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Anforderungen an Ausgestaltung, Instrumente und Weiterentwicklung der Europäischen Jugendstrategie 2010-2018 

Diskussionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe - AGJ

Diskussionspapier der PDF

Unter dem Namen „EU-Jugendstrategie“ wird der vom Rat der Europäischen Union vorgelegte erneuerte Rahmen für die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa (2010-2018)[1] in der Fachöffentlichkeit der Kinder- und Jugendhilfe weithin wahrgenommen und als Schritt zu einer ganzheitlich angelegten kinder- und jugendpolitischen Strategie begrüßt. 

Im Rahmen des ersten dreijährigen Arbeitszyklus‘ gilt es nun, über nationale Umsetzungsverfahren hinaus europäische Anforderungen an Ausgestaltung, Instrumente und Weiterentwicklung der Gesamtstrategie zu formulieren, denn neben der Darstellung von Zielen und möglichen Initiativen in den einzelnen Aktionsfeldern bleiben die Ausführungen bezüglich der Instrumente und Verfahren wenig konturiert.[2] 

Ausbleibende Vorgaben an die Mitgliedstaaten für die Art und Weise der Erreichung gemeinsamer Ziele entsprechen dem Aktionsradius der EU in Politikfeldern, deren Bearbeitung in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt – wie auch für die Kinder- und Jugendpolitik. Eine Konkretisierung der Strategie in Bezug auf europäische Zielsetzungen und Instrumente wäre jedoch ein wesentlicher Fortschritt auf dem Weg zu dem von der AGJ geforderten ganzheitlichen Konzept für eine europäische Kinder- und Jugendpolitik als gemeinsame Verantwortung der EU und ihrer Mitgliedstaaten.[3]

Besonderer Schärfungsbedarf besteht aus Sicht der AGJ in diesem Zusammenhang 

  • für die in der Strategie angestrebte neue Rolle von Jugendarbeit, 
  • für die Verknüpfung von Kinder- und Jugendpolitik, 
  • für die Prozessverfolgung mithilfe von Indikatoren aus anderen politischen Bereichen und zu entwickelnden kinder- und jugendpolitischen Indikatoren sowie 
  • für die förderpolitische Rahmung durch die EU. 

Im vorliegenden Papier analysiert die AGJ aktuelle Entwicklungen und Diskussionsbeiträge und formuliert Anforderungen an die Weiterentwicklung der EU-Jugendstrategie in diesen Bereichen. 


Neue Rolle von Jugendarbeit

Von „Jugendarbeit“ haben die Fachministerinnen und -minister der EU ein grundsätzliches Verständnis, das „ein breites Spektrum an Aktivitäten sozialer, kultureller, bildungs- oder allgemeinpolitischer Art umfasst, die von und mit jungen Menschen und für diese durchgeführt werden. Diese erstrecken sich zusehends auch auf Sport und Leistungsangebote für junge Menschen. Die Jugendarbeit gehört zum Bereich der außerschulischen Erziehung sowie der zielgruppenorientierten Freizeitbeschäftigungen, die von professionellen oder freiwilligen Jugendbetreuern und Jugendleitern durchgeführt werden, und beruht auf nicht formalen Lernprozessen und auf freiwilliger Teilnahme.“[4] Diese Charakterisierung begrüßt die AGJ als Bereicherung der jugendpolitischen Perspektive der EU um zentrale Aspekte der Kinder- und Jugendhilfe.

Zwischenzeitlichen Vorschlägen für eine kürzer gefasste Definition von „Jugendarbeit“ als Bereitstellung von „Raum und Möglichkeiten für junge Menschen, ihre eigene Zukunft zu gestalten"[5], kann die AGJ nicht beipflichten, weil sie wesentliche Elemente ausblendet. In einer aktuellen Ratsent-schließung hat der Rat der EU jedoch eine Begriffsbestimmung vorgenommen, die aus Sicht der AGJ ein weites, der Kinder- und Jugendhilfe sich näherndes europäisches Verständnis von „Jugendarbeit“ dokumentiert.[6] 

Derzeit wird auf europäischer Ebene intensiv über mögliche Beiträge von Jugendarbeit in diesem europäischen Sinn zur Verbesserung der Lebenslagen junger Menschen und zur Erreichung der Ziele in den verschiedenen Aktionsfeldern der EU-Jugendstrategie diskutiert. Hierbei sollten aus Sicht der AGJ folgende Aspekte grundlegende Beachtung finden:

