Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ zum XX. Hauptgutachten der Monopolkommission 

Kapitel 1 „Wettbewerb in der deutschen Kinder- und Jugendhilfe

Stellungnahme als PDF


Vorbemerkung 

Die Kinder- und Jugendhilfe hat mit ihren vielfältigen Leistungen und Angeboten einen umfangreichen Aufgabenkatalog im Sinne des SGB VIII zu erfüllen. Dazu gehört insbesondere, junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung zu fördern; dazu beizutragen, Benachteiligungen abzubauen; Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung und Beratung zu unterstützen; Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen sowie daran mitzuwirken, positive Lebensbedingungen für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern zu erhalten bzw. zu schaffen (§ 1 Abs. 3 SGB VIII). Die Einrichtungen und Dienste der Kinder- und Jugendhilfe sind grundsätzlich eine Anlaufstelle für alle Kinder und Jugendlichen mit ihren Familien. Ihren individuellen und entsprechenden Bedarfen wird durch die vielfältige Leistungs- und Angebotspalette der Kinder- und Jugendhilfe Rechnung getragen. 

Unstrittig ist eine Veränderung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für das familiale Leben sowie das Aufwachsen junger Menschen feststellbar, was zum einen in einer zunehmend verstärkten Inanspruchnahme der Kinder- und Jugendhilfe zum Ausdruck kommt, zum anderen für die Kinder- und Jugendhilfe zu einem verstärkten – politischen wie fachlichen – Legitimationsdruck führt. 

Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 GG folgend besteht eine grundgesetzlich verankerte sozialstaatliche Verpflichtung. Dabei gehören zur Verwirklichung des Sozialstaates unter anderem die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Sie trägt durch die Förderung und Unterstützung junger Menschen und ihrer Familien sowie durch die Ermöglichung und Verbesserung ihrer Teilhabechancen wesentlich dazu bei, den sozialstaatlichen Auftrag zu erfüllen. Demnach handelt es sich bei den Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe um solche, zu deren Erbringung die öffentliche Verwaltung im Rahmen der öffentlichen Fürsorge (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG) verpflichtet ist. Ihre Rechtsgrundlage stellt das SGB VIII mit den darin konkretisierenden Leistungsverpflichtungen zugunsten der Kinder, Jugendlichen und ihrer Familien dar.  

Auf dieser Grundlage sind nachfolgende Feststellungen und Standpunkte zu den Positionen und Empfehlungen der Monopolkommission im XX. Hauptgutachten in der Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ konzentriert. 

Wettbewerbs-, Beihilfe- und Vergaberecht in der Kinder- und Jugendhilfe 

Soweit die Monopolkommission zunächst fordert, ein Mehr an wettbewerblichen Strukturen in der Kinder- und Jugendhilfe herzustellen sowie für eine effiziente und transparente Leistungserbringung zu sorgen, kann hier auf den bereits durch das Wunsch- und Wahlrecht (§ 5 SGB VIII) angelegten Wettbewerb in der Kinder- und Jugendhilfe hingewiesen werden, was auch die Monopolkommission tut, ohne allerdings den entsprechenden Implikationen dieses Wunsch- und Wahlrechtes konsequent Rechnung zu tragen. 

