Handlungsempfehlung  zur Kooperation von Jugendhilfe und Schule

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Einleitung

Die Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule kommt voran. Was Fachkräfte schon seit längerem wissen, gewinnt in der Praxis Bedeutung: Bildung ist keine exklusive Angelegenheit der Schule. Bildung ist eine Lebensaufgabe, die nicht auf unmittelbar verwertbares Wissen oder berufsverwertbare Fertigkeiten zu reduzieren ist. Sie beinhaltet die Aneignung reflexiver und sozialer Kompetenzen, die es insbesondere ermöglichen, verantwortlich zu handeln und Gesellschaft mitzugestalten. Die Jugendhilfe muss ihren Bildungsauftrag offensiver umsetzen als bisher geschehen. Jugendhilfe und Schule, beide Professionen zusammen, sind aufgefordert, systematisch zu kooperieren.

Nicht zuletzt hat diese Entwicklung durch das vom Bund initiierte Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ zur Schaffung von Ganztagsschulen einen enormen Schub erhalten. Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ begrüßt, dass die neue Bundesregierung das in der letzten Legislaturperiode ins Leben gerufene Investitionsprogramm fortführt. Es geht jetzt darum, Ideen zu entwickeln, mit welchen pädagogischen Konzeptionen die Kooperation auf den Weg gebracht werden kann. Fortgeführt werden muss diese Entwicklung durch den Aufbau von Strukturen, die auf lange Sicht verlässlich sind.

Die AGJ als Zusammenschluss und Forum der Strukturen und Akteure der Kinder- und Jugendhilfe auf der Bundesebene will ihren Beitrag dazu leisten. Mit dieser Broschüre fasst sie die Erkenntnisse aus der jugend(hilfe)politischen sowie fachlichen Arbeit der AGJ zusammen und macht Vorschläge für die praktische Umsetzung einer Bildung, Betreuung und Erziehung in gemeinsamer Verantwortung von Jugendhilfe und Schule.

Als Grundlage dafür dienen die Ergebnisse der AGJ-Bundeskonferenz „Zukunftsprojekt: Gemeinsame Gestaltung von Lern- und Lebenswelten – Zusammenspiel von Kinder- und Jugendhilfe & Schule im Sozialraum“, die Analysen und Empfehlungen des 12. Kinder- und Jugendberichts „Bildung, Betreuung und Erziehung vor und neben der Schule“ sowie die Beschlüsse der Jugendminister- und Kultusministerkonferenz zur Kooperation von Jugendhilfe und Schule.

 

1. KINDER UND JUGENDLICHE IM MITTELPUNKT

Jugendhilfe und Schule agieren in gesellschaftlichem Auftrag. Sie werden – überwiegend – staatlich finanziert. Ihre Qualität dokumentieren sie in ihrem Beitrag für die gelungene Entwicklung und Entfaltung von Kindern und Jugendlichen.
Deshalb stehen im Mittelpunkt der Diskussionen zur Kooperation von Jugendhilfe und Schule die Rechte, Bedürfnisse und Förderbedarfe von Kindern und Jugendlichen. Sie stellen den Ausgangspunkt für die in der vorliegenden Broschüre formulierten Aufgaben und Handlungsempfehlungen der AGJ dar.

Mit der hier gewählten Perspektive können Erwartungen und Anforderungen an die Qualität einer Kooperation von Jugendhilfe und Schule formuliert werden. Es geht um eine umfassende und lebensweltorientierte Pädagogik und es geht darum, wie formelle, nonformelle und informelle Bildung miteinander verwoben werden können.

Für die Entwicklung der Persönlichkeit, ihrer sozialen, emotionalen und kulturellen Fähigkeiten und ihrer Begabungen brauchen Kinder und Jugendliche förderliche Bedingungen. Sie benötigen beständige, verlässliche und akzeptierende Beziehungen und ein stabiles kulturelles Umfeld.

Kinder und Jugendliche lernen in Peergroups und in Medien- und Konsumwelten von- und miteinander. Sie wollen vielfältige Möglichkeiten und Gelegenheiten, um Wissen und Können zu erwerben und eigene, selbstverantwortete Erfahrungen machen zu können.
Weil sich ihre Identität, ihre Werte und Persönlichkeit ständig weiter entwickeln, brauchen sie Partnerschaften zu gleichaltrigen Jungen und Mädchen, aber auch pädagogische Unterstützung.

Die Gesellschaft wird pluraler, globaler und vielfältiger. Bildungszeiten verändern sich, lebenslanges Lernen wird immer mehr Aufgabe der Menschen einer modernen Gesellschaft. Wer sich darin zurecht finden soll, braucht Orientierung, Konfliktfähigkeit und Toleranz.
Benachteiligte Kinder und Jugendliche in schwierigen Lebensphasen brauchen ein zuverlässiges System der Hilfe und Unterstützung. Integration verlangt viel Aufwand, Zeit und Ressourcen. Auf alle sorgsam zu achten ist nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit, sondern auch ein Gebot der ökonomischen Vernunft.

Ein an den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien ausgerichtetes Gesamtsystem von Bildung, Betreuung und Erziehung erfordert eine systematische und rechtlich verbindliche partnerschaftliche Zusammenarbeit der unterschiedlichen Systeme Jugendhilfe und Schule. Sie brauchen eine entsprechende „Kooperationskultur“ mit fest vereinbarten Strukturen, um die Qualität einer pädagogischen Arbeit im Sinne der Trias Bildung, Betreuung und Erziehung sichern und entwickeln zu können.

Dabei gilt es, die strukturellen Unterschiede der beiden Systeme Jugendhilfe und Schule, mit der Perspektive eines „konsistenten Gesamtsystems“, wie es die Jugendministerkonferenz1 in die Diskussion gebracht hat, in einer intensiven Kooperation zu einem sinnvollen Ganzen zu verbinden. Dies ist trotz unterschiedlicher Strukturen von Jugendhilfe und Schule möglich. Durch verbindliche und dauerhaft angelegte Formen der Kooperation können neue Strukturen geschaffen werden, sodass Jugendhilfe und Schule ihre jeweils spezifischen Beiträge für ein neues Gesamtsystem von Bildung, Betreuung und Erziehung einbringen können.