  • die Beteiligung von „Jugendarbeiterinnen“ und „Jugendarbeitern“ sowie jungen Menschen an der Entwicklung, Umsetzung und Bewertung von Jugendpolitik und Initiativen im  Bereich „Jugendarbeit“ auf allen Ebenen, 
  • die Verbreiterung der Wissensbasis über Jugend und Jugendarbeit (insbesondere im Hinblick auf deren Wirkungsweise) und Verbreitung der Ergebnisse zum Beispiel im Europäischen Jugendbericht[7],
  • das lebenslange Lernen von „Jugendarbeiterinnen“ und „Jugendarbeitern“ und die damit verbundenen Qualitäts-, Kompetenz-, Professionalisierungs- und Anerkennungsfragen (zum Beispiel im Hinblick auf mögliche Vereinbarungen von Qualitätsstandards und Basiskompetenzen, auf die Akkreditierung von Bildungsleistungen und auf einen Berufskodex zum Umgang mit jungen Menschen),
  • die Anerkennung und Validierung der „Jugendarbeit“ auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene,
  • die Förderung und Finanzierung von „Jugendarbeit“ sowie die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur,
  • die notwendige sektorübergreifende Zusammenarbeit,
  • die Akzeptanz der Kernaufgabe von Jugendarbeit, gleichzeitig Experimentierfeld und Ermöglichungsstruktur für Selbstorganisation, Autonomie und Freiwilligkeit sowie Selbstsozialisation im Sinne von Persönlichkeitsbildung und -entwicklung junger Menschen und damit akzeptiertes Arbeitsfeld der non-formalen Bildung zu sein.


Verknüpfung von Kinder- und Jugendpolitik

Im europäischen Kontext werden Kinder und Jugendliche unterschiedlichen Altersspannen zugeordnet – entsprechend sind auch rechtliche Bestimmungen und politische Strategien verschiedenen Altersgruppen vorbehalten.[8] 

Die Jugendministerinnen und Jugendminister der EU greifen das Dilemma in ihrer Strategie für 2010-2018 auf und schlagen als eine der Initiativen „gegebenenfalls“ die „Einbeziehung einer kinderpolitischen Dimension unter Achtung der Rechte und des Schutzes von Kindern sowie unter Berücksichtigung des Umstands, dass das Leben und die künftigen Lebensaussichten junger Menschen wesentlich davon abhängen, welche Möglichkeiten ihnen in ihrer Kindheit geboten wurden und welche Unterstützung und welchen Schutz sie erfahren haben“[9] vor.

Eine kohärente Kinder- und Jugendpolitik als Äquivalent zu den Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe und im Sinne einer möglichst frühzeitigen und ganzheitlichen Gestaltung von Lebensbedingungen junger Menschen in Europa entspricht den Forderungen der AGJ.[10] Es muss nun nicht darum gehen, die EU-Jugendstrategie als Ganzes auch für Kinder nutzbar zu machen, sondern darum, diese Strategie bewusst in die Entwicklung einer integrierten Kinder- und Jugendpolitik einzubeziehen und dabei auch die EU-Kinderrechtsstrategie anzubinden. 

Unter belgischer EU-Ratspräsidentschaft wurde erstmals ein Gesamtüberblick über die europäische und internationale politische Agenda in Bezug auf Kinder, Jugendliche und Kinderrechte erstellt, auf dessen Grundlage eine Diskussion über mögliche Kooperationen und Zusammenführungen diverser Prozesse angestoßen werden kann. Die AGJ begrüßt ausdrücklich entsprechende Signale für Bemühungen um die Integration bislang separierter Politikstrategien, die sich auch in der Arbeit des Europarats, in Kernbotschaften der zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe „L’Europe de l’Enfance“[11] und in aktuellen Schlussfolgerungen des Rates der EU[12] wiederfinden. 


Entwicklung kinder- und jugendpolitischer Indikatoren 

Es gehört zu den Vereinbarungen des Rates der EU, dass die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa „auf gesicherten Erkenntnissen beruhen und zielgerichtet und konkret sein (sollte). Sie sollte zu klaren und greifbaren Ergebnissen führen, die regelmäßig auf strukturierte Weise vorgestellt, überprüft und verbreitet werden und somit eine Grundlage
für die laufende Evaluierung und Weiterentwicklung bieten.“[13] Der erneuerte Rahmen zur jugendpolitischen Zusammenarbeit in der EU sieht deshalb im Zusammenhang mit der Prozessverfolgung und der Bewertung von Ergebnissen die Anwendung von Indikatoren[14] vor. Dabei sollen bereits vorhandene Indikatoren, die für die Lage junger Menschen von Belang sind, zugrunde gelegt werden. Bestehende kinder- und jugendpolitisch relevante Indikatoren gibt es zurzeit in den Bereichen Bildung (zum Beispiel Schulabbruch), Beschäftigung und soziale Eingliederung (zum Beispiel Jugendliche, die weder in Schule, noch in Ausbildung oder Beschäftigung sind) sowie Gesundheit und Wohlergehen (zum Beispiel Alkoholkonsum).

Die AGJ hält die Entwicklung jugendpolitischer Indikatoren als Instrumente für eine transparente und valide Beschreibung und Verfolgung des Umsetzungsprozesses der EU-Jugendstrategie unter Berücksichtigung folgender Bedingungen für sinnvoll:

  • Die Anwendungsbereiche sollten nicht über die zentralen Ziele der Jugendstrategie mit ihren Aktionsfeldern hinausgehen. 
  • Für die Erfassung von Fortschritten ist ein Bezug der Indikatoren auf zu vereinbarende qualitative und quantitative Ziele (Benchmarks) maß-geblich.
  • Grundlage der Indikatoren sollten EU-weit vergleichbare statistische Daten sein.[15]
  • Beim Einsatz vorhandener Indikatoren aus anderen Politikbereichen muss der Entwicklungs- und Bildungsansatz der Kinder- und Jugendhilfe berücksichtigt werden. Über die Messung „harter“ Fakten (z. B. Bildungsabschlüsse, Beschäftigungsquote) hinaus müssten in diesem Sinne Aspekte der persönlichen Entwicklung mittels eines jugendspezifischen Indikatorensets ergänzt werden. Zur Beschreibung der Lebenslagen junger Menschen sollten Sozialindikatoren verwendet werden, da diese sowohl die objektiven Lebensbedingungen als auch deren subjektive Bewertung abbilden. Bei der Entwicklung der derzeit diskutierten jugendpolitischen Indikatoren in den Bereichen Partizipation, freiwilliges Engagement und Jugendinformation sollte der Vielschichtigkeit der Formen und Angebote von Partizipation, freiwilligem Engagement und Jugendinformation entsprochen werden. Der Operationalisierung der Begriffe als Voraussetzung für deren Messung und Beschreibung durch Indikatoren ist Priorität einzuräumen.[16] 
  • Die zu entwickelnden Indikatoren müssen zielgruppenorientiert sein und die für die Jugendphase typischen Übergangssituationen berücksichtigen.

EU-Förderpolitik

Zu den Maßnahmen, die laut Jugendstrategie für alle festgelegten Aktionsfelder in Betracht zu ziehen sind, gehört auch der effiziente Einsatz der verfügbaren Mittel und Programme der EU sowie ein leichterer Zugang zu diesen für junge Menschen. 

Es ist davon auszugehen, dass die zukünftige förderpolitische Ausrichtung der Europäischen Union maßgeblich mit Blick auf die Zielsetzungen der Wachstumsstrategie „EU 2020“ erfolgen wird. Diese Lissabon-Nachfolge-strategie beinhaltet drei Schlüsselelemente für das angestrebte Wachstum, die durch Maßnahmen der EU und der Mitgliedstaaten umgesetzt werden sollen: 

  • „intelligentes Wachstum“ (Förderung von Wissen, Innovation und Bildung sowie der digitalen Gesellschaft),
  •  „nachhaltiges Wachstum“ (ressourceneffizientere Produktion bei gleichzeitiger Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit) und 
  • "integratives Wachstum“ (Erhöhung der Beschäftigungsquote, Qualifizierung und Bekämpfung der Armut). 

Für die bereits begonnenen öffentlichen Diskussionen über die künftige Ausgestaltung der für den Jugendbereich relevanten Bestandteile der nächsten EU-Programmgeneration ab 2014 sind hier verschiedene Anknüpfungspunkte möglich. 

Das gilt zum Beispiel für das europäische Bildungsprogramm für lebenslanges Lernen mit seinen vier Einzelprogrammen COMENIUS (Schulbildung), ERASMUS (Hochschulbildung), LEONARDO DA VINCI (berufliche Bildung) und GRUNDTVIG (allgemeine Erwachsenenbildung) sowie mit dem bereichsübergreifenden Querschnittsprogramm (u. a. politische Zusammen-arbeit und Sprachenlernen), der Aktion JEAN MONNET (Lehrangebote und Forschungsvorhaben im Bereich der europäischen Integration) und eTwinning (virtuelle Zusammenarbeit von Schulen in Europa).

