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Der erste Entwurf – ein Minimalkonsens?

Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen vom 17. März 2017 (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG)

Stellungnahme als PDF

I. Vorbemerkungen

Aus dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen vom 17. März 2017 (im Folgenden RefE) wird deutlich, dass etliche Anmerkungen zur SGB VIII-Reform des letzten Jahres gehört und aufgegriffen wurden. Die jüngeren Signale einer zukünftig stärkeren beteiligungsorientierten Auseinandersetzung über die Zukunft der Kinder- und Jugendhilfe werden von der AGJ ausdrücklich begrüßt.

Gleichzeitig konterkariert die kurze Anhörungsfrist zum RefE dieses Bekenntnis zu beteiligungsorientierter Auseinandersetzung. Sie macht eine vertiefte Befassung mit den Regelungsvorschlägen (gerade auch unter Berücksichtigung von Verfahrensabläufen innerhalb von Fachverbänden wie auch der AGJ) unmöglich. Etliche der vorgelegten Regelungsvorschläge sind inhaltliche Fortentwicklungen aus dem bisherigen Diskussionsprozess, Anderes taucht erstmals auf. Die mit dem Referentenentwurf vorgelegten gesetzlichen Änderungen gilt es zu reflektieren und deren intendierten wie möglicherweise nicht-intendierten Wirkungen auf der rechtlichen, aber auch der praktischen Vollzugsebene zu überdenken.

Als Zusammenschluss bundeszentraler Organisationen und Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe Deutschlands hat sich die AGJ aus fachlicher Überzeugung in den vergangenen zwei Jahren sehr umfangreich und mit hohem Engagement in den Reformprozess zum SGB VIII eingebracht und will dies weiter tun. Dringend möchte sie anregen, dass das BMFSFJ außerhalb des Verfahrens um den RefE eine Form findet, die eine Anknüpfung und Fortführung des Diskussionsprozesses des vergangenen Jahres nicht nur durch Arbeitsgruppentreffen transparent ermöglicht. Schriftliche Zusammenfassungen bereits vorgetragener Positionierungen zur Vermeidung unnötiger Wiederholungsschleifen, frühzeitige Terminierungen und transparente Vorbereitung mit vorab übersandten Besprechungsgrundlagen würden zur allgemeinen Entlastung und zur Stärkung eines Vertrauens in dem Beteiligungsprozess dienen.

Auf Grund der sehr engen Zeitläufe und die parallel zu bewältigende finale Vorbereitung des 16. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetages konnten weder alle Aspekte des RefE aufgegriffen, noch umfängliche Bewertungen erfolgen.

II. Zielbestimmung einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe

Die AGJ unterstützt das vom BMFSFJ vorangetriebene Ziel einer inklusiven Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe. In Anbetracht der hohen Komplexität und der Vielzahl weiterzuverfolgender Fragen begrüßt sie die Absicht, dieses Vorhaben über die Legislaturperiode hinaus fortzutragen und dem Verständigungsprozess über Regelungs- und Umsetzungsfragen die erforderliche Zeit einzuräumen. Im Sinne des bereits eingangs Gesagten, empfiehlt die AGJ, die umfangreichen Diskussionsbeiträge des vergangenen Jahres für alle zugreifbar zu sichern und aufzubereiten, um im weiteren Dialog daran anknüpfen und weiterdiskutieren zu können.

Die Aufnahme der vorgeschlagenen inklusiven Zielbestimmung in § 1 Abs. 4 Nr. 4 SGB VIII-RefE, die Aufnahme in die Vorgaben zur Ausgestaltung der Leistungen und Erfüllung der Aufgaben in § 9 Nr. 3 SGB VIII-RefE, zur Qualitätsentwicklung in § 79a S. 2 SGB VIII-RefE und zur Jugendhilfeplanung in § 80 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB VIII-RefE sind sinnvolle und höchst begrüßenswerte erste Schritte. Die AGJ gibt in diesem Zusammenhang aber zu bedenken, dass über die Voranstellung des Wortes „möglichst“ eine Relativierung des Entwicklungszieles der Selbstbestimmtheit erfolgt was für eine große Mehrzahl der jungen Menschen deutlich zu kurz griffe (§§ 1 Abs 1, 22 Abs. 2 Nr. 1, 24 Abs. 1 SGB VIII-RefE). Diese Einschränkung sollte daher gestrichen werden.