Das Wunsch- und Wahlrecht ist mit einem Rechtsanspruch der Leistungsberechtigten hinterlegt, mit dem sie also zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger wählen können. Grundsätzlich ist die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland gekennzeichnet durch eine Vielfalt von Trägern, die sich durch unterschiedliche Wertorientierungen sowie durch plurale Inhalte, Methoden und Arbeitsweisen voneinander unterscheiden (§ 3 Abs. 1 SGB VIII). Die Leistungen für Kinder, Jugendliche und ihre Familien werden von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe (Jugendamt und Landesjugendamt) und von den Trägern der freien Jugendhilfe erbracht (§ 3 Abs. 2 SGB VIII). In diesem Zusammenhang verweist die Monopolkommission unter Bezugnahme auf neuere Daten des 14.Kinder- und Jugendberichtes darauf, dass freie Träger die öffentlichen Träger in ihrer einst dominanten Stellung überholt haben und nun ihrerseits den Markt der Kinder- und Jugendhilfe dominieren (Tz 273). Das, was von der Monopolkommission in den weiteren Ausführungen allerdings nicht gewürdigt wird, ist, dass der Rückgang der Leistungen der öffentlichen Träger mit Beginn der 1990er Jahre wesentlich auch darauf zurückzuführen ist, dass sich in den östlichen Bundesländern seitdem ebenfalls eine plurale, an unterschiedlichen Wertorientierungen und vielfältigen Inhalten ausgerichtete Struktur der Kinder- und Jugendhilfe etabliert hat, die die Realisierung des Wunsch- und Wahlrechtes der Adressaten und Adressatinnen ermöglicht. Die verkürzte Sichtweise der Monopolkommission trägt einerseits dazu bei, dass die Leistungserbringung der öffentlichen Träger, die immerhin knapp ein Drittel des gesamten Spektrums der Kinder- und Jugendhilfe ausmacht, nicht angemessen gewürdigt wird. Mit der ausschließlichen Perspektive auf die öffentlichen Träger in ihrer Rolle als Leistungsträger – und nicht als Leistungsträger und Leistungserbringer -  unterlässt es die Monopolkommission andererseits, die öffentlichen Träger in ihrer besonderen, quasi doppelten Verfasstheit als Teil des Wettbewerbs in der Kinder- und Jugendhilfe mit den hierin enthaltenen besonderen wettbewerblichen Strukturen zu thematisieren. Verkürzt ist allerdings auch der Blick der Monopolkommission auf die freien Träger, die überwiegend als konzernartige Unternehmen erfasst werden, womit die Monopolkommission verkennt, dass die Mitgliederstruktur der großen Wohlfahrtverbände eine Vielzahl kleinerer und mittlerer Träger der Kinder- und Jugendhilfe repräsentiert, die ihrerseits wiederum auf der kommunalen und gemeindlichen Ebene zueinander in ein Wettbewerbsverhältnis treten.   

Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den Trägern der öffentlichen und der freien Jugendhilfe ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit zum Wohl der Adressatinnen und Adressaten der Kinder- und Jugendhilfe verpflichtet (§ 4 Abs. 1 S. 1 SGB VIII). Das SGB VIII enthält keine eigene Definition der Träger der freien Jugendhilfe. Zu verstehen sind darunter alle natürlichen oder juristischen Personen, die im verwaltungsrechtlichen Sinne nicht öffentlich-rechtlich sind. Träger der freien Jugendhilfe sind nach privat-gemeinnützig und privat-gewerblich zu unterscheiden. Bezogen auf das Wunsch- und Wahlrecht können demnach alle Träger von den Leistungsberechtigten ausgewählt werden – ein diskriminierender Zugang für bestimmte Leistungsanbieter ist somit durch dieses zentrale Grundprinzip der Kinder- und Jugendhilfe ausgeschlossen. 

Zu folgen ist der Feststellung der Monopolkommission, dass die Verwendung der Mittel für die Leistungen und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe von größtmöglicher Transparenz geprägt sein müsse, da es sich um ein steuerfinanziertes Leistungssystem handele. Ergänzend ist hier festzustellen, dass die Jugendhilfeleistungen neben Steuermitteln auch aus Eigenmitteln finanziert werden. Dies betrifft insbesondere die Zuwendungsfinanzierung nach § 74 SGB VIII mit der Voraussetzung, dass es sich bei der Förderung der Träger der freien/privaten Jugendhilfe um solche handeln muss, die gemeinnützige Ziele verfolgen – und nicht, wie es die Monopolkommission nahelegt, um solche, die gemeinnützig sind. Dabei ist zu beachten, dass das Aufbringen von Eigenmitteln insbesondere für gemeinnützige Träger zu erheblichen Herausforderungen führen kann, worauf nicht zuletzt im 14. Kinder- und Jugendbericht hingewiesen worden ist, wenn die Sachverständigenkommission festhält, dass hinsichtlich einer optimalen bedarfsorientierten Angebotsstruktur die freien Träger von Einrichtungen zunehmend vor manchmal kaum zu lösende Probleme der Finanzierung gestellt werden. „Diese resultieren auch daraus, dass die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe auch vorgehalten werden müssen, um im richtigen Moment in Anspruch genommen werden zu können. (…) Hier müssen die Träger die Gesamtfinanzierung sichern, obwohl dies allein von ihnen (…) auch angesichts der mitunter ‚marktorientierten’ Förderung nicht immer leistbar ist. (…) Voraussichtlich werden sich nicht wenige Träger der freien Jugendhilfe in den nächsten Jahren organisatorisch-strukturell fortentwickeln (müssen), um zukunftsfähig zu bleiben“ (BMFSFJ, 2013, 392). Statt in ihrer Auseinandersetzung mit der Gemeinnützigkeit vieler Träger der Kinder- und Jugendhilfe ausgewogen die an anderer Stelle vertretene Position sozialer Dienstleistungen als Vertrauensgüter (Tz 280-284) zu untermauern  und darüber hinausgehend die besonderen Bindungen bei der Eigenkapitalbildung abzuwägen, vertritt die Monopolkommission einseitig die Position, dass vorrangig die Erzielung von Überschüssen und die Eigenkapitalbildung Effizienz bedingen und Innovationen ermöglichen. Dass auch gemeinnützige Träger und die dort Beschäftigten an Wirtschaftlichkeit und fachlichen Erneuerungen interessiert sind, nimmt die Monopolkommission nicht zur Kenntnis. 

