Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen          (Bundeskinderschutzgesetz – BKiSchG)

Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

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Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ begrüßt das Anliegen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die Verbesserung des Kinderschutzes voranzubringen. Der vorgelegte Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz BKiSchG) enthält einige neue und – im Vergleich zum Referentenentwurf – begrüßenswert geänderte Vorschriften, mit denen die Praxis das Versprechen des Gesetzestitels wird eher einlösen können. Jedoch bedarf auch der Regierungsentwurf der weiteren Qualifizierung. 

Zunächst ist aus Sicht der AGJ zu begrüßen, dass im Regierungsentwurf Forderungen der Runden Tische Heimerziehung und Sexueller Kindesmissbrauch in einigen Vorschriften umgesetzt und damit insbesondere Verfahren der Beteiligung sowie Möglichkeiten der Beschwerde für Kinder und Jugendliche als zusätzliche Voraussetzung zur Erlaubniserteilung für Träger von Einrichtungen festgelegt wurden. Dies stellt einen wichtigen Baustein im Rahmen der Präventionsstrategien für Einrichtungen dar. 

Zudem ist der Verzicht auf eine gesetzliche Regelung zur Entwicklung, Anwendung und Überprüfung fachlicher Standards als sinnvoll zu bewerten. Der Einführung einer Verpflichtung zur kontinuierlichen Qualitätsentwicklung als Bestandteil der Gesamtverantwortung nach § 79 Abs. 2 SGB VIII-RegE ist daher zuzustimmen. Allerdings ist auch weiterhin zu kritisieren, dass das gesamte Aufgabenspektrum der Jugendhilfe von dieser Verpflichtung erfasst sein soll. Hier sollte zur Ermöglichung tatsächlicher Qualitätsentwicklung und Vermeidung bürokratisch-formalisierter Abarbeitung aus Sicht der AGJ der Anwendungsbereich unbedingt begrenzt werden. 

Ausdrücklich begrüßt wird von der AGJ die Beibehaltung der Streichung des § 86 Abs. 6 SGB VIII im Zusammenhang mit der Neufassung des § 37 Abs. 2, 2a SGB VIII-RegE und insbesondere die damit verbundene Sicherung der Hilfekontinuität bei Zuständigkeitswechseln. Jedoch ist schwer nachvoll-ziehbar, warum die weiteren umfassenden Neuregelungen zur örtlichen Zuständigkeit und Kostenerstattung im vorliegenden Regierungsentwurf weitestgehend entfallen sind. 

Nach wie vor nicht hinnehmbar ist, dass im interdisziplinären Netzwerk Frühe Hilfen nur die Kinder- und Jugendhilfe in – kostenträchtige – Leistungsverant-wortung genommen wird, der Bereich Gesundheit insoweit jedoch vollständig außen vor bleibt. Kooperation im Interesse von Kindern und ihren Familien kann nur gelingen, wenn alle Kooperationspartner Verantwortung übernehmen. Die Verengung der alleinigen Förderung von Familien-hebammen im Bereich Frühe Hilfen ist in Anbetracht der Vielfalt der qualifizierten Angebote, die sich regional in den letzten Jahren entwickelt haben, nicht zu rechtfertigen.

Daneben sind weiterhin Fragen zur Finanzierung im Hinblick auf die Mehrausgaben bei den Kommunen ungeklärt. Ohne angemessenen finanziellen Ausgleich bedeuten die beabsichtigten Gesetzesänderungen und die damit verbundene Aufgabenerweiterung, dass an die Praxis umfassende Erwartungen gerichtet werden, ohne sie in Stand zu setzen, diese auch erfüllen zu können. 

Artikel 1: Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) 

§ 2 KKG-RegE Information der Eltern über Unterstützungsangebote in Fragen der Kindesentwicklung 

Der grundsätzlichen Zielsetzung der Vorschrift, werdenden Eltern durch Information und Beratung die Inanspruchnahme präventiver Leistungen und Hilfen zu erleichtern, ist begrüßenswert. Ebenso ist positiv zu bewerten, dass im Vergleich zum Referentenentwurf dem örtlichen Träger der Jugendhilfe mit der Neuformulierung in § 2 Abs. 2 KKG-RegE – zeitlich und auch konzeptionell – Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf eine niedrigschwellige Kontaktaufnahme mit Eltern rund um die Geburt eingeräumt wird. 

§ 2 Abs. 2 KKG-RegE regelt nach dem Wortlaut vermeintlich keine Aufgabe, sondern eine Befugnis – allerdings nicht im datenschutzrechtlichen Sinne. Wenn den durch Landesrecht bestimmten Stellen mit der Vorschrift Ermessen eingeräumt werden soll, regt die AGJ an, diese Vorschrift als Kann-Vorschrift zu formulieren.  

§ 3 KKG-RegE Rahmenbedingungen für die strukturelle Zusammenarbeit im Kinderschutz 

Ein zentraler Kritikpunkt am Regierungsentwurf bezieht sich aus Sicht der AGJ auch weiterhin auf die fehlende Verpflichtung des Gesundheitssystems sowie auf die zeitlich befristete Bundesinitiative zur Unterstützung des Aus- und Aufbaus des Einsatzes von Familienhebammen. 

Die Leistung der Familienhebammen (als Angehörige eines Heilberufes) ist im Kontext des SGB V zu regeln und nicht der Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe zuzuweisen, auch wenn sie über den Zeitraum von acht Wochen nach der Geburt hinaus angeboten wird und wie in der Begründung zum Regierungsentwurf aufgeführt, als besondere Unterstützungsleistung (im Gegensatz zur Hebammenhilfe) gesehen wird. Eine Trennung nach medizinischer Leistung und beispielsweise psychosozialer Begleitung würde in der Praxis zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Die Engführung der Förderung ausschließlich auf Familienhebammen übergeht die vielfältigen regional unterschiedlichen Ansätze und beschränkt die Bundesförderung auf ein einziges spezifisches Angebot.

§ 4 KKG-RegE Beratung und Übermittlung von Informationen durch Geheimnisträger bei Kindeswohlgefährdung 

Die Zusammenführung der §§ 4 und 5 KKG-RefE sowie die inhaltliche Weiterentwicklung des § 4 KKG-RegE greift die Forderung der AGJ auf und wird in der jetzigen Fassung ausdrücklich begrüßt. Insbesondere der nun systematischen Darstellung des mehrstufigen Verfahrens im Hinblick auf die Anforderungen an den Umgang mit gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung und der Beschreibung der Schwelle für die Befugnis zur Datenübermittlung ist zuzustimmen.
Begrüßenswert ist zudem, dass in der Neufassung dieser Vorschrift auf den Begriff der Kinderschutzfachkraft verzichtet und dieser durch die „insoweit erfahrene Fachkraft“ ersetzt wurde. 

Problematisch erscheint die rein subjektive Beschreibung der Schwelle in § 4 Abs. 3 KKG-RegE (für erforderlich halten). Maßgeblich ist, ob die Weitergabe ohne Einwilligung unter Beachtung der fachlichen Schritte in § 4 Abs. 1 und 2 KKG-RegE zum Schutz dringend erforderlich ist. Dies haben die genannten Personen nach bestem Wissen und Gewissen einzuschätzen, ein Vorgang, den ihnen niemand abnehmen kann.

Artikel 2: Änderungen des Achten Buches Sozialgesetzbuch 

§ 8 Abs. 3 SGB VIII-RegE Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

Der auch im Regierungsentwurf beibehaltene (elternunabhängige) Rechtsanspruch für Kinder und Jugendliche auf Beratung ohne Kenntnis der Personensorgeberechtigten wird von der AGJ ausdrücklich begrüßt. Unklar und eher überflüssig erscheint allerdings § 8 Abs. 3 S. 2 SGB VIII-RegE, der darauf verweist, dass die Vorschrift zur Antragsbefugnis auf Sozialleistungen von Jugendlichen ab dem Alter von 15 Jahren unberührt bleibe (§ 36 SGB I). 

§ 8a SGB VIII-RegE Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung 

Der Vorschrift in der nun vorliegenden Fassung ist weitgehend zuzustimmen. Gleichwohl bedarf es aus Sicht der AGJ keiner ausdrücklichen gesetzlichen Regelung im Hinblick auf den Hausbesuch, der unbestritten in bestimmten Gefährdungssituationen ein geeignetes Instrument der Gefährdungsein-schätzung sein kann, aber auch künftig trotz gesetzlicher Regelung einer sorgfältigen Abwägung bedarf.
Die Neufassung des bisherigen § 8a Abs. 2 SGB VIII, jetzt als § 8a Abs. 4 SGB VIII-RegE, erscheint durchweg gelungen, insbesondere im Hinblick auf die Beschreibung der Schwelle für die Informationsweitergabe an das Jugendamt. 

Soweit § 8a Abs. 5 SGB VIII-RegE die Verpflichtung zur Mitteilung gewichtiger Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung an den zuständigen Träger betrifft, wird diese als sinnvolle und fachlich notwendige Regelung erachtet. Jedoch ist hierbei anzumerken, dass für die Mitteilung im Rahmen eines Gesprächs unter Beteiligung der Personensorgeberechtigten sowie des Kindes oder der/des Jugendlichen nicht unerhebliche Zeit- und Personalressourcen verfügbar sein müssen. Dies ist bei der Klärung der Finanzverantwortung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe entsprechend zu berücksichtigen. 

§ 8b SGB VIII-RegE Fachliche Beratung und Begleitung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen 

Grundsätzlich ist die Qualifizierung des Kinderschutzes durch Einbeziehung kinder- und jugendnaher Berufsgruppen und Einrichtungen, in denen sich Kinder und Jugendliche aufhalten, begrüßenswert. Uneingeschränkt begrüßt die AGJ den Anspruch auf Fachberatung durch die Kinder- und Jugendhilfe im Rahmen der Einschätzung der Kindeswohlgefährdung (§ 8b Abs. 1 SGB VIII-RegE). Um die Finanzierungsverantwortung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe klarzustellen, fordert die AGJ, die versäumte Aufnahme in den Kreis der anderen Aufgaben des § 2 Abs. 3 SGB VIII nachzuholen. Die Kommunen bedürfen entsprechender finanzieller Ausstattung.

Allerdings ist der Beratungsanspruch von Trägern von Einrichtungen – also beispielsweise auch von Schulen, Krankenhäusern oder Behinderten-einrichtungen – in Bezug auf die Entwicklung von Handlungsleitlinien (§ 8b Abs. 2 SGB VIII-RegE) zum derzeitigen Stand der Entwicklungen kritisch zu sehen, da in diesen entsprechenden Systemen, für die das Jugendamt Unterstützung leisten soll, teilweise noch keinerlei eigene Strukturen geschaffen worden sind, um entsprechende Handlungsleitlinien zu erarbeiten und vor allen Dingen umzusetzen. Die Landesjugendämter müssten hier nicht nur unterstützen, sondern das Fehlen eigener Strukturen in den anderen Systemen ersetzen.

Der Aufnahme der Verfahren zur Beteiligung und Beschwerdemöglichkeit für Kinder und Jugendliche als Bestandteile der fachlichen Handlungsleitlinien wird vorbehaltlos zugestimmt. 

§ 16 SGB VIII-RegE Allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie 

Die noch im Referentenentwurf gesetzlich angelegte Abstimmung der Leistungen mit denjenigen nach SGB V, SchKG und des öffentlichen Gesundheitsdienstes ist im vorliegenden Gesetzentwurf nicht mehr enthalten. Die AGJ hält eine Verpflichtung der Kinder- und Jugendhilfe zur Erweiterung der Angebote Früher Hilfen jedoch nur für sinnvoll, wenn gleichzeitig die Gesundheitshilfe zu entsprechenden Angeboten verpflichtet wird. Frühe Hilfen bauen auf der Kooperation der Systeme auf und können einseitig nicht funktionieren. Ein Verweis in der Begründung auf die Bildung systemüber-greifender örtlicher Netzwerke in § 3 SGB VIII-RegE ist hier nicht ausreichend. 

Zudem sollte aus Sicht der AGJ in § 16 Abs. 3 SGB VIII-RegE die Leistung als Rechtsanspruch für Mütter und Väter sowie werdende Eltern formuliert werden. In den Kommunen werden solche Leistungstatbestände – unzulässigerweise, aber dennoch – immer wieder als „freiwillige Leistungen“ eingestuft, was eine Entwicklung entsprechender Angebote verhindert. Die Zaghaftigkeit des Gesetzentwurfs in seinem Bekenntnis zu Frühen Hilfen an dieser Stelle ist daher zu kritisieren (siehe auch „Überprüfung und Weiterentwicklung der Frühen Hilfen / Frühen Förderung – Beitrag der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ zur Fachdebatte um ein Kinderschutzgesetz des Bundes“ vom 27. April 2010). 

§ 37 SGB VIII-RegE Zusammenarbeit bei Hilfen außerhalb der eigenen Familie 

Die geänderten bzw. neu eingefügten Absätze 2 und 2a in § 37 SGB VIII-RegE sind insgesamt zu begrüßen, insbesondere die notwendige Sicherung der Hilfekontinuität bei Zuständigkeitswechsel. 

Nicht nachvollziehbar ist, weshalb im Vergleich zum Referentenentwurf der Abschluss von Vereinbarungen zwischen Jugendamt und Pflegepersonen nicht mehr vorgesehen ist. Pflegeeltern sind die einzigen Leistungserbringer im Bereich der Hilfen zur Erziehung – und weit darüber hinaus (vgl. § 77 SGB VIII) –, die mangels Vereinbarungen keine Sicherung der Leistungsinhalte, finanziellen Ausstattung und Qualität erfahren. Dies ist nicht zu rechtfertigen.


§ 42 SGB VIII-RegE Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen 

Aus Sicht der AGJ ist ausdrücklich zu begrüßen, dass die im Referentenentwurf neugefasste Regelung zur Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen in § 42 SGB VIII-RegE nicht mehr enthalten ist. 

§ 43a SGB VIII-RefE Betreuung von Kindern und Jugendlichen bei Ferienaufenthalten 

Dem Verzicht auf die Vorschrift über die Anzeigenpflicht zu Ferienaufenthalten ist uneingeschränkt zuzustimmen. 

§ 45 SGB VIII-RegE Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung 

Die Vorschrift hat in seiner nun vorliegenden Fassung unterstützenswerte Änderungen erfahren. Insbesondere die Ergänzung der Verpflichtung für Einrichtungen, geeignete Verfahren der Beteiligung und Beschwerde für Kinder und Jugendliche zu etablieren, ist ausdrücklich begrüßenswert. 

Zuzustimmen ist außerdem dem neu gefassten § 45 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB VIII-RegE, der anstelle von fachlichen Standards Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und -sicherung vorsieht.  

Im Hinblick auf den Nachweis über die Vorlage und Prüfung von aufgabenspezifischen Ausbildungsnachweisen und Führungszeugnissen regt die AGJ an, dieses nicht zum Zeitpunkt der Antragstellung und damit in § 45 Abs. 3 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII-E zu regeln, sondern in § 47 SGB VII-E im Rahmen der Betriebsaufnahme – zum Zeitpunkt der Antragstellung stehen insbesondere Personalentscheidungen noch nicht abschließend fest.
 

§ 47 SGB VIII-RegE Meldepflichten 

Mit der Ergänzung in § 47 S. 1 Nr. 2 SGB VIII-RegE wird der Fokus verstärkt auf das Kindeswohl gelegt; dem ist zuzustimmen. 

§ 72a SGB VIII-RegE Tätigkeitsausschluss einschlägig vorbestrafter Personen 

Die Änderung der Überschrift sowie die neue systematische Gliederung nach Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe sowie haupt- und ehrenamtlich tätigen Personen sind begrüßenswert.

Aus Sicht der AGJ ist es sinnvoll, die Vorschrift durch die Benennung einer Altersgrenze, vorgeschlagen wird 21 Jahre, zu ergänzen. Dies zum einen deshalb, um die Formen freiwilligen sozialen Engagements junger Menschen nicht einzuschränken und zum anderen, da Führungszeugnisse junger Menschen nur eingeschränkt aussagekräftig sind.  

Ebenso ist der Vorschrift zur datenschutzrechtlichen Bestimmung in § 72a Abs. 5 SGB VIII-RegE zuzustimmen. Die ausdrückliche Regelung der Datenverwendung und -speicherung stärkt die informationelle Selbstbe-stimmung der in der Kinder- und Jugendhilfe Tätigen.

§ 79 SGB VIII-RegE Gesamtverantwortung, § 79a SGB VIII-RegE Qualitätsentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe 

Der Verzicht auf die Pflicht zur Überprüfung der Einhaltung fachlicher Standards in § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VIII-RegE bzw. der Entwicklung, Anwendung und Überprüfung fachlicher Handlungsleitlinien in § 79a Abs. 1 SGB VIII-RegE ist ausdrücklich zu begrüßen. Eine enggefasste und überfordernde Verankerung von Standards per Gesetz erscheint weniger geeignet, den beabsichtigten Qualifizierungsprozess zu befördern. Die nun in § 79a SGB VIII-RegE geregelte Verpflichtung zur Entwicklung und Anwendung von Grundsätzen und Maßstäben für die Bewertung der Qualität kann den vielfältigen Strukturen und Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe eher gerecht werden. 

Gleichwohl erscheint die Verpflichtung zur Qualitätsentwicklung für das gesamte Aufgabenspektrum der Jugendhilfe in der derzeitigen gesetzlichen Ausgestaltung nicht realisierbar. Die umfassende Anforderung  der Qualitätsentwicklung bei allen Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe würde gerade nicht zu der beabsichtigten Qualifizierung führen, sondern im Gegenteil eine formalistisch-bürokratische Abarbeitung provozieren. Die dafür erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen würden für die Arbeit mit den Kindern, Jugendlichen und Familien verloren gehen. 

Die AGJ regt daher an, den Anwendungsbereich einzugrenzen. Die Verpflichtung zur Qualitätsentwicklung sollte sich – in einer ersten Phase der gesetzlich verbindlichen Festschreibung – auf die Leistungen nach § 19 SGB VIII, den Bereich der Kindertageseinrichtungen sowie auf die Handlungsfelder der Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfe für junge Menschen mit (drohender) seelischer Behinderung, Hilfe für junge Volljährige, Inobhutnahme und Wahrnehmung des Schutzauftrages beschränken. 

Insbesondere ist die Beschränkung der Qualitätsentwicklung im Rahmen der Wahrnehmung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung auf den Teilaspekt „Prozess der Gefährdungseinschätzung nach § 8a“ abzulehnen. Dies widerspricht nicht nur der Systematik des § 79a Abs. 1 SGB VIII-RegE, sondern auch der umfassenderen, partizipativen Ausgestaltung des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdung in § 8a SGB VIII. Es ist zu befürchten, dass damit eine dysfunktionale Standardisierung der „Gefährdungseinschätzung“ befördert wird.

Im Hinblick auf § 79a Abs. 2 SGB VIII-RegE ist es aus Sicht der AGJ notwendig, grundsätzlich zunächst auf Landesebene die Rahmenverträge über die Gegenstände und Inhalte der Vereinbarungen zu schließen, bevor auf der örtlichen Ebene die Vereinbarungen über Grundsätze und Maßstäbe zur Qualitätsentwicklung getroffen werden. Zur Klarstellung sollte in § 79a Abs. 2 SGB VIII-RegE ein „zuvor“ eingefügt werden.  
Begrüßenswert wäre, auch und vor allem im Rahmen einer gesetzlichen Regelung zur Qualitätsentwicklung, Verfahren zu Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche als Voraussetzung festzulegen.  

§§ 86 ff. SGB VIII-RefE

Die Herausnahme der Neuregelungen zur örtlichen Zuständigkeit und Kostenerstattung wird kritisiert. Es ist schwer nachvollziehbar, weshalb ausgerechnet die aufwändig und qualifiziert vorbereiteten Änderungen herausgenommen wurden. Die aktuelle Rechtslage birgt so viele Ungereimtheiten, führt zu so vielen Rechtsstreitigkeiten und zieht viel überflüssigen Verwaltungsaufwand nach sich, sodass eine Reform dringend angezeigt erscheint.

Die Streichung des § 86 Abs. 6 SGB VIII wird im Zusammenhang mit der Stärkung der Hilfekontinuität in der Pflegekinderhilfe (§ 37 Abs. 2 und 2a SGB VIII-RegE) nachdrücklich begrüßt.

§§ 98 ff. SGB VIII-RegE Kinder- und Jugendhilfestatistik 

Die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfestatistik zur Verbesserung der statistischen Datenlage im Kinderschutz wird von der AGJ grundsätzlich begrüßt. Insbesondere der Einführung des Erhebungstatbestandes zur statistischen Erfassung der Gefährdungseinschätzung nach § 8a Abs. 1 SGB VIII ist zuzustimmen. 

Artikel 3: Änderungen anderer Gesetze 

§ 21 SGB IX-RegE Verträge mit Leistungserbringern 

Die beginnende gesetzliche Sensibilisierung, dass der Schutz von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung nicht nur in der Kinder- und Jugendhilfe ein wichtiges Thema ist, scheint überfällig. Die Ergänzung des § 21 SGB IX-RegE ist hierfür ein erster, wenn auch kleiner Schritt. Aus Sicht der AGJ ist es notwendig, dass auch in Einrichtungen und Diensten der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung verbindlich eine Wahrnehmung des Schutzauftrags stattfindet, die derjenigen des § 8a Abs. 4 SGB VIII-RegE entspricht. 

§ 2 SchKG-RegE Beratung, § 4 SchKG-RegE Öffentliche Förderung der Beratungsstellen

Die Anonymität der Schwangerschaftsberatung in § 2 Abs. 1 SchKG-RegE zu ermöglichen, ist begrüßenswert. Dies stärkt ein weiteres niedrigschwelliges Angebot im Rahmen der Frühen Hilfen. Zudem ist der Aufnahme einer Vorschrift zur strukturellen Kooperation im Kinderschutz neben § 3 Abs. 3 KKG-RegE in § 4 Abs. 2 SchKG-RegE ausdrücklich zuzustimmen, da die Beratungsstellen eine von der im Fokus stehenden Zielgruppe häufig in Anspruch genommene Anlaufstelle sind und sie damit wichtige Akteure im Netzwerk Frühe Hilfen darstellen. Es ist jedoch erneut zu kritisieren, dass diese beidseitige Verpflichtung zur Kooperation nur für dieses Verhältnis normiert wurde, nicht aber für die anderen Akteure in den Netzwerken Frühe Hilfen, insbesondere aus den Heilberufen.

 

Geschäftsführender Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ
Berlin, 11. Mai 2011