Ferner bestehen noch sprachliche Unstimmigkeiten. Die Benennung „Teilhabe am Leben“ der Legaldefinition in § 1 Abs. 3 RefE vermittelt kein realitätsangemessenes Bild: Leben wird bereits aus sich heraus gelebt. Auch finden sich im RefE zwei unterschiedliche Fortführungen zu Teilhabe am Leben. Während § 1 Abs. 3 RefE selbst mit „Teilhabe an der Gesellschaft“ beginnt, heißt es in § 1 Abs. 4 Nr. 1 RefE „Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft“. Eine Anlehnung an die Begrifflichkeit der UN-Behindertenrechtskonvention („volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft“) ist zu prüfen.

Anstelle der u. a. in § 36a Abs. 2 SGB VIII aufgenommenen Begriffstrias „Entwicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen“ empfiehlt die AGJ eine Anknüpfung an die Terminologie der §§ 27 ff. SGB VIII aktuelle Fassung bis in dem Dialogprozess zur inklusiven Lösung Entscheidungen über neue Begrifflichkeiten getroffen sind.

Die Aufnahme der anderen Rehabilitationsträger nach dem SGB IX in § 81 Nr. 2 SGB VIII-RefE ist zu begrüßen, muss aber durch korrespondierende Verpflichtungen in den für diese geltenden Rechtsgrundlagen ergänzt werden. Nur die Kinder- und Jugendhilfe zur strukturellen Zusammenarbeit zu verpflichten, reicht nicht aus.


III. Beratungsanspruch junger Menschen; Ombudschaft; Förderung von Selbstorganisation

Die AGJ begrüßt die Streichung in § 8 Abs. 3 SGB VIII RefE zum Beratungsanspruch junger Menschen und sieht in dieser eine Stärkung von deren eigenständigen Rechten.

Sie begrüßt als solches ferner die programmatische Verankerung von Ombudschaft in § 9a SGB VIII-RefE. Die nachdrückliche Betonung, dass Ombudsstellen unabhängig und fachlich nicht weisungsgebunden sein müssen, ist der AGJ sehr wichtig, dies sollte jedoch in § 9a SGB VIII-RefE anstelle von § 1 Abs. 4 Nr. 5 SGB VIII-RefE verortet werden. Die programmatische Verankerung kann aus ihrer Sicht zudem nur ein erster politischer Schritt zur verbindlichen Einrichtung externer, unabhängiger Ombudsstellen in der Kinder- und Jugendhilfe sein, deren Verortung landesrechtlich zu normieren ist. Entscheidend wird es nach Auffassung der AGJ auf eine hinreichende Anzahl, sinnvolle Ausstattung und durchdachte Konzeption der Ombudsstellen in den Kommunen ankommen (Beratung und Unterstützung bei Konflikten z. B. rund um hilfeplan(analog) gesteuerten Individualansprüchen muss anders erfolgen als solche zu Konflikten zur rund um Kindertagesbetreuung).

Die AGJ fordert ergänzend eine rechtliche Absicherung der Förderung von selbstorganisierten Vertretungen (Heimkinder-/Pflegekinderrat, Netzwerke von Care-Leavern). Allein der Verweis auf diese als mögliche beratende Mitglieder des Jugendhilfeausschusses in § 71 Abs. 5 S. 2 SGB VIII-RefE reicht insofern nicht aus.

IV. Beteiligung von Berufsgeheimnisträgern an der § 8a-Gefährdungseinschätzung; Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz

Die AGJ begrüßt, dass in § 8a Abs. 1 S. 2 SGB VIII-RefE bereits im Gesetzestext deutlich hervorgehoben ist, dass die Beteiligung eines Berufsgeheimnisträgers, der eine Mitteilung nach § 4 KKG gemacht hat, als fachlicher Standard greift (aber eben auch nur dann greift), wenn diese Beteiligung nach der fachlichen Einschätzung des Jugendamtes erforderlich ist. Die in der Begründung enthaltende Differenzierung zwischen einzelfallbezogener vertiefter Beteiligung an der Gefährdungseinschätzung und einer allgemeinen Rückmeldung ