderlich und der Arbeit mit der Herkunftsfamilie eine größere Bedeutung beizumessen.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass Pflegeeltern heute überwiegend Kinder aus Familien mit komplexen Belastungssituationen aufnehmen. Sie haben in ihrer Arbeit mit den – meist emotional vorbelasteten – Kindern alltägliche und spezifische Herausforderungen zu bewältigen, müssen sich für eine Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie öffnen und bei möglicherweise auftretenden Widersprüchen entsprechende Bewältigungsstrategien entwickeln. Die Qualifikation und Unterstützung, die diese Pflegeeltern heute brauchen, um den mittlerweile sehr umfangreichen Herausforderungen entsprechen zu können, spricht daher zumindest für eine Verfachlichung der Pflegekinderhilfe, wenn nicht gar für eine Verberuflichung hinsichtlich der besonderen Formen der Pflegekinderhilfe sowie in Bezug auf die professionelle Unterstützung und Beratung. 

Bezüglich der qualitativen Weiterentwicklung der strukturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen ist perspektivisch zudem eine Überwindung der Konkurrenzen zwischen professionalisierten Angeboten der Vollzeitpflege (Erziehungs- bzw. Vollzeitpflegestellen gem. § 33 SGB VIII) und den familienähnlichen Formen der Heimerziehung nach § 34 SGB VIII anzustreben im Sinne einer Ressourcenbündelung, beispielsweise mit Blick auf die Öffentlichkeitsarbeit, die Gewinnung von Familien oder die Ausgestaltung von Pflegeelternseminaren[37]. Vor dem Hintergrund der uneinheitlichen und teilweise unzureichenden Ausdifferenzierung der Pflegekinderhilfe nach bedürfnisgerechten Pflegeformen zwischen einzelnen Kommunen erscheint es überdies sinnvoll, Abgrenzungen zwischen den verschiedenen Angebotsformen vorzunehmen, die insbesondere die Eignungs- und Zuweisungskriterien betreffen.

Zusammengenommen könnte die Umsetzung der hier vorgeschlagenen Maßnahmen dazu beitragen, dass angesichts veränderter und wachsender Herausforderungen sowohl eine qualifiziertere Wahrnehmung der öffentlichen Verantwortung für die Erziehung im privaten Raum als auch eine qualifiziertere Wahrnehmung der privaten Erziehung in öffentlicher Verantwortung gewährleistet werden kann.


Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ
Berlin, 25. September 2013

 

[1] Allerdings wird im 14. Kinder- und Jugendbericht ausgeführt, dass die private Sphäre und damit auch die Rechte und Pflichten der Individuen schon immer durch rechtliche und politische Regulierungen normiert war, vgl. Deutscher Bundestag (2013): 14. Kinder- und Jugendbericht, S. 65.
[2]Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen und Tagespflege, Berechnungen der Dortmunder Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik (2012).
[3] Berechnung auf der Basis der amtlichen Statistik von van Santen, vorgestellt auf der Tagung The 3rd European Conference for Social Work Research - ECSWR 2013 Jyväskylä, 21 March 2013.
[4] Deutscher Bundestag (2013): 14. Kinder- und Jugendbericht, S. 346.
[5] Van Santen, E. (2010): Pflegekind auf Zeit, DJI-Bulletin 3/2010 Heft 91, S. 21-23.
[Verschiedene wissenschaftliche, regional orientierte Studien haben deutlich gemacht, dass die Pflegekinderhilfe in Deutschland äußerst vielfältig organisiert und ausdifferenziert ist und ein Mangel an allgemein akzeptierten Qualitätsstandards besteht.
[7] Deutscher Bundestag (2002): 11. Kinder-und Jugendbericht, S. 59.
[8] Deutscher Bundestag (2013): 14. Kinder- und Jugendbericht, S. 66.
[9] In 2013 werden 15,5 % der unter dreijährigen Kinder in öffentlich geförderter Kindertagespflege betreut (in Westdeutschland 17,2 % (mit Berlin) bzw. 18 % (ohne Berlin) und in Ostdeutschland 10,6 % (mit Berlin) bzw. 10,9 % (ohne Berlin), vgl. Statistisches Bundesamt: Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen und öffentlich geförderter Kindertagespflege am 1.3.2013, Wiesbaden 2013.
[10] www.bmfsfj.de/BMFSFJ/kinder-und-jugend,did=120556.html (Zugriff: 20.09.2013).
[11] Kerl-Wienecke, A.; Schoyerer, G.; Schuhegger, L. (im Erscheinen): Kompetenzprofil Kindertagespflege in den ersten drei Lebensjahren, Cornelsen.
[12] Beispielsweise dürfen in Nordrhein-Westfalen nicht mehr als neun Kinder in der Großtagespflege betreut werden. In manchen Ländern gibt es überhaupt keine Großtagespflege. In anderen gibt es auch (bzw. noch) Großtagespflegestellen mit drei oder mehr Tagespflegepersonen und mehr als zehn Kindern.
[13] http://www.dji.de/bibs/649_Heitkoetter_Ausdifferenzierung_Qualitaet_KTP_21_06_2011endg.pdf (Zugriff: 20.09.2013).
[14] www.dji.de/cgi-bin/projekte/output.php (Zugriff: 20.09.2013).
[15]http://www.ovg.nrw.de/presse/pressemitteilungen/24_130814/index.php (Zugriff: 20.09.2013).
[16] Hinke-Ruhnau, J. (2010): Qualitätsentwicklung in der Kindertagespflege, S. 114.
[17]http://www.dji.de/bibs/649_HandreichungKTPimHHderElternRAinBurkert-Eulitz.pdf (Zugriff: 20.09.2013). 
[18] Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfe, Kompetenz-Zentrum Pflegekinder e.V. (2010): Neues Manifest zur Pflegekinderhilfe, S. 21.
[19] Szylowizki, A. (2006): Patenschaften für Kinder psychisch kranker Eltern. In: Schone, R.; Wagenblass, S. (Hg.): Kinder psychisch kranker Eltern zwischen Jugendhilfe und Erwachsenenpsychiatrie. Weinheim & München, S. 103–117. 2. Aufl.
[20] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hg.) (2002): Bereitschaftspflege – Familiäre Bereitschaftsbetreuung. In: Deutscher Bundestag (2013), S. 346.
[21] Schönecker, L. (2011): Pflegekinder mit Behinderung. In: Kindler, H.; Helming, E.; Meysen, T.; Jurczyk, K. (Hg.): Handbuch Pflegekinderhilfe. München, S. 806–813.
[22] Blandow, J.; Küfner, M. (2011): „Anders als die anderen ...“. Die Großeltern- und Verwandtenpflege. In: Kindler, H.; Helming, E.; Meysen, T.; Jurczyk, K. (Hg.): Handbuch
Pflegekinderhilfe. München, S. 743–767.
[23] Blandow, J. (2004): Pflegekinder und ihre Familien. Geschichte, Situation und Perspektiven des Pflegekinderwesens. Weinheim & München; Walter, M. (2004): Bestandsaufnahme und strukturelle Analyse der Verwandtenpflege in der Bundesrepublik Deutschland. Bremen.
[24] Münder, J.; Meysen, T.; Trenczek T. (Hg.) (2013): Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Auflage, S. 365.
[25] Deutscher Bundestag (2013): 14. Kinder- und Jugendbericht, S. 346.
[26] Der Terminus “Commitment” ist ein aus dem englischen Raum stammendes Konzept, das mit Begriffen wie bspw. nachhaltige Zuwendung, Zu-jemandem-Stehen, Verpflichtungsgefühl, Engagement gleichzusetzen ist.
[27] Kindler, H.; Helming, E.; Meysen, T.; Jurczyk, K. (Hg.) (2011): Handbuch Pflegekinderhilfe, München, S. 410. 
[28] Osterman, M.; Schuengel, C.; Bullens, RAR and Doreleijers TAH (2007): Disruptions in foster care: a review and meta-analysis, Children and Youth Services Review 29, pp 53-76.
[29] Kindler, H.; Helming, E.; Meysen, T.; Jurczyk, K. (Hg.) (2011): Handbuch Pflegekinderhilfe, München, S. 410f.
[30] Kindler, H.; Helming, E.; Meysen, T.; Jurczyk, K. (Hg.): Handbuch Pflegekinderhilfe. München, S. 55.
[31] Deutscher Bundestag (2013): 14. Kinder- und Jugendbericht, S. 346.
[32] Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfe, Kompetenz-Zentrum Pflegekinder e.V. (2010): Neues Manifest zur Pflegekinderhilfe, S. 34.
[33] Ebd., S. 40.
[34] Ebd., S. 43.
[35] Sell, S.; Kukula, N. (2012): Leistungsorientierte Vergütung in der Kindertagespflege. Von der aktuellen Praxis zu einem zukunftsfähigen Modell? Herausgegeben vom Institut für Bildungs- und Sozialpolitik der Hochschule Koblenz (ibus). Koblenz, S. 20.
[36] Kammer, J. (2013): Professionalisierung in der Kindertagespflege, Masterarbeit, Fachhochschule Köln.
[37] Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfe, Kompetenz-Zentrum Pflegekinder e.V. (2010): Neues Manifest zur Pflegekinderhilfe, S. 37.