2. GEMEINSAME AUFGABEN

Jugendhilfe und Schule haben nicht nur die gleiche Zielgruppe, ihre Funktionen und Aufgaben weisen in die gleiche Richtung: Chancengleichheit unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Ethnien, gesellschaftliche Integration und – wie es in der Sprache der Jugendhilfe heißt – Förderung junger Menschen in ihrer Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Vor diesem Hintergrund haben Jugendhilfe und Schule unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und unterschiedliche Handlungsaufträge entwickelt. Jugendhilfe und Schule sind, neben der Familie, die für einen gelingenden Lebensweg von Kindern und Jugendlichen entscheidenden Institutionen. Sie tragen die öffentliche Verantwortung für das Aufwachsen der jungen Generation. Sie sind aufgefordert, institutionelle Grenzen zu überwinden und die Potentiale und das Engagement ihrer pädagogischen Fachkräfte für die Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben zu nutzen und eine Kultur der Anerkennung der unterschiedlichen Professionen zu etablieren. Einige dieser Aufgaben sind im Folgenden skizziert.

Gerechtigkeit

Eine Gesellschaft wird vor allem daran gemessen, in welchem Maße die Menschen Gerechtigkeit erfahren. Jugendhilfe und Schule sind die ersten Institutionen, in denen Kinder erleben, wie die Gesellschaft mit ihnen umgeht. Haben sie gleiche Chancen auf Zugang zu Bildung und Erziehung? Werden Unterschiede gemacht aufgrund von Herkunft, von Begabungen oder Handicaps? Bildung war und ist immer auch eine „soziale Frage“. Wer jungen Menschen Teilhabe verwehrt, gefährdet den Zusammenhalt der Gesellschaft.

Kultur der Anerkennung

Die Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule soll auch dazu beitragen, ein neues pädagogisches Konzept zu entwickeln. In diesem Konzept ist von besonderer Bedeutung, Kinder in ihrem Lernen und in ihrer persönlichen Entwicklung durch eine „Pädagogik der Anerkennung“ zu fördern. Oftmals werden Bildungsleistungen zu stark unter dem Gesichtspunkt bewertet, was der einzelne Jugendliche (noch) nicht kann. Bildungsförderung in einem ganzheitlichen Konzept betont hingegen die Ressourcen der Kinder und entwickelt gemeinsam mit ihnen Perspektiven für ihren Bildungsweg.

Förderung

Durch eine abgestimmte soziale, emotionale und kognitive Förderung muss es gelingen, dass kein Kind und kein Jugendlicher zurückbleibt. Die Vielfalt der Begabungen muss dabei ebenso gesehen werden wie die Risiken und Benachteiligungen, denen viele Kinder und Jugendliche ausgesetzt sind. Oberstes Gebot ist, soziale Ausgrenzung zu vermeiden und jedes Kind und jeden Jugendlichen individuell und optimal zu fördern. Das Scheitern eines Kindes bzw. Jugendlichen auf seinem Bildungsweg ist zugleich ein Scheitern aller Beteiligten, wie Eltern, Jugendhilfe und Schule.

Demokratie

Partizipation von Kindern und Jugendlichen und deren Eltern ist als zentrales Gestaltungsprinzip für Jugendhilfe und Schule von hohem Wert. Demokratische Beteiligung ist das Leitprinzip für die innere Gestaltung aller Angebote. Demokratie ist kein Anspruch, den Jugendhilfe und Schule an die Gesellschaft richten, er muss sich im Inneren verwirklichen. Demokratie und Beteiligung meint auch Respekt und Wertschätzung, Fürsorge und Rücksichtnahme, Gerechtigkeit und Gleichheit. Dies nicht als abstrakte Leitsätze oder Projektziele, sondern fest verankert in der Alltagskultur einer jeden Einrichtung. Demokratie ist keine abstrakte Staatsform, sondern muss erlebbar sein und erlernt werden. Kinder und Jugendliche müssen erleben und erfahren, dass sie gebraucht werden. So sollen Entscheidungen, die die Kinder und Jugendlichen betreffen, von allen Akteuren gemeinsam getroffen werden.

Humanität

Jugendhilfe und Schule fördern die Eigenaktivität und Selbstbestimmtheit von Kindern und Jugendlichen. Ihre Kooperation muss dazu beitragen, Separatismus und Ausgrenzung zu verhindern. Es sollte ein Einverständnis darüber bestehen, dass friedliches Miteinander in kultureller Vielfalt nicht nur hinnehmbar, sondern die Zukunft unserer zivilen Gesellschaft ist.

Zeit

Jugendhilfe und Schule stehen vor der Aufgabe, für ihre Angebote einen neuen Umgang mit Zeit zu entwerfen. Durch ihre Kooperation sind Jugendhilfe und Schule in der Lage, das Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungswesen so umzugestalten, dass der Tagesablauf in flexible Rhythmen gegliedert werden kann, dass Bildungszeiten individueller und freier gestaltbar sind, dass versäumte (Bildungs-) Zeit nachgeholt werden kann. Dazu müssen Jugendhilfe und Schule für die einzelnen Entwicklungsphasen die verschiedensten Methoden und Modelle entwickeln. Wichtig ist, dass jede Bildungszeit ihren Wert bekommt und auf das Erreichen von Bildungsabschlüssen angerechnet wird.

Eltern

Jugendhilfe und Schule müssen immer darauf achten, dass die Eltern sich aktiv in das Bildungsgeschehen und die institutionelle Erziehung der Kinder und Jugendlichen einbringen. Dabei ist es auch wichtig, Familien bedarfsorientierte und verlässliche Angebote zu machen, z.B. mit flexiblen Öffnungszeiten und in den Schulferien.

