Wir machen Zukunft – Jetzt!
Kinder- und Jugendpolitisches Leitpapier zum 17. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag [1]
Kinder- und Jugendpolitisches Leitpapier als PDF
„Wir sind jung, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“, lautet die Parole der Fridays-For-Future-Bewegung, die weltweit als ein Symbol für junge politische Partizipation steht. Viele junge Menschen schauen derzeit mit Optimismus, aber auch mit Ängsten oder Wut – verstärkt durch die Corona-Krise und deren Auswirkungen – in die Zukunft. Sie fordern, aktiv in die gesellschaftlichen Gestaltungsprozesse einbezogen zu werden, um diese jetzt mitgestalten zu können. Der Appell geht dabei an die Politik und die Zivilgesellschaft, bereits in der Gegenwart im Sinne der heutigen Jugend und zukünftiger Generationen tätig zu werden und die Verantwortung für deren Aufwachsen ernst zu nehmen.
Wir in der Kinder- und Jugendhilfe stehen an der Seite junger Menschen. Wir erleben junge Menschen als vielfältig. Unser positiver Blick auf junge Menschen ist davon geprägt, dass wir viele von ihnen als aktive Mitgestalter*innen ihrer Lebenswelten wahrnehmen.
Kinder- und Jugendhilfe gibt allen jungen Menschen und ihren Familien eine Stimme, vor aber allem denjenigen, die dies alleine nicht schaffen.
Die Kinder- und Jugendhilfe setzt sich für positive Lebensbedingungen für Kinder, Jugendliche und ihre Familien ein. Insofern ist das „Wir“ des Mottos „Wir machen Zukunft – Jetzt!“ des 17. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetages ein doppeltes: Junge Menschen und die Kinder- und Jugendhilfe machen gemeinsam und solidarisch Zukunft – Jetzt!
Junge Menschen machen Zukunft – Jetzt!
1. Lokal und europäisch – kein Widerspruch für junge Menschen
Junge Menschen leben in verschiedenen Sozialräumen mit sehr unterschiedlichen Teilhabechancen. Die Postleitzahl kann hier Sprungbrett oder Hindernis sein. Junge Menschen erfahren Beteiligung in lokalen Räumen und formen ihre Lebenswelt tatkräftig durch ihre Aktivitäten und Netzwerke.
Bedarfsgerechter öffentlicher Nahverkehr und bezahlbarer Wohnraum sind Themen, die sie besonders umtreiben. Junge Menschen erleben ihren Sozialraum als identitätsstiftend und durch das Gefühl von Zugehörigkeit geprägt.
Der Mehrheit der jungen Menschen ist Europa persönlich wichtig, mehr eine Selbstverständlichkeit als eine Herzensangelegenheit. Sie sehen die EU als Friedens- und Wirtschaftsbündnis und als Zusammenschluss mit offenen Grenzen, in dem man frei reisen, wohnen und arbeiten kann.
Wie junge Menschen Europa wahrnehmen, hängt häufig von ihrer sozioökonomischen Situation, von ihrem Wohnort und von ihrem Bildungsstand ab. Viele junge Menschen (er)leben Europa ganz selbstverständlich über Mobilitätserfahrungen; andere haben keine ausreichenden Zugänge zu europäischer Mobilität. Jugendliche fordern mehr Austauschprogramme und Stipendien, insbesondere für benachteiligte junge Menschen.
Die Mehrheit der Jugendlichen und jungen Erwachsenen hat ein Bewusstsein darüber, dass sich ihre Zukunft auf internationaler Ebene entscheidet. Als weltweite Herausforderungen, die nur im Verbund gelöst werden können, werden vor allem die Themen Klimawandel und Migration angesehen.
2. Vielfalt ist für viele junge Menschen Normalität und Bereicherung
Viele junge Menschen stehen einer vielfältigen Gesellschaft offen gegenüber; Vielfalt gehört für die meisten jungen Menschen zu ihrem Lebensalltag. Integration und Teilhabe aller ist eine zentrale Lebensperspektive junger Menschen. Sie treten dafür ein, dass trotz der Vielfältigkeit der Ausgangslagen und Lebensumstände jeder junge Mensch in die Lage versetzt wird, nach seinen Wünschen und Vorstellungen zu leben.