Im Folgenden soll für die im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe wichtigsten EU-Förderangebote (EU-Jugendprogramm und Europäischer Sozialfonds) dahingehend kurz skizziert werden, inwiefern sie im Rahmen der Ausgestaltung der künftigen EU-Programmgeneration ab 2014 zu wirksamen Instrumenten der EU-Jugendstrategie qualifiziert werden können.  


EU-Jugendprogramm

Bereits in den Diskussionen über die Ausgestaltung der Initiative „Jugend in Bewegung“ als eine von sieben „EU 2020“-Leitinitiativen wurde die Frage nach der Ausgestaltung eines Nachfolgeprogramms von JUGEND IN AKTION (2007-2013) aktuell. Die Mitteilung der Kommission unter dem Titel „Jugend in Bewegung. Eine Initiative, die das Potenzial junger Menschen freisetzt, um kluges, nachhaltiges und integratives Wachstum in der Europäischen Union zu erreichen“ beschreibt verschiedene Maßnahmen insbesondere zur Ausweitung der Mobilität zu Lernzwecken.

Mit einer Stellungnahme hat sich die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ an einer Konsultation der Europäischen Kommission über ein künftiges EU-Jugendprogramm beteiligt.  Die AGJ argumentiert dabei für die Ausgestaltung eines eigenständigen Programms auf Grundlage der EU-Jugendstrategie, da deren ganzheitlicher jugendpolitischer Ansatz über die Handlungsschwerpunkte der Initiative „Jugend in Bewegung“ hinausreicht. 

Aus Sicht der AGJ sind für ein wirksames EU-Jugendprogramm folgende Zielsetzungen maßgeblich:

  • Unterstützung und Anerkennung von non-formalem Lernen, Mobilität und freiwilligem Engagement junger Menschen, 
  • Unterstützung, Anerkennung und Weiterentwicklung von Kinder- und Jugendhilfe sowie
  • Weiterentwicklung der jugendpolitischen Zusammenarbeit in Europa.

Ein solchermaßen konstruiertes und den aktuellen jugend(hilfe)politischen Anforderungen angemessenes EU-Jugendprogramm kann ein wirksames Umsetzungsinstrument der EU-Jugendstrategie sein. 

Europäischer Sozialfonds (ESF)

Auch der ESF wird ab 2014 für die Realisierung von Maßnahmen zur Erreichung der „EU 2020“-Zielsetzungen einzusetzen sein. Art. 162 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) definiert den ESF als arbeitsmarktpolitisches Instrument, das insbesondere der Verbesserung von Beschäftigungsmöglichkeiten und der Anhebung von Qualifikationsniveaus dient. Entsprechend wird der „EU 2020“-Schwerpunkt „integratives Wachstum“ sicherlich den wichtigsten Anknüpfungspunkt für den ESF ab 2014 darstellen. 
Allerdings bietet auch die Priorität „intelligentes Wachstum“ vor allem für die Bereiche von beruflicher Bildung und Berufseinstieg sowie Mobilität junger Menschen potentielle Einsatzgebiete für den ESF im Jugendbereich. 

Der ESF ist darüber hinaus das Finanzinstrument zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Verfolgung der beschäftigungspolitischen Leitlinien der Europäischen Union. Diese von der Kommission vorgeschlagenen und vom Rat angenommenen Leitlinien sind gemeinsame Prioritäten für die nationalen Beschäftigungspolitiken der Mitgliedstaaten. Die beschäftigungspolitischen Leitlinien seit Oktober 2010 sind: 

  • Erhöhung der Beschäftigungsquote von Frauen und Männern, Abbau der strukturellen Arbeitslosigkeit und Förderung der Arbeitsplatzqualität,
  • Heranbildung von Arbeitskräften, deren Qualifikationen den Anforderungen des Arbeitsmarkts entsprechen, und Förderung des lebenslangen Lernens,
  • Steigerung der Qualität und Leistungsfähigkeit der allgemeinen und beruflichen Bildungssysteme auf allen Ebenen und Verbesserung des Zugangs zur Hochschulbildung oder zu einer gleichwertigen Bildung sowie
  • Bekämpfung von gesellschaftlicher Ausgrenzung und Armut.

Insbesondere im Hinblick auf die Leitlinie „Bekämpfung von gesellschaftlicher Ausgrenzung und Armut“ erschließen sich vielfältige Möglichkeiten für eine Nutzung bzw. Nutzbarmachung des ESF im Rahmen von Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe. Bei der nun zu verhandelnden konkreten Ausrichtung der nächsten ESF-Generation ist das Potential des Europäischen Strukturfonds auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene als Instrument einer EU-Jugendstrategie unbedingt zu berücksichtigen. 

Ausblick

Die beschriebenen Anforderungen an die Ausgestaltung, Instrumente und Weiterentwicklung der Europäischen Jugendstrategie 2010-2018 haben grundlegenden Charakter. Nicht nur im Rahmen der Aushandlung der zukünftigen EU-Förderpolitik, sondern auch im Hinblick auf die neue Rolle von „Jugendarbeit“ und die Entwicklung jugendpolitischer Indikatoren sind bereits jetzt weiterführende Vereinbarungen auf europäischer Ebene avisiert. Die AGJ wird diese Entwicklungen dezidiert begleiten. 

 


Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ
Berlin, 02./03. Dezember 2010

 

[1] Entschließung des Rates vom 27. November 2009 über einen erneuerten Rahmen für die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa (2010-2018) (2009/C 311/01):
Unter den allgemeinen Zielsetzungen, mehr Möglichkeiten und mehr Chancengleichheit für alle jungen Menschen im Bildungswesen und auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen sowie gesellschaftliches Engagement, soziale Eingliederung und Solidarität aller jungen Menschen zu fördern, gibt die Jugendstrategie folgende Aktionsfelder für das jugendpolitische Engagement der EU und ihrer Mitgliedstaaten vor: allgemeine und berufliche Bildung, Beschäftigung und Unternehmergeist, Gesundheit und Wohlbefinden, Teilhabe, Freiwilligentätigkeit, soziale Eingliederung, Jugend in der Welt, Kreativität und Kultur. Dabei sollen sowohl spezielle Initiativen im Jugendbereich als auch sektorübergreifendes Vorgehen gefördert werden. 
Zu den Merkmalen der Jugendstrategie soll eine neue Rolle für die Jugendarbeit  gehören; die Prioritäten und Durchführungsinstrumente sollen in Abstimmung mit den jeweiligen Triopräsidentschaften und unter Billigung durch den Rat der Europäischen Union festgelegt werden. Als jugendpolitische Instrumente werden genannt: Erkenntnisgewinnung und evidenzbasierte Jugendpolitik, voneinander lernen, Fortschrittsberichte (im Rahmen des EU-Jugendberichts der Europäischen Kommission unter Mitwirkung der Mitgliedstaaten), Verbreitung der Ergebnisse, Prozessverfolgung mithilfe von Indikatoren aus anderen politischen Bereichen (z. B. Bildung, Arbeit) und zu entwickelnden jugendpolitischen Indikatoren, Konsultationen und „strukturierter Dialog“ mit jungen Menschen und Jugendorganisationen, Einsatz von EU-Programmen und EU-Mitteln.
[2] Eine Ausnahme bildet der „strukturierte Dialog“, zu dem ein eigener Anhang der Ratsentschließung konkrete Vorstellungen zur Durchführung vermittelt.
[3] vgl. Neue Qualität: Kernempfehlungen zur EU-Jugendstrategie 2010-2018. Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ, 1./2. Juli 2009
[4] Entschließung des Rates vom 27. November 2009 über einen erneuerten Rahmen für die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa (2010-2018) (2009/C 311/01)
[5] aus: Erklärung des 1. Europäischen Kongresses über Jugendarbeit, Gent, 7.-10. Juli 2010
[6] “Jugendarbeit findet im außerschulischen Bereich und im Rahmen besonderer Freizeitaktivitäten statt und beruht auf Prozessen des nicht formalen und informellen Lernens und auf freiwilliger Teilnahme. 
Diese Aktivitäten und Prozesse werden in Eigenregie oder unter Mitbestimmung der Jugendlichen oder aber unter der pädagogischen Leitung von professionellen oder freiwilligen Jugendbetreuern und Jugendleitern durchgeführt und können weiterentwickelt oder aus unterschiedlichen Beweggründen geändert werden.
Jugendarbeit wird auf unterschiedliche Art und Weise organisiert und geleistet (von jugendgeführten Organisationen, Organisationen für die Jugend, informellen Gruppen oder im Rahmen von Jugenddiensten und staatlichen Behörden); sie wird auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene konzipiert, wobei u.a. die folgenden Aspekte ausschlaggebend sind:

  • die Gemeinschaft und der historische, soziale und politische Kontext, in denen die Jugendarbeit stattfindet;
  • das Ziel, alle – insbesondere benachteiligte – Kinder und Jugendliche einzubeziehen und zu eigenverantwortlichem Handeln zu befähigen;
  • die Einbindung von Jugendbetreuern und Jugendleitern;
  • die Organisationen, Leistungen oder Anbieter, ganz gleich, ob sie staatlich sind oder nicht, ob sie von Jugendlichen geleitet werden oder nicht;
  • die jeweilige Vorgehensweise oder Methode unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Jugendlichen.
  • In vielen Mitgliedstaaten fällt auch den kommunalen und regionalen Behörden bei der Förderung und beim Ausbau der lokalen und regionalen Jugendarbeit eine zentrale Rolle zu.“

(Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten zur Jugendarbeit (18./19. November 2010) 
[7] vgl. Mehr Wissen über die Jugend: Erster Europäischer Jugendbericht. Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ, 1./2. Juli 2009
[8] „Der Europarat fasst unter „Jugend“ die 15- bis 25-Jährigen zusammen. Eurostat und Eurobarometer, die Datenbasen der Europäischen Kommission, verstehen unter „jungen Europäern“ in der Regel die 15- bis 24-Jährigen. Im ersten europäischen Jugendbericht, der von der Europäischen Kommission 2009 veröffentlicht wurde, bezogen sich die Daten, Statistiken und Analysen auf die 15- bis 29-Jährigen. In den einzelnen Mitgliedstaaten existieren wiederum eigene Definitionen. So ist nach deutschem Recht „Kind“, wer noch nicht 14 Jahre alt ist (Ausnahmen: 18 Jahre nach Bestimmungen zur Pflege, Erziehung und Adoption). „Jugendlicher“ oder „Jugendliche“ nach deutschem Recht ist, wer 14 Jahre (nach Jugendarbeitsschutzgesetz 15 Jahre) aber noch nicht 18 Jahre alt ist und „junger Mensch“, wer noch keine 27 Jahre alt ist. Nach Definition der UN-Kinderrechtskonvention wiederum ist ein Kind, wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.“ (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ (Hrsg.): Europäisches Handeln in der Kinder- und Jugendhilfe. Fachliche Impulse, politische Ziele und rechtliche Rahmungen, Berlin 2010, S. 73)
[9] Entschließung des Rates vom 27. November 2009 über einen erneuerten Rahmen für die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa (2010-2018) (2009/C 311/01)
[10] vgl. Zukunftsperspektiven für eine Jugendpolitik in Europa. Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ, 9./10. April 2008
[11] vgl. Key Messages from the Belgian Presidency of the EU Expert Conference „L’Europe de l’Enfance“, Antwerpen, 9. September 2010
[12] vgl. Council conclusions on the European and international policy agendas on children, youth and children's rights (3046th EDUCATION, YOUTH, CULTURE and SPORT Council meeting, Brussels, 18 and 19 November 2010)
[13] Entschließung des Rates vom 27. November 2009 über einen erneuerten Rahmen für die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa (2010-2018) (2009/C 311/01)
[14] Indikatoren sind Messinstrumente, mit denen Lebensbedingungen dargestellt und subjektive Zufriedenheit (Wohlergehen) ermittelt werden. Anwendungen liegen in der Politikberichterstattung und der Begründung und Verbesserung politischer Planung. Beispielsweise Sozialindikatoren dienen im engeren Sinne der Messung von Lebensqualität, im Unterschied zur rein ökonomischen Wohlfahrtsmessung durch das Bruttosozialprodukt. Beispiele für Sozialindikatoren sind Lebenserwartung, Säuglingssterblichkeit, Analphabetenquote und Armutsquote. Im weiteren Sinne sind Sozialindikatoren auch andere Messgrößen zur Beschreibung von Sozialstruktur, sozialem Wandel und anderen als gesellschaftspolitisch wichtig erachteten Sachverhalten. Gütekriterien sozialer Indikatoren sind Objektivität, Reliabilität (Zuverlässigkeit des Messinstrumentes) und Validität oder Gültigkeit.
[15] vgl. Mehr Wissen über die Jugend: Erster Europäischer Jugendbericht. Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ, 1./2. Juli 2009
[16] Ein Indikator zu Partizipation beispielsweise, der nur die Mitgliedschaft junger Menschen in Jugendverbänden und Sportvereinen erhebt, erlaubt nur ein sehr reduziertes Bild der Partizipation junger Menschen in der EU.