Übergänge

Besondere Bedeutung hat eine gute Kooperation von Jugendhilfe und Schule immer dann, wenn bei Kindern und Jugendlichen biografisch ein Übergang in eine neue Lebensphase ansteht. So sollte es möglich sein, ein System zu entwickeln, wie Kindern, nach beispielsweise einem guten Start in einer Kindertagesstätte, auch in der Grundschule ein qualifiziertes, ganztags zur Verfügung stehendes Angebot von Bildung, Betreuung und Erziehung gemacht werden kann. Von großer Bedeutung ist auch der Übergang nach der Schule in die Berufsausbildung und die Arbeitswelt.


Qualifikation der Pädagoginnen und Pädagogen

Die Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule braucht professionelle Kompetenz. Bislang sind die Fachkräfte der jeweiligen Systeme nur für das spezifische Aufgabenfeld ausgebildet. Es ist notwendig, dass allen Pädagoginnen und Pädagogen in Aus- und Fortbildung Kenntnisse der Strukturen und der Pädagogik beider Bereiche vermittelt werden. Das kann in Seminaren und Tagungen geschehen, aber auch durch gegenseitige Hospitationen. Für die Zukunft ist es sinnvoll, das erziehungswissenschaftliche Studium für beide Systeme auf eine gemeinsame Basis zu stellen. 


3. KOOPERATION BRAUCHT FORMEN

Das Spektrum von Kooperationsmöglichkeiten ist breit. So können auf der Seite der Schule alle Schulen mit allen ihren Aufgaben und Arbeitsbereichen beteiligt sein, auf der Seite der Jugendhilfe ebenfalls alle Leistungsbereiche mit allen ihren Arbeitsformen und Angeboten. Im Folgenden werden vorhandene Kooperationsformen von Jugendhilfe und Schule skizziert.

Regionale Bildungslandschaften auf kommunaler Ebene

Um das Zusammenspiel von Jugendhilfe und Schule in einer Kommune besser zu koordinieren und ein aufeinander abgestimmtes Angebot im kommunalen Raum entwickeln zu können, das regionale Unterschiede ausgleicht und für alle Kinder und Jugendlichen zugänglich und nutzbar ist, ist eine Kooperation auf kommunaler Ebene zwischen beiden Bereichen unverzichtbar. Diese Kooperation kann in unterschiedlichen Formen erfolgen. Beispiele sind die Zusammenarbeit zwischen kommunalem Schulverwaltungsamt und Jugendamt, beispielsweise in Form gemeinsamer Sitzungen von Schul- und Jugendhilfeausschüssen, die Beratung von Bildungsthemen und Kooperationsformen im Jugendhilfeausschuss (in dem Schule in der Regel beratend vertreten ist) oder integrierte Schulentwicklungs- und Jugendhilfeplanung. Ein wichtiges Instrument, um diese Kooperation so gestalten zu können, dass Disparitäten minimiert und spezifische Problemlagen wie z.B. Schulabsentismus frühzeitig erkannt werden, stellen kommunale Bildungsberichte dar, an denen Jugendhilfe und Schule beteiligt sind.

Kooperation Kita – Grundschule 

Tageseinrichtungen für Kinder sind gesetzlich zur Zusammenarbeit mit den Schulen verpflichtet. Allen Kindern soll ein guter Übergang in die Schule geebnet werden.

Die Länder haben die Kooperation für den Bereich der Schulen bisher nicht flächendeckend verpflichtend geregelt. Der Wechsel von der Tageseinrichtung für Kinder in die Grundschule ist wegen der unterschiedlichen Systeme und den daraus folgenden unterschiedlichen pädagogischen Ansätzen bei der Umsetzung des Bildungsauftrags nach wie vor für viele Kinder (und deren Eltern) mit Unsicherheiten verbunden.

Die gemeinsam verantwortete Gestaltung und Flexibilisierung von Übergängen ist eine notwendige Aufgabe. Das Erkennen individueller Ausgangslagen und die Unterstützung individueller Bildungs- und Lernbiographien stehen im Mittelpunkt gelingender Kooperation zwischen Kita und Grundschule. Sinnvoll ist, gemeinsam eine Konzeption zur Gestaltung des Übergangs zu entwickeln. Jugendhilfeangebote an der Schule

(1) Dienstleistungen der Jugendhilfe
Bei dieser Form der Kooperation bietet die Jugendhilfe Schulen ein Dienstleistungsangebot an, das inhaltlich, zeitlich und räumlich klar bestimmt und organisiert ist. In der Regel sind diese Angebote in ihrer Reichweite eher begrenzt. Es handelt sich vorwiegend um Dienstleistungsangebote für einen bestimmten Aufgabenbereich. Beispiele für diese Form der Kooperation sind Kurse von Einrichtungen und Trägern der Jugendhilfe an einer Schule und regelmäßige Sprechstunden für Beratung oder Projekte in der Schule im Rahmen der Schulsozialarbeit.

(2) Gemeinsame Projekte von Jugendhilfe und Schule
Gemeinsame Projekte unterscheiden sich von „reinen“ Dienstleistungsangeboten vor allem durch eine gemeinsame Planung und Durchführung der Beteiligten in Jugendhilfe und Schule. Diese Form der Kooperation ist sowohl in Bezug auf den Unterricht als auch auf die Gestaltung außerunterrichtlicher Angebote möglich. Die Zusammenarbeit bleibt in der Regel zeitlich auf die Planung, Durchführung und Auswertung des Projektes begrenzt. Jugendhilfe und Schule bringen in diese gemeinsamen Projekte ihre spezifischen fachlichen Zugänge und Methoden ein. Auf diese Weise kann das Bildungsangebot der Schule erweitert werden. Beispiele für diese Form der Kooperation können sein: gemeinsame stadtteilbezogene Aktionen im Jugendhaus mit Beteiligung der Schule oder gemeinsame Fortbildungen in Mediation für Lehrkräfte und Fachkräfte der Jugendhilfe.

Trägerschaft für die nichtschulischen Angebote an einer Ganztagsschule

An vielen offenen Ganztagsschulen wird das nichtschulische Angebot (z.Z. noch oft in Form von Nachmittagsangeboten praktiziert) von einem außerschulischen Träger durchgeführt. Übernehmen auf diese Weise Einrichtungen und Träger der Jugendhilfe die Federführung für das nichtschulische Angebot einer Ganztagsschule, sind sie in Zusammenarbeit mit der Schulleitung für die Gestaltung des beispielsweise gesamten Nachmittagsbereichs vom Mittagessen über die Hausaufgabenbetreuung bis hin zu Freizeitangeboten zuständig. Der Träger kann auch andere Einrichtungen und Personen an der Gestaltung und Durchführung des Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangebots beteiligen.

Von besonderer Bedeutung für eine erfolgreiche Förderung und Betreuung der Schülerinnen und Schüler ist die Abstimmung der nichtschulischen Angebote mit den unterrichtlichen Inhalten. Erforderlich ist deshalb eine enge Kooperation zwischen der Schulleitung und der Leitung des für das nichtschulische Angebote zuständigen Trägers der Jugendhilfe sowie zwischen Lehrkräften und dem tätigen Fachpersonal der Jugendhilfe.

Viele Einrichtungen und Träger der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit kooperieren auf diese Weise mit Schulen. Als Beispiel für diese Form der Kooperation kann aber auch die Zusammenarbeit einer Grundschule mit einem benachbarten Hort genannt werden.

Kooperation Hort – Schule

Das Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ sieht neben der Förderung von Ganztagsschulen auch Kooperationsmodelle zwischen Hort und Schule als förderfähig an. Die Kooperation zwischen Hort und Schule ist unabhängig von der vorliegenden Struktur (Tageseinrichtung für schulpflichtige Kinder, Hort an der Schule, Schulhort) in der Regel mindestens im Bereich der Hausaufgabenbetreuung vorzufinden.

Im Sinne einer gemeinsamen Konzeptionsentwicklung von Schule und Hort ist neben gemeinsamer Entwicklung und Durchführung von Projekten auch die wechselseitige Nutzung von Räumlichkeiten denkbar. Kooperation, die individuelle Bildungsprozesse von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt stellt, nutzt die Chance der Multiprofessionalität, die durch die Kooperation zwischen Lehrerinnen und Lehrern und Fachkräften der Jugendhilfe entsteht. Freizeit und nicht verplante Zeit, elementare konzeptionelle Bestandteile des Hortes, können auf diese Weise zu einer gemeinsam verantworteten Ganztagspädagogik entwickelt werden.

Mitwirkung der Jugendhilfe an der Konzeptentwicklung einer Ganztagsschule

Weiterreichende Möglichkeiten der Abstimmung der Angebote und der Gestaltung von Ganztagsschulen in Kooperation mit der Jugendhilfe bietet eine Mitwirkung der Jugendhilfe an der Erstellung des Konzepts der Ganztagsschule. Wird bereits in der Planungsphase von Vertreterinnen und Vertretern der Schule und der außerschulischen Träger gemeinsam eine Konzeption erarbeitet, kann ein Angebot aus einer Hand entwickelt werden, in dem unterschiedliche Vorstellungen und Arbeitsformen in einem aufeinander abgestimmten Gesamtkonzept integriert werden können. Diese Entwicklung eines Konzepts der Kooperation von Jugendhilfe und Schule kann die Erarbeitung gemeinsamer Leitziele, die Planung des Tagesablaufs und der organisatorischen Strukturen sowie eine Verständigung über Angebote und Arbeitsformen umfassen und so auch auf die Raumplanung der Ganztagsschule Einfluss nehmen.

Sozialraumbezogene Formen der Kooperation

Kooperationen in sozialraumbezogenen Netzwerken gehen über bilaterale Formen der Zusammenarbeit hinaus und eröffnen Möglichkeiten der Kooperation mehrerer Schulen, Einrichtungen und Trägern der Jugendhilfe sowie anderer Institutionen in Bezug auf einen Stadtteil, eine Stadt oder einen Landkreis. Insbesondere stadtteilbezogene Kooperationen ermöglichen eine engere Abstimmung der Angebote und Dienstleistungen vor Ort. Durch sozialraumbezogene Formen der Kooperation können Schulen und Einrichtungen und Träger der Jugendhilfe sich wechselseitig ergänzen und unterstützen, sie können gemeinsame Arbeitsschwerpunkte und Handlungsfelder bestimmen und durch diese Form der Zusammenarbeit dazu beitragen, die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen zu gestalten.


4. ERMÖGLICHUNGSSTRUKTUREN UND UMSETZUNGSSCHRITTE

DER RAHMEN

Die Verzahnung der Angebote und insbesondere die Gestaltung von Schnittstellen in Jugendhilfe und Schule haben schon begonnen. Die Herausbildung eines Gesamtzusammenhangs von Bildung, Betreuung und Erziehung ist allerdings ein Mehrjahreswerk, das (teilweise) getrennte Traditionen und strukturelle Unterschiede von Jugendhilfe und Schule klug aufnehmen und vorsichtig transformieren sollte.

Vor allem unter den Gesichtspunkten der pädagogischen Entwicklungsperspektive und des nachhaltigen Einsatzes von finanziellen Mitteln, personellen Kräften und fachlichen Kompetenzen braucht eine Kooperation von Jugendhilfe und Schule tragende Strukturen. Damit soll verhindert werden, dass die einzelnen Fachkräfte und Einrichtungen vor Ort die immergleichen Herausforderungen je neu und auf sich allein gestellt bewältigen müssen.

Die Festschreibung einer Kooperation von Jugendhilfe und Schule in Landesgesetzen, Empfehlungen und Förderrichtlinien, Geschäftsverteilungsplänen und Stellenbeschreibungen, Konzepten und Schulprogrammen kann hier als wichtige Grundlage für die kreative standortspezifische Entwicklung dienen. Sowohl Länder als auch Kommunen, sowohl Träger der Jugendhilfe als auch Schulen, sowohl Steuerungs- und Leitungskräfte in Ämtern und Verbänden als auch die unmittelbare Handlungsebene werden in diesem Prozess gefordert.

Auf Landesebene sind verbindliche Rahmenvereinbarungen notwendig, beispielsweise in Form eines „Landesaktionsplan Jugendhilfe - Schule“, in dem Grundsätze der Zusammenarbeit sowie fachliche Standards zwischen relevanten Beteiligten definiert werden. Einige zentrale strukturierende Kriterien könnten dabei sein: 

  • Fünfjahresvision: Welches Bild leitet uns?
  • Richtungs- und Wirkungsziele: Wo wollen wir hin? Wer ist beteiligt? Was soll konkret erreicht werden?
  • Maßnahmeplanung: Wer soll mit wem bis wann, was und wie bewirken?
  • Steuerungsverantwortung: Wer verantwortet wem gegenüber welche Schritte? 
  • Ressourcenzuweisung: Welche politischen, administrativen, finanziellen und personellen Voraussetzungen sind unabdingbar und wie werden diese geschaffen?
  • Auswertungsprozedere: Was sind die Indikatoren und Foren der Ergebniskontrolle?

Zudem gilt es, auf Landesebene organisatorische und administrative Regularien (u.a. durch den Einbezug der kommunalen Spitzenverbände, der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege und der Landesjugendringe) für eine Kooperation von Jugendhilfe und Schule zu schaffen. Solche Regularien sollten vor Ort weitgehende Handlungssicherheit und Zeitersparnis zu praktischen Fragen wie beispielsweise dem Hausmeistereinsatz, der Nutzung der sächlichen schulischen Infrastruktur, Versicherung und Haftung sowie den Schülerinnen- und Schülertransport enthalten.

Nicht überall werden sofort weitreichende Verabredungen angestrebt bzw. zu erzielen sein. Deshalb bleibt es auf dem Weg zu einer „Kooperationskultur“ sowohl auf Länder- als auch auf kommunaler Ebene unerlässlich, für eine Kooperationen von Jugendhilfe und Schule zu werben und zunächst weitere Beispiele nützlicher Zusammenarbeit zu schaffen. Das beinhaltet u.a.:

  • Abstimmungs- und Verzahnungsnotwendigkeit von Jugendhilfe und Schule im Interesse junger Menschen und Familien stetig ins Bewusstsein rücken
  • Wissen über die gesetzlichen Grundlagen, Aufträge, Aufgaben und Selbstverständnisse bei den Komplementärpartnern verbessern
  • Sozialräumliche Projekte zwischen Jugendhilfe und Schulen mehren
  • Netzwerke auf der Träger- und Akteursebene anstoßen
  • Gelingende Praxis bekannt machen.

Die Kommune sollte eine Koordinierungsfunktion bei der Planung und Steuerung der Kooperation zwischen Jugendämtern, Trägern der freien Jugendhilfe, kommunalen Schulämtern (in enger Abstimmung mit den staatlichen Schulämtern) und Schulträgern sowie zwischen Schulentwicklungs- und Jugendhilfeplanung einnehmen. Orte der Kommunikation, verbindende Leitbilder und Zielvereinbarungen, Fortbildungs- und Vernetzungsforen sind auch auf lokaler und regionaler Ebene zu schaffen. Damit können Kinder und Jugendliche, Eltern und auch die freien Träger der Jugendhilfe aktiviert und eingebunden werden.


KOMMUNALE STEUERUNG

Die Etablierung einer Kooperation von Jugendhilfe und Schule auf der kommunalen Ebene erfordert neben strukturellen Veränderungen auch die Beachtung einiger grundsätzlicher Verfahrens- und Koordinationsregeln.

Während die methodische Schrittfolge zur Gestaltung einer Kooperation unstrittig scheint, werden Vorschläge zur konkreten strukturellen Umsetzung fachpolitisch häufig kontrovers diskutiert. Zwar liegen für viele Strukturformen in einzelnen Kommunen zum Teil langjährige Erfahrungswerte vor, dennoch können auch aus wissenschaftlicher Sicht derzeit keine begründeten Empfehlungen für einzelne Institutionalisierungsformen formuliert werden. Die im Folgenden benannten Kooperations- und Steuerungsformen sollen daher lediglich ein Spektrum an Möglichkeiten verdeutlichen, ohne damit eine konkrete Umsetzungsempfehlung zu verbinden; es ist ohnehin mehr als zweifelhaft, dass es angesichts der Vielfalt von Lebensformen, der sozial-strukturellen Disparitäten und der regionalen politischen Kulturen eine passende Kooperations- und Steuerungsform für alle Kommunen geben kann.

Orte der Kommunikation schaffen

Bisher verfügen Jugendhilfe und Schule über keine festgelegten Orte organisierter Begegnung, an denen die unterschiedlichen Perspektiven und Interessen zusammengeführt werden, obgleich in einer Reihe von Kommunen Erfahrungen mit entsprechenden Strukturen gemacht werden. Das Spektrum reicht hierbei von der flächendeckenden Einrichtung regelmäßig tagender, inter-institutionell zusammengesetzter Beratungsteams an Schulen mit dem Ziel der Erarbeitung passgenauer und möglichst niedrigschwelliger Einzelfallhilfen über Clearingstellen als Anlaufstellen für die Praktikerinnen und Praktiker bei vorliegendem Kooperationsbedarf bis hin zur Etablierung kommunaler Wirksamkeitsdialoge zwischen Ämtern und Einrichtungen als Instrumente der Qualitätsentwicklung und der Konstitution gemeinsamer Lenkungs- und Steuerungsgruppen.

Ausgangssituation analysieren

Kommunen verfügen aufgrund der getrennten und unzureichend aufeinander abgestimmten Datenerhebungs- und Planungsprozesse häufig nicht über das zur Schaffung eines Gesamtzusammenhangs von Bildung, Betreuung und Erziehung notwendige Steuerungswissen. Erste Schritte zu einer integrierten Bildungs- und Sozialberichterstattung können auch auf kommunaler Ebene gegangen werden, auch wenn es in diesem Fall in besonders hohem Maße veränderter bundes- und landesrechtlicher Rahmenbedingungen bedarf. Mit der Umstellung der Kinder- und Jugendhilfestatistik sowie des Kerndatensatzes der Schulstatistik auf eine Individualdatenbasis wurde dies bereits ansatzweise vorgenommen. Kommunale Datenerhebungen könnten die Umsetzung fachlich und methodisch anspruchsvoller Berichtssysteme etwa in den Bereichen Schulabsentismus, Bildungsbeteiligung benachteiligter Sozialgruppen (z.B. von Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund), Zahl der ganztägig betreuten Kinder und Jugendlichen in Tageseinrichtungen und Ganztagsschulen umfassen. Darüber hinaus könnte der Ressourceneinsatz, das inhaltliche Spektrum kooperativer Bildungsangebote sowie die Entwicklung der Bildungsbeteiligung bei ehrenamtlichem Engagement in Vereinen und Verbänden, bei Betriebspraktika etc. erfasst werden.

Sparten- und ressortübergreifendes Leitbild entwickeln

Soweit eine kommunale Leitbildentwicklung als sinnvoll erachtet wird, sollte sie die Kinder und Jugendlichen, Eltern und ihre Bildungs- und Teilhabeansprüche im Nahraum in den Mittelpunkt stellen und zudem mit der Formulierung bereichsübergreifender Qualitätskriterien verknüpft werden. In den Prozess der Leitbilderstellung sollten im Rahmen eines breiten Beteiligungsverfahrens (z.B. „Runde Tische“) neben den zuständigen Ämtern und Dezernaten auch das Staatliche Schulamt, Vertreter der Träger der freien Jugendhilfe sowie Eltern- und Schülerinnen- und Schülervertretung und die Schulleitungsebene in geeigneter Form einbezogen werden. Die auf Arbeitsebene erstellte Beschlussvorlage muss dann im Rahmen einer Amtsleiterkonferenz und später auch auf Ausschuss-, Dezernats- sowie Magistrats- bzw. Kreisausschussebene ratifiziert werden, wobei ein parteiübergreifender Konsens anzustreben ist.

Sich über prioritäre Vernetzungsbereiche und -ziele verständigen

Die in der jeweiligen Kommune prioritären Kooperationsfelder und -ziele können in regionalen Diskursen („Runde Tische“, Anhörungen, Fachtagungen und -konferenzen etc.) herausgearbeitet werden. Neben den

  • bildungsbiographischen Schnittstellen (Familie - Krippe/Kita; Kita/Grundschule; Sek1-Schulformwahl, Schule - Ausbildung/Beruf), sind hier
  • zielgruppenspezifische Ansätze (z.B. Benachteiligten- und Begabtenförderung; Integration von Kindern mit Migrationshintergrund; Ansätze der Mädchen- und Jungenarbeit, der Förderung von Kindern mit Lernschwächen und Verhaltensauffälligkeiten; Integration behinderter Kinder),
  • die Gestaltung hochschwelliger Einzelhilfen (Hilfen zur Erziehung, Integration von Kindern mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf in die allgemein bildenden Schulen),
  • sowie die Entwicklung und Ausgestaltung konkreter Vernetzungsstrukturen (z.B. Schulsozialarbeit, sonderpädagogische Beratungs- und Förderzentren, Quartiersmanagement, Koordinations- und Servicestellen, kommunale Bildungsbüros)

in den Blick zu nehmen.


Die möglichen bildungsplanerischen und pädagogischen Vernetzungsziele umfassen Bereiche wie

  • die individuelle Förderung aller Kinder und Jugendlichen in vermehrt sozialschicht-, altersgruppen- und problemheterogenen Lern- und Spielgruppen,
  • die Verknüpfung unterschiedlicher formaler und non-formaler Lernorte und Bildungsangebote (z.B. Verknüpfung von Kita und Familienbildung etwa im Rahmen von Familienzentren; Schaffung von Verbindungen zwischen Unterricht und außerunterrichtlichen Angeboten im Ganztag sowie dem freiwilligen Engagement in Vereinen, Verbänden etc.),
  • die infrastrukturelle Gestaltung anregender Lern- und Lebensumgebungen als Gelegenheitsstrukturen im kommunalen Raum für pädagogisch nicht-„vorprogrammiertes“ informelles Lernen, z.B. im Zuge des Abbaues (straßen-)baulicher Barrieren zwischen den Sozialräumen, durch gezielte Schaffung kind- und jugendgerechter Angebote, etwa im Bereich Museen, Theater und Volkshochschulen, sowie durch den gezielten Ausbau öffentlicher Nahverkehrskapazitäten für Gruppen und Klassen, die solche und andere außerschulischen Lernorte aufsuchen wollen.

Die Verständigung über thematische Bereiche sollte sich ebenso wie die konkrete Koordinationsarbeit selbst in öffentlich verantworteten Netzwerkstrukturen vollziehen um nicht zu sehr vom Engagement einzelner Personen abhängig zu sein; es bedarf also hauptamtlicher Vernetzungsbeauftragter ohne andere Aufgabenbereiche, wobei „öffentlich verantwortet“ nicht zwangsläufig die Einbindung in die Ämterstrukturen bedeuten muss; eine Option ist auch die Delegation dieser Aufgabe an einen freien Träger der Jugendhilfe.

Personalplanung

Wenn Kooperation und Vernetzung zum Kernauftrag in den Systemen Jugendhilfe und Bildung erklärt werden, so hat dies Folgen für die Personalplanung: Kooperationsbeauftragte sind zu bestimmen, Geschäfte müssen verteilt, Zeitbudgets neu geschnitten, Stellenbeschreibungen verändert, gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen (etwa Kooperationstrainings und Netzwerkbildung) aufgelegt werden. 

Diese methodische Schrittfolge der Etablierung einer Kooperation von Jugendhilfe und Schule auf kommunaler Ebene muss als breiter Beteiligungs-, politischer Aushandlungs- und Konsensfindungsprozess angelegt werden. Sie darf nicht als isoliertes administratives Planungsvorhaben implementiert werden. Erst auf der Basis einer möglichst breit getragenen „Vision“, wie eine Kooperation von Jugendhilfe und Schule sein und in welchen Handlungsfeldern sie sich ereignen soll, sind dann detaillierte regionale Rahmenkonzepte (zum Beispiel zum Einsatz der Jugendhilfe im Rahmen von Ganztagsangeboten, zur integrierten Förderung, zur Schulsozialarbeit etc.) mit Aussagen zu bereichsspezifischen Qualitätsstandards zu entwickeln.

Der administrative Kontext und Zuschnitt dieser konkreten Planungsprozesse wird ebenfalls fachpolitisch kontrovers diskutiert: Diskussionspunkte sind dabei einerseits die Frage der Kommunalisierung und Eigenverantwortlichkeit von Schule sowie die Integration von äußerer und innerer Schulträgerschaft und andererseits Vor- und Nachteile einer möglichen Zusammenlegung von Dezernaten, Schul- und Jugendämtern sowie Schul- und Jugendhilfeausschüssen.

Aus Sicht der AGJ müssen Städte und Gemeinden mehr Zuständigkeiten und Ressourcen zur Gestaltung einer kommunalen Bildungslandschaft übertragen bekommen. Dazu gehört dann konsequenter Weise auch eine weitgehende Kommunalisierung des Schulwesens.

Abzulehnen ist dagegen eine durchgehende Zusammenlegung von Jugendhilfe- und Schulausschuss. Bei einer Zusammenlegung des Jugendhilfeausschusses mit anderen Ausschüssen, etwa dem Schulausschuss, wird die Identität des Jugendhilfeausschusses aufgegeben und die Stellung der freien Jugendhilfe entscheidend geschwächt.

Das gemeinsame Ziel einer systembezogenen Kooperation von Jugendhilfe und Schule kann auch auf der Basis klar getrennter institutioneller Zuständigkeiten erreicht werden. Dafür sprechen die unterschiedlichen Organisationskulturen und -routinen und die unterschiedliche Handlungsmächtigkeit der beiden Systeme.

Finanzierungsinstrumente

Ähnlich gelagerte Diskussionen ergeben sich bei der Frage nach möglichen Finanzierungsinstrumenten im Bereich der Kooperation von Jugendhilfe und Schule. Dabei ist vor allem der Sinn von „Mischfinanzierungen“ umstritten. Auch in der Finanzierungsfrage dürfte sich aber ein Konsens darüber erzielen lassen, dass beispielsweise erweiterte Budgetierungsspielräume auf der Ebene der Einzelschulen, Sozialraumbudgets im Bereich der Jugendhilfe sowie eine angemessene Öffnung von Zweckbindungen der Mittel sinnvolle Instrumente sein könnten. Sie könnten dazu beitragen den Einsatz von Sach- und Personalressourcen im jeweils anderen Bereich zu befördern. Die Diskussion sollte sich in diesem Bereich weniger auf einzelne Instrumente fixieren und eher die Gestaltung der finanziellen Rahmenbedingungen als Ganzes in den Blick nehmen.

Zu beachten ist jedoch, dass bei Einsatz all dieser Instrumente sichergestellt werden muss, dass die Haushalte für die außerschulischen Angebote und Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe erhalten bleiben.

Beteiligung

Die kommunale Steuerung von Kooperation darf nicht als ein rein administrativer Planungsprozess gedacht werden. Eine kommunale Steuerung von Kooperation setzt breite Beteiligungsprozesse, nicht nur von Institutionen und Einrichtungen, sondern auch und vor allem von Kindern, Jugendlichen und Eltern voraus. Die primäre Fragestellung lautet demnach nicht „Wie können sehr unterschiedliche Institutionen reibungsloser zusammenarbeiten?“, sie lautet vielmehr „Was brauchen junge Menschen, um ihr Leben erfolgreich zu meistern?“. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule beinhaltet dabei nicht nur ein erweitertes Bildungsverständnis, welches neben der formalen Bildung auch die stärker auf Partizipation, Selbstorganisation und Lernen in Situationen mit Ernstcharakter ausgerichteten sozialpädagogischen Ansätze umfasst, sondern darüber hinaus auch die Evaluation und kontinuierliche Qualitätsentwicklung von Kooperationsformen. Die breit vernetzte, partizipativ entwickelte und öffentlich verantwortete Gestaltung regionaler Bildungslandschaften mit dem Kernstück einer systembezogenen lokalen Bildungs- und Sozialplanung steht somit immer im Dienst der Schaffung verbesserter Lebensbedingungen für Kinder, Jugendliche und deren Familien.

JUGENDHILFE UND SCHULE VOR ORT

Mit der Stärkung der Eigenverantwortlichkeit von Schulen und umfeldbezogenen Öffnungskonzepten erhalten Schulen erweiterte Gestaltungsräume. Damit müssen sie notwendige Leistungen für Kinder und Jugendliche nicht mehr allein erbringen, sondern können auf Ressourcen im schulischen Umfeld zurückgreifen. Themen der Vor-Ort-Kooperation sind vielfältig.

Einige Beispiele:

Alle Kinder und Jugendlichen könnten profitieren, wenn Jugendhilfe und Schule sich für Beteiligungsprojekte an kommunalen Themen stark machen: Raumplanung, Kinder- und Jugendparlament, die Übernahme von Mitverantwortung für Grünflächen, eine „Eventkultur“, einen Shuttleservice oder ein Stromsparprogramm – hier können Verbindungen zwischen Curriculum und Unterricht, Prinzipien wie Aktivierung und Initiative von Mädchen und Jungen und realer Bedürfnisbefriedigung junger Menschen entstehen.
Jugendhilfe und Schule könnten sich gemeinsam darauf verständigen, dass jeder junge Mensch im schulischen Rahmen eine geschlechtsdifferenziert durchgeführte Woche zur Lebensplanung und vor dem Übergang in die Ausbildung eine Potenzialanalyse am Ort Jugendberufshilfe, Fachhochschule, Unternehmen durchläuft.

Besondere Zielgruppen wie etwa Schülerinnen und Schüler oder junge Menschen mit Migrationshintergrund könnten besondere Übergangshilfen erhalten, die  aufsuchend, verlässlich und institutionsübergreifend angelegt sind.

Schuldistanz und Schulabbrüche zu vermindern könnte ebenfalls ein Thema sein, an dem Schule und Jugendhilfe sich zu einem abgestimmten präventiven und interventiven Leistungsangebot verständigen.

Kinder und Jugendliche mit besonderem schulischen Förder- sowie darüber hinausgehendem Hilfebedarf werden vor allem von solcher Unterstützung profitieren, die Hand in Hand angelegt ist. Kinder nehmen ihren Alltag und auch ihre Probleme fließend und verknüpft wahr. Kinder und Jugendliche erleben sich ganz und nicht in Sparten und Sektionen. Wechselwirkungen zwischen Lebensfeldern sind die Regel. Leistungserfolge, persönliche Lebenslagen und soziales Können sind in vielerlei Weise verschränkt und voneinander abhängig. Es dürfte für die Kinder und Jugendlichen hilfreich sein, Verhaltensmuster dort einzuüben und Begleitung zu erfahren, wo Probleme entstehen und Störungen mit Ausgrenzungsgefahren auftreten – in der Schule. Auch hier sind Haltungen und Methoden der Jugendhilfe eine eigenwertige, unverzichtbare Anreicherung im Interesse ganzheitlicher Unterstützung.
Folgende Schritte könnten für die Vor-Ort-Kooperation zielführend sein:

1. In einem ersten Schritt sollten außerschulische Partnerinnen bzw. Partner und Schule je für sich Klärungen herbeiführen: Was wollen Jugendhilfe und Schule? Was kann z.B. Schule aus sich heraus nicht leisten und wofür wünscht sie Anreicherung? Welche Werte, Motive und Interessen verbinden die Partnerinnen und Partner mit dem Vorhaben? Was erwarten sie als Gewinn? Welche Ergebnisse streben sie an? Welche Vorstellungen über Kooperation bestehen? Zur Beantwortung solcher Fragen müssen u.a. Wahrnehmungen im Lehrerkollegium zusammengetragen werden und konzeptionelle Überlegungen angestellt werden: Welche Schule wollen wir sein? Weshalb sollen Kinder und Jugendliche gerne zu uns kommen bzw. wie können alle Schülerinnen und Schüler bei uns erfolgreich und lebensbedeutsam lernen?

2. In einem zweiten Schritt sollte ein Verständigungsprozess über die Motivationen der Partnerinnen und Partner, sich für ein Kooperationsvorhaben zu interessieren, beginnen. Wenn in einer Begegnung vertieftes Interesse und Vertrauen entsteht, müssen die Kooperationspartnerinnen und -partner aushandeln, ob ihre Erwartungen und Zugänge miteinander vereinbar sind. Zu beachten sind dabei die unterschiedlichen Organisationsstrukturen und Handlungsabläufe im Jugendhilfebereich und im schulischen Bereich. Wenn Möglichkeiten und Grenzen, Ziele und Arbeitsweisen hinreichend geklärt sind, kann das zu entwickelnde Kooperationsvorhaben Gestalt annehmen. Die Einrichtung einer Projektgruppe mit Schul-, Einrichtungs- und Trägervertreterinnen und -vertretern, erweist sich oft als sinnvoll.

3. In einem dritten Schritt kann das Vorhaben geplant bzw. hinsichtlich der Umsetzung konkretisiert werden. Alle Akteure wie z.B. die Fachkräfte der Jugendhilfe, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler müssen in geeigneter Weise eingebunden werden. Räumliche, finanzielle, organisatorische und personelle Bedingungen gilt es zu klären. Neben inhaltlichen Abstimmungen sind Regelungen zu treffen zu Versicherung und Haftung, Fach- und Dienstaufsicht, An- und Abmeldeverfahren, Erhebung, Buchung und Verwendung von Elternbeiträgen, Hausmeistereinsatz, Telefonnutzung, Heizung, Schließbefugnis etc..

4. In einem vierten Schritt werden in einer Vereinbarung die Ziele so konkret wie möglich festgelegt, Aufgaben beschrieben, Zuständigkeiten verabredet und Erfolgskriterien bestimmt.

5. Der fünfte Schritt beinhaltet dann die Festlegung einer gemeinsame Reflexion und Auswertung der Kooperation.

Insgesamt wird die Jugendhilfe diese Angebote nur zum Teil aus ihren derzeit verfügbaren Ressourcen bestreiten können. Die Kooperation von Jugendhilfe und Schule braucht auch eine ausgebaute Budgetverantwortung an der Einzelschule, die damit Gestaltungsmittel gewinnt.

Günstig ist es, projektförmig an einer Stelle zu beginnen (Angebote zwischen Einzelschule und Träger der Jugendhilfe), dabei aber schrittweise die übergreifenden Kooperationsbedingungen und -ziele mit zu entwickeln.
Einige förderliche Bedingungen für Kooperationen auf sozialräumlicher Ebene können sein:

  • Nähe von Träger der Jugendhilfe und Schule; gemeinsames Einzugsgebiet (kurze Wege)
  • exemplarische Aufbauarbeit von einer Schule und einem Träger der Jugendhilfe
  • Kleine Einheiten als Kooperationspartner
  • Personelle Kontinuität
  • Gegenseitige Wertschätzung der kooperierenden Akteure 
  • Gegenseitige Besuche; Arbeit im Tandem
  • Gemeinsame Fortbildungen und Fachtage
  • Effektive Kooperationsgremien und strukturierte, zeitbegrenzte Sitzungen.


Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ
Leipzig, Februar 2006


[1] Gemeint ist in dem Beschluss der JMK vom 18./19. Mai 2000 ein System, das bei Anerkennung der Eigenständigkeit der einzelnen Bereiche (Jugendhilfe, Schule), die gemeinsame Verantwortung für das Aufwachsen junger Menschen sieht und daraus einheitliche, zusammenhängende und sich ergänzende Angebote und Leistungen ableitet.