Der Vorschlag der Monopolkommission, die Gemeinnützigkeit auf solche Leistungsbereiche zu begrenzen, auf die Adressaten und Adressatinnen keinen Rechtsanspruch haben, läuft darauf hinaus, die Gemeinnützigkeit auf jene Hilfen einzuschränken, an denen privat-gewerbliche Träger aufgrund einer mangelnden Refinanzierung kein unternehmerisches Interesse haben können. Die entsprechenden Folgen u. a. für die Pluralität des Träger-spektrums, das Wunsch- und Wahlrecht der Adressaten und Adressatinnen und die Gewinnung von Ehrenamtlichen bleiben außen vor.             

Im Hinblick auf die Anwendbarkeit von Vergaberegeln für die Kinder- und Jugendhilfe sind die unterschiedlichen Regelungen zu den Finanzierungs-formen von Leistungen und Angeboten im SGB VIII zu beachten: 

Die Erbringung rechtsanspruchsgesicherter Leistungen, die durch Dritte vorgenommen werden, erfolgt auf der Grundlage des jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses – Leistungsberechtigter (Bürgerin/Bürger), (öffentlicher) Leistungsträger und (privater) Leistungserbringer/Leistungsanbieter. Zwischen dem Leistungsträger und Leistungserbringer werden Vereinbarungen – öffentlich-rechtlicher Vertrag – geschlossen, die unter anderem die Entgelte betreffen. Rechtsgrundlage für eine Entgeltübernahmefinanzierung sind §§ 78a ff. SGB VIII (stationäre und teilstationäre Leistungen) und für alle nicht in § 78a Abs. 1 SGB VIII genannten Leistungen § 77 SGB VIII. Die Leistungsentgelte beziehen sich auf sämtliche Kosten der Leistungs-erbringung, die in Form von Fachleistungsstunden bzw. Tagessätzen abgerechnet werden. Privat-gemeinnützig und privat-gewerbliche Träger sind ohne Unterschiede gleichermaßen im §§ 78a ff. SGB VIII einbezogen. Wenn Träger der Kinder- und Jugendhilfe eine Betriebserlaubnis nach §§ 43-45 SGB VIII besitzen, sind sie umsatzsteuerfrei gestellt und das unabhängig davon, ob es sich bei diesen Trägern um privat-gemeinnützige oder privat-gewerbliche Träger oder Privatpersonen handelt.       

Für Leistungen, auf die im Gesetz kein Rechtsanspruch besteht oder bei denen gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe der Rechtsanspruch aus dem Gesetz nicht geltend gemacht wird, kommt eine Finanzierung im Rahmen von Zuwendungen nach § 74 SGB VIII sowie eine Finanzierung gegenseitiger Leistungsverträge auf der Rechtsgrundlage von § 77 SGB VIII in Betracht. Bei Zuwendungen erhält der Träger der freien Jugendhilfe eine pauschale Finanzierung für die Zurverfügungstellung eines Angebotes in Form von Einrichtungen, Diensten oder Veranstaltungen. Neben der Anerkennung als gemeinnütziger Träger sind die fachliche Eignung des Trägers und die Gewährleistung einer wirtschaftlichen und zweckbestimmten Mittelverwendung Voraussetzung für die Förderung.

Im Hinblick auf die rechtsanspruchsgesicherten Leistungen und deren Finanzierung im Rahmen des jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses können die Vergaberegeln nach den §§ 97 ff. des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) keine Anwendung finden. Hervorzu-heben ist hier vor allem die fehlende Voraussetzung des öffentlichen Auftrages nach § 99 GWB. Zwischen den oben beschriebenen Rechtsbe-ziehungen im jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis fehlt es zwischen dem Leistungsträger (Träger der öffentlichen Jugendhilfe) und dem Leistungs-erbringer/Leistungsanbieter an einem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung als Merkmal des gegenseitigen Vertrages. Zwischen den Leistungsberechtigten (Bürgerin/Bürger) und dem Leistungserbringer hingegen entsteht der gegenseitige (privat-rechtlicher) Vertrag, wenn diese im Rahmen ihres Wunsch- und Wahlrechts den Leistungserbringer auswählen. Der Verweis der Monopolkommission auf die Möglichkeit der Vergabe von Teillosen (Tz 302), stellt keinen umfassend gangbaren Weg dar, die Einschränkungen des Wunsch- und Wahlrechtes im Kontext eines Vergaberechtes aufzuheben.                                                                                                                                                                           

Bezüglich der weiteren Finanzierungsarten liegen die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Vergaberechts ebenfalls nicht vor. So ist bei der Zuwendungsfinanzierung nach § 74 SGB VIII, die beispielsweise für „offene“, niedrigschwellige  Angebote gilt, auf die kein individueller Rechtsanspruch besteht, der oben beschriebene öffentliche Auftrag nach § 99 GWB nicht vorliegend. Gleiches gilt für den gegenseitigen Leistungsvertrag nach § 77 SGB VIII. Zudem ist fraglich, ob in Bezug auf die geringen Zuwendungs-summen der Anwendungsbereich der europarechtlichen Anforderungen nach GWB sowie der Vergabeverordnung (VgV) und dem erforderlichen Schwellenwert (seit 1. Januar 2014 207.000 Euro) überhaupt eröffnet ist. Daran ändert auch der Verweis der Monopolkommission auf die Reform des europäischen Vergaberechtes nichts, da das „Sozialvergaberecht“ eine Vergabe von Leistungen in den Fällen, in denen eine exklusive Auswahl von Trägern nicht zwingend notwendig ist, nicht vorsieht.    

Ergänzend ist hervorzuheben, dass unabhängig der Voraussetzungen für das Gelten der gesetzlichen Regelungen des Vergaberechts die praktische Anwendbarkeit nicht unproblematisch ist. Ausreichende fachliche und rechtliche Kenntnisse müssen bei der entsprechenden Prüfung und Anwendung des Vergaberechts im Jugendamt vorhanden sein. Ist dies nicht der Fall, besteht Bedarf für eine externe Beratung für eine rechtssichere Anwendung (auch im Hinblick auf die Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten), deren Kosten jedoch im Verhältnis zum finanzwirtschaftlichen Nutzen stehen sollte.
 
Zusammenfassend ist darauf hinzuweisen, dass, soweit die Monopol-kommission eine Verbesserung der wettbewerblichen Bedingungen in der Kinder- und Jugendhilfe befürwortet bzw. den Potentialen des Wettbewerbs im sozialen Bereich insgesamt mehr Geltung verschaffen möchte, dies ihren sozialstaatlichen Auftrag und insbesondere ihre gesetzlich verankerten Grundprinzipien (v.a. das Wunsch- und Wahlrecht nach § 5 SGB VIII, die Partnerschaftliche Zusammenarbeit und die Achtung der Selbständigkeit der freien Jugendhilfe nach § 4 Abs. 1 SGB VIII, Subsidiaritätsgrundsatz nach § 4 Abs. 2 SGB VIII) nicht aushöhlen kann.    

Qualitätsentwicklung und -sicherung in der Kinder- und Jugendhilfe

Im Hinblick auf die Empfehlungen der Monopolkommission bezüglich der Qualitätsentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe ist hier anzumerken, dass die Entwicklung und Sicherung von Qualitätsstandards eines der zentralen Themen der Kinder- und Jugendhilfe ist. Zunächst fand diesbezüglich eine Konkretisierung durch die Einführung der §§ 78a ff. SGB VIII, insbesondere durch die Leistungsvereinbarung (§ 78b Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII) sowie die Qualitätsentwicklungsvereinbarung (§ 78b Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII) statt. Geltungsbereich ist hier die Entgeltfinanzierung. Unabhängig von der Finanzierungsart oder des Trägers ist durch das Bundeskinderschutzgesetz mit § 79a SGB VIII eine Regelung zur Qualitätsentwicklung und -sicherung eingeführt, die für alle Leistungen und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe sowie für die Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe gilt. Besonders erwähnt werden Qualitätsmerkmale für die Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen und ihr Schutz vor Gewalt. Qualitätsentwicklung ist ein kooperativer Prozess von Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe. Wesentlich mitgestaltet wird er durch den Jugendhilfeausschuss bzw. Landesjugendhilfeausschuss. In den Ausschüssen findet die Verständigung über Grundsätze der Qualitätsent-wicklung und über Konzepte statt. Jugendhilfeausschüsse und Landesjugendhilfeausschüsse sind darüber hinaus Orte für die Reflexion der Aufgabenwahrnehmung unter Qualitätsgesichtspunkten.

Unabhängig von der gesetzlichen Verpflichtung zur Qualitätsentwicklung stehen die Interessen und Bedarfslagen der Adressatinnen und Adressaten der Kinder- und Jugendhilfe im Mittelpunkt der Leistungserbringung. Dabei ist für die Wirksamkeit der Hilfen eine entsprechende Beteiligung der Kinder, Jugendlichen und deren Familien von entscheidender Bedeutung. Die Wirksamkeit der Hilfen stellt zudem einen zentralen Aspekt in der Debatte um Kostendruck und  Fachlichkeit in der Kinder- und Jugendhilfe dar.

Die Monopolkommission verkennt nicht die besonderen Herausforderungen und Schwierigkeiten bei der Bewertung der Qualität der Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe (Tz 315). Ob allerdings das Beispiel der Sprachstandserhebungen in Kindertagesstätten ein geeignetes Beispiel einer möglichen Qualitätseinschätzung ist, darf aufgrund der vorliegenden Erfahrungen mit z. T. divergierenden Erhebungs- und Messproblemen angezweifelt werden.     

Gutscheinsystem in der Kinderbetreuung

Bezüglich des Gutscheinsystems in der Kinderbetreuung ist anknüpfend an die Ausführung der Monopolkommission festzustellen, dass es zweifelhaft ist, ob die beschriebenen Erfolge des Gutscheinsystems in der Kindertagesbetreuung ausgewählter Städte auf den ländlichen Raum übertragbar sind. So sind mancherorts immer noch Engpässe bezüglich freier und passgenauer Betreuungsplätze zu verzeichnen, so dass eher wenig Wahlmöglichkeit für die Eltern/Elternteile und somit auch keine Wettbewerbssituation gegeben ist. Hingewiesen werden muss zudem darauf, dass Gutscheine keine alleinige Form der Subjektförderung darstellen, andere landesrechtliche Regelungen beinhalten weitere Formen der Subjektförderung, die ebenfalls zu einer bedarfsangemessenen Gestaltung des Kindertagesstättenbereiches beitragen.       


Bedeutung des Jugendhilfeausschusses für die Kinder- und Jugendhilfe

Für die Wahrnehmung der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe errichtet jeder örtliche Träger ein Jugendamt bzw. jeder überörtliche Träger ein Landesjugendamt (§ 69  Abs. 3 SGB VIII). Dabei werden die Aufgaben des Jugendamtes durch den Jugendhilfeausschuss und durch die Verwaltung des Jugendamtes wahrgenommen (§ 70 Abs. 1 SGB VIII), was eine sogenannte Zweigliedrigkeit des Jugendamtes bedeutet.    

Der Jugendhilfeausschuss ist für die kommunale Kinder- und Jugendhilfepolitik das zentrale Gremium – er befasst sich mit allen Angelegen-heiten der Kinder- und Jugendhilfe. Zu seinen Aufgaben gehören insbesondere die Erörterung aktueller Problemlagen junger Menschen und ihrer Familien sowie die Auseinandersetzung mit Anregungen und Vorschlägen für die Weiterentwicklung der Jugendhilfe, die Förderung der freien Jugendhilfe sowie die Jugendhilfeplanung (§ 71 Abs. 2 SGB VIII). 