Fremdes verunsichert vor allem da, wo Vielfalt weniger erlebt wird. Junge Menschen wissen, dass Vielfalt nicht auch Diskriminierungsfreiheit garantiert. Einige junge Menschen radikalisieren sich und entwickeln stigmatisierende Einstellungen und Haltungen. Andere, die dagegenhalten, haben es mancherorts schwer. Für die Mehrzahl junger Menschen ist es wichtig, dass die Vielfältigkeit der Menschen wertgeschätzt wird, um so eine tolerante und offene Gesellschaft zu ermöglichen.
3. Junge Menschen leben digital und analog
Junge Menschen sind digital und analog. Sie nutzen selbstverständlich unterschiedliche Kommunikations- und Ausdrucksformen. Sie verwenden digitale Medien nicht nur zum Lesen und um sich zu informieren: In digitalen Medien sind sie auch Produzent*innen. Sie artikulieren sich, sie vernetzen sich und nutzen „das Netz“ für Partizipation und Teilhabe. Diese Teilhabe endet erst, wenn das Datenvolumen aufgebraucht ist oder sie sich in Funklöchern befinden.
Junge Menschen sind sich nicht nur der Chancen, sondern auch der Gefahren und Risiken einer digitalisierten Gesellschaft bewusst. Mobbing, sexualisierte Gewalt, Betrug, Diebstahl und Preisgabe privater Informationen sind Risiken und Gefahren, denen sie auch im digitalen Teil ihrer Lebenswelt ausgesetzt sind. Sie wissen von der Bedeutung der digitalen Teilhabe und von den Nachteilen, wenn man von dieser ausgeschlossen ist oder ausgeschlossen wird. Sie wollen Schutzräume; sie nutzen aber auch Freiräume, die sich ihnen dort bieten. Dazu gehört auch, mit verschiedenen Identitäten zu experimentieren, sich kreativ auszuleben und sich in Communities zu organisieren. Die Zugehörigkeit zu Jugendkulturen endet nicht an der technischen Grenze zum Internet – manchmal beginnt sie sogar erst dort.
4. Junge Menschen wollen Verantwortung übernehmen, sich engagieren und wirkungsvoll beteiligt werden
Junge Menschen sind verantwortungsbewusst. Jugendstudien zeigen, dass das öffentlich gezeichnete Bild von jungen Menschen, als nur an ihren eigenen Belangen interessiert, nicht zutreffend ist. Nicht zuletzt hat die Bewegung Fridays For Future gezeigt, dass der Klimawandel und ganz allgemein die Frage, wie wir das zukünftige gesellschaftliche Zusammenleben gestalten, für junge Menschen virulente Themen sind.
Auch in der Corona-Krise legen junge Menschen eine Haltung der Verantwortung gegenüber älteren Menschen als Risikogruppe an den Tag und stellen unter Beweis, dass sie sich engagieren.
Junge Menschen bewerten die Bereitschaft von Gesellschaft und Politik, sie zu hören, einzubeziehen und mitbestimmen zu lassen, als zu wenig ausgeprägt. Sie monieren, dass zu wenig Gelegenheiten geschaffen werden, die es jungen Menschen ermöglichen, sich in Politik und gesellschaftliche Gestaltungsaufgaben adäquat einmischen zu können.
Das gilt auch für die Beteiligungsmöglichkeiten in der Corona-Krise: Gerade hier nehmen junge Menschen wahr, dass sie nur auf ihre Rolle als Schüler*innen, Student*innen und Auszubildende reduziert werden, was sie ablehnen. Sie sehen sich nicht mit ihren umfassenden Bedürfnissen gewürdigt und ernst genommen. Junge Menschen wissen, dass ihr Engagement nicht bequem, sondern herausfordernd ist – sie fordern, dass dies als Chance und nicht als Risiko verstanden wird.
5. Junge Menschen sind politisch und fordern Politik heraus
Junge Menschen können und wollen sich beteiligen. Mitbestimmung ist für sie in jedem Alter nicht nur möglich, sondern auch notwendig, und macht nicht halt vor Grenzen des Wahlalters. Junge Menschen fordern für alle die gleichen Beteiligungschancen. Der soziale Status, kulturelle Zugehörigkeiten oder Behinderungen dürfen für sie keinen Ausschluss von Beteiligungsmöglichkeiten markieren.
Junge Menschen haben einen starken Sinn für Gerechtigkeit. Der Abbau sozialer Ungleichheiten und ökologischer Benachteiligungen ist für viele die Richtschnur ihres Engagements. Dabei denken und handeln sie global, vernetzt und zukunftsorientiert. Lautstark fordern sie Politik lokal, national und international heraus und treten dafür ein, dass Nachhaltigkeit keine Floskel bleibt, sondern Handlungs- und Entscheidungsprinzip und damit Messlatte des politischen Handelns.
Sie kritisieren die herkömmlichen Politikstrukturen, die sie als zu schwerfällig wahrnehmen und als zu wenig jugendgerecht empfinden. Sie wollen in der Kreativität ihres politischen Handelns unbequem sein, um auf Versäumnisse der etablierten Politik aufmerksam machen zu können. Solidarität gelingt für junge Menschen nur zwischen allen Generationen. Dabei wissen sie, dass sie auf die Solidarität der älteren Generationen angewiesen sind, wenn sie selbst eine Zukunft haben wollen.
Die Kinder- und Jugendhilfe macht Zukunft – Jetzt!
6. Die Kinder- und Jugendhilfe ist lokal organisiert und wird durch europäische Erfahrungen bereichert
Die vielfältigen Einrichtungen und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe von Kitas über Jugendarbeit, Angebote an Schulen, Beratung für verschiedene Lebensbereiche bis hin zu stationären Einrichtungen für Kinder und Jugendliche bilden eine wichtige Infrastruktur für das Aufwachsen junger Menschen. Dem Subsidiaritätsprinzip folgend, ist diese Infrastruktur lokal durch Träger*innen der öffentlichen und freien Kinder- und Jugendhilfe organisiert und kann so flexibel unter Berücksichtigung der jeweiligen regionalen Besonderheiten und Herausforderungen gestaltet werden.
Angebote der Kinder- und Jugendhilfe müssen auf soziale Ungleichheiten reagieren und lokal unterschiedliche Bedarfslagen bei der Kinder- und Jugendhilfeplanung wahrnehmen und berücksichtigen. In ländlichen Räumen stellt dies eine besondere Herausforderung dar, weil die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen sich oft nicht auf die jeweilige Wohnort-Gemeinde beschränken und dadurch stärker in Gefahr sind, aus dem Blickfeld der Kommunalpolitik zu geraten.
Die Ausweitung von Lebens- und Erfahrungswelten über den eigenen Wohnort hinaus betrifft jedoch nicht nur Kinder und Jugendliche in ländlichen Räumen. Gerade in unserer von Globalisierung und europäischer Verflechtung geprägten Welt ist es wichtig, dass die Kinder- und Jugendhilfe sich deutlich zu ihrer Aufgabe bekennt, jungen Menschen den Blick über den eigenen Tellerrand zu ermöglichen, indem sie europäische bzw. internationale Erfahrungen fördert.
Obwohl auch dies das lokale Engagement der Kinder- und Jugendhilfeverantwortlichen voraussetzt, braucht es dafür länder- und ressortübergreifendes Denken und damit Vernetzung sowie ein Bewusstsein aller beteiligten Akteur*innen für die Notwendigkeit dieser Erfahrungen. Die Kinder- und Jugendhilfe muss sich aktiver zu Europa bekennen, europäische Mobilität für alle jungen Menschen möglich machen und dafür internationalen Austausch auch für Fachkräfte nutzen.
7. Die Kinder- und Jugendhilfe hat Antworten auf die zunehmende gesellschaftliche Vielfalt
Ziel der Kinder- und Jugendhilfe ist, für alle Kinder und Jugendlichen von Anfang an gute Startbedingungen und gleiche Chancen für ein gelingendes Aufwachsen und ein selbstbestimmtes Leben zu schaffen. Dabei sind der Kinder- und Jugendhilfe unterschiedliche Aspekte der gesellschaftlichen Vielfalt und Pluralität von Lebensstilen vertraut. Erziehung, Betreuung und Bildung, Beziehungen und Sprache sind entscheidende Schlüssel für gelingende Entwicklungs- und Bildungsbiographien.
Nicht, was der Einzelne/die Einzelne kann oder nicht kann und wie er/sie lebt, ist ausschlaggebend, sondern wie groß die Handlungs- und Verhaltensspielräume sind, die jungen Menschen und ihren Familien zur Verfügung stehen.
Die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe müssen der Vielfalt ihrer Adressat*innen gerecht werden und allen jungen Menschen Teilhabe eröffnen. Dabei nimmt die Kinder- und Jugendhilfe die zielgruppenspezifische Ausrichtung ihrer Angebote wie auch die Gestaltung der Übergänge zwischen verschiedenen Leistungssystemen konsequent in den Blick. Kooperation und Vernetzung der vielfältigen Angebote in der Kinder- und Jugendhilfe sowie mit anderen Leistungsträger*innen sind zentrale Bestandteile einer ganzheitlichen Förderung und Unterstützung der Adressat*innen.
Für die Kinder- und Jugendhilfe ist Inklusion kein neues Modewort, sondern ein fortlaufender und offener Prozess, an dem viele beteiligt sind. Ziel dieses Prozesses ist es, Barrieren für gemeinsame Bildung, Erziehung und Betreuung aller Kinder zu erkennen und abzubauen.
Dazu braucht die Kinder- und Jugendhilfe mit Blick auf die wachsende Vielfalt und Heterogenität in der Gesellschaft auch vielfältige Kompetenzen und multiprofessionelle Teams. Inklusion ist nicht nur eine Frage von Strukturen, sondern tangiert gleichermaßen professionelle Haltungen. Die kritische Reflexion des eigenen Handelns muss deshalb selbstverständlicher Bestandteil des fachlichen Handelns und integraler Bestandteil der Arbeitsplatzgestaltung sein.
8. Die Kinder- und Jugendhilfe ermöglicht Teilhabe in analogen und digitalen Räumen
Die Digitalisierung gehört zum Alltag der Gesellschaft und trägt dazu bei, dass sich Kommunikationswege, Dienstleistungen und die Gesellschaft in Gänze in hohem Tempo weiterentwickeln.
Daraus ergeben sich für die Kinder- und Jugendhilfe neue Herausforderungen. Eine zentrale Aufgabe ist es, Kindern, Jugendlichen und deren Familien beim Erwerb von Medienkompetenzen zu unterstützen. Sie sollten befähigt werden, in dem digitalen Teil der Welt ihre Interessen und Bedürfnisse in demselben Maße auszuleben wie in dem analogen. Dazu bedarf es auch einer kritischen Auseinandersetzung mit dieser.
Die Träger*innen der Kinder- und Jugendhilfe müssen auch in der digitalen Lebenswelt von jungen Menschen und deren Familien präsent sein. Die Nutzung digitaler Medien durch die Kinder- und Jugendhilfe ermöglicht den Kontakt zu Personengruppen, die sonst nicht erreicht würden. Es gilt, die vielfältigen Möglichkeiten der Digitalisierung kreativ zu nutzen, ohne die vorhandenen analogen Räume zu vernachlässigen. Dafür ist es erforderlich, dass überall die technischen Voraussetzungen und Kompetenzen gleichermaßen vorhanden sind.
Die Kinder- und Jugendhilfe muss auch in diesem Zusammenhang auf soziale Ungleichheiten reagieren, denn gerade der „digital divide“ droht, diese weiter zu verstärken.
Wenn bei der Digitalisierung der Kinder- und Jugendhilfe viele sensible, personenbezogene Daten gesammelt werden, dann muss Datenschutz Priorität haben. Die Nutzer*innen müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Daten sicher sind, unbefugte Zugriffe verhindert werden und auch andere staatliche Stellen darauf nicht zugreifen können.
Digitalisierungsstrategien müssen kontinuierlich aktualisiert und weiterentwickelt werden. In den jeweiligen Handlungsfeldern müssen die betroffenen Institutionen die Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung erörtern und diese in die Konzepte von Einrichtungen und Träger*innen einbeziehen.
9. Die Kinder- und Jugendhilfe engagiert sich wirkungsvoll für positive Lebensbedingungen junger Menschen und ihrer Familien
Ohne die Kinder- und Jugendhilfe läuft nichts! Spätestens seit COVID-19 wissen nicht nur wir, sondern auch andere: Die Kinder- und Jugendhilfe ist systemrelevant. Ein gelingendes Aufwachsen aller jungen Menschen ist ohne die Kinder- und Jugendhilfe nicht vorstellbar. Sie trägt dazu bei, dass soziale Benachteiligungen nicht zu einem Rucksack werden, den junge Menschen ein Leben lang tragen müssen. Sie unterstützt Familien, damit sie in ihrer Erziehungsverantwortung nicht alleine gelassen werden.
Kinder- und Jugendhilfe sind viele: Träger*innen der öffentlichen und der freien Jugendhilfe arbeiten partnerschaftlich zusammen. Sie schaffen gemeinsam den Rahmen dafür, dass Fachkräfte ihre zahlreichen Aufgaben kompetent erledigen können. Sie alle sind darauf angewiesen, dass es genügend kompetente Fachkräfte gibt. Sie initiieren und ermöglichen zivilgesellschaftliches und ehrenamtliches Engagement, damit möglichst viele Menschen Beteiligung erfahren und eine Stimme haben.
Kinder- und Jugendhilfe ist unbequem! Als Anwältin für Kinder, Jugendliche und Familien legt sie den Finger in die Wunden sozialer Ungleichheit und streitet für mehr soziale Gerechtigkeit. Sie fordert die Verantwortung aller für eine kinder- und jugendgerechte, familienfreundliche Gesellschaft heraus.
Kinder- und Jugendhilfe muss besser werden als sie ist! Ihre Ziele erreicht die Kinder- und Jugendhilfe nur dann, wenn sie unbequemen Fragen nach der Qualität und Wirkung ihres Handelns nicht ausweicht. Nur wenn sie sich selbst kritisch hinterfragt bzw. hinterfragen lässt, kann sie den eigenen fachlichen Ansprüchen genügen und die Forderung, dass Qualität ihren Preis hat, glaubwürdig vertreten.
10. Die Kinder- und Jugendhilfe setzt sich für eine gerechte, demokratisch verfasste Gesellschaft ein und fordert Solidarität mit Benachteiligten
Wichtige Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe ist es, Angebote der Demokratiebildung zu machen und (Frei-)Räume für Selbstpositionierung und demokratisches Handeln zu bieten. Dafür sind unter anderem Verfahren so anzulegen, dass Mitsprache von Kindern und Jugendlichen in allen Handlungsfeldern möglich und wirkungsvoll ist. So müssen bedarfsgerecht ausgestattete Einrichtungen und Angebote Freiräume für junge Menschen eröffnen und Demokratiebildung ermöglichen. Die Kinder- und Jugendhilfe muss die Selbstorganisation ihrer Adressant*innengruppen unterstützen und befördern.
Grundsätzlich setzt sich die Kinder- und Jugendhilfe für Solidarität mit Benachteiligten ein. Sie kann soziale Gerechtigkeit zwar nicht herstellen, muss aber soziale Ungleichheiten abbauen. Dafür wirken Angebote der Kinder- und Jugendhilfe gezielt unterstützend und fördernd. Sie beziehen neben den Kindern und Jugendlichen die Familien mit ein und hinterlassen so nachhaltige Spuren in den Biografien ihrer Adressat*innen.
Entscheidend für die zukünftige Entwicklung der Kinder- und Jugendhilfe ist die Qualität und Quantität der in der Kinder- und Jugendhilfe aktiven Fachkräfte. Damit kommt auch der Arbeitsmarktpolitik eine bedeutende Rolle zu. Sie muss zum Ziel haben, soziale Berufe aufzuwerten, um die Reichweite und in manchen Feldern sogar die Handlungsfähigkeit des Systems zu erhalten. Für eine Steigerung der Attraktivität des Arbeitsfeldes ist eine Aufwertung in finanzieller Hinsicht ebenso wie eine stärkere gesellschaftliche Wertschätzung unumgänglich. Diese Wertschätzung und eine gute Qualifizierung müssen auch den ehrenamtlich Engagierten zuteilwerden.
Wir gemeinsam machen Zukunft – Jetzt!
Wir gestalten gemeinsam lokale Räume.
Wir machen uns gemeinsam stark für ein offenes Europa.
Wir denken in internationalen Zusammenhängen.
Wir positionieren uns gegen Ausgrenzung.
Wir setzen uns für Vielfalt und Integration ein.
Wir realisieren Inklusion durch soziale Teilhabe.
Wir vernetzen uns analog und digital.
Wir fordern Schutz, Sicherheit und Teilhabe in digitalen Welten.
Wir schaffen und nutzen Räume für Kreativität.
Wir wissen, dass Kooperation nur gelingt, wenn sie gleichberechtigt ist.
Wir engagieren uns wirkungsvoll und schrecken dabei auch nicht vor unbequemen Positionen zurück.
Wir fordern die Anerkennung und Wertschätzung unserer Kompetenzen als Zukunftsgestalter*innen.
Wir solidarisieren uns mit Benachteiligten.
Wir setzen Selbstreflexion für Nachhaltigkeit voraus.
Wir verstehen Zukunft als Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit.
Wir treten für Demokratie ein; sie ist für uns nicht verhandelbar.
Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ
Essen, 24./25. September 2020
Fußnote
[1] Ansprechperson für das Kinder- und Jugendpolitische Leitpapier zum 17. DJHT ist die zuständige Referentin des Projektes „17. Deutscher Kinder- und Jugendhilfetag“: Antonia Dautz (antonia.dautz@agj.de).