Dem Jugendhilfeausschuss stehen Beschluss-, Antrags- und Anhörungs-rechte zu. So hat der Jugendhilfeausschuss in Angelegenheiten der Kinder- und Jugendhilfe ein Beschlussrecht, das allerdings begrenzt wird durch die von der Vertretungskörperschaft (Stadtrat, Kreistag u.a.) bereitgestellten Mittel, durch die von ihr erlassene Satzung und der von ihr gefassten Beschlüsse (§ 71 Abs. 3 S. 1 SGB VIII). Dem Jugendhilfeausschuss steht zudem ein Anhörungsrecht insofern zu, als dass er vor jeder Beschlussfassung der Vertretungskörperschaft in Fragen der Kinder- und Jugendhilfe angehört werden soll (§ 71 Abs. 3 S. 2 SGB VIII). Die Vertretungskörperschaft ist im Verhältnis zum Jugendhilfeausschuss das übergeordnete Organ.

Zusammengesetzt ist der Jugendhilfeausschuss nach bundesrechtlicher Regelung mit drei Fünfteln der Mitglieder der Vertretungskörperschaft des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe oder von ihr gewählte Frauen und Männer, die in der Kinder- und Jugendhilfe erfahren sind (§ 71 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII). Zwei Fünftel sind Frauen und Männer, die von den im Bereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe wirkenden und anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe vorgeschlagen und von der Vertretungskörperschaft gewählt werden (§ 71 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII). Das Vorschlagsrecht gilt für die Träger der freien Jugendhilfe, die anerkannt sind. Dies können juristische Personen oder Personenvereinigungen sein, die auf dem Gebiet der Jugendhilfe im Sinne deren Aufgabenbereiche nach § 1 SGB VIII tätig sind, gemeinnützige Ziele verfolgen, über entsprechende fachliche und personelle Voraussetzungen für die Aufgabenerfüllung verfügen und schließlich die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bieten (§ 75 Abs. 1  SGB VIII). Da auch gewerbliche Anbieter als Träger der Kinder- und Jugendhilfe anerkannt werden können, haben, anders als es die Ausführungen der Monopolkommission nahelegen, auch diese die Möglichkeit der Mitwirkung im Jugendhilfeausschuss und können von der Vertretungskörperschaft gewählt werden.  

In der Bündelung der vielfältigen Erfahrungen, Ansätze und Konzepte sowie der Wertorientierungen eines breiten Trägerspektrums in den Jugendhilfeausschüssen findet die Pluralität der Lebenswelten von Kindern, Jugendlichen und ihrer Familien ihren angemessenen Ausdruck und werden deren Interessen mittelbar durch die Träger vertreten. Jugendhilfeausschüsse haben somit nicht nur ein fachpolitisches, sondern vor allem auch ein kinder- und jugendpolitisches Mandat und nehmen von daher eine anwaltschaftliche Funktion wahr. Dass die Notwendigkeit einer solchen anwaltschaftlichen Funktion der Jugendhilfeausschüsse wie insgesamt der Kinder- und Jugendhilfe durch die Monopolkommission nicht wahrgenommen und entsprechend gewürdigt wird, kann darauf zurückgeführt werden, dass den Ausführungen der Monopolkommission ein einseitiges Adressatenbild zugrunde liegt, das grundlegend von der Vorstellung eines autonomen, freien und kompetenten Kunden geprägt ist. Im Kontext eines solchen Adressatenbildes bleibt dann ausgeblendet, dass die Träger der Kinder- und Jugendhilfe nicht nur als unmittelbare Leistungserbringer agieren, sondern darüber hinausgehend dazu aufgefordert sind, als Interessenvertreter der Adressaten und Adressatinnen deren Belange in politische Entscheidungsprozesse einzubringen. Leistungserbringung und politisches Mandat sind daran orientiert, dass nicht wenige Adressaten und Adressatinnen erst dazu befähigt werden müssen, ihre Rechte selbst wahrnehmen und Teilhabechancen nutzen zu können.  


Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

Berlin, 18./19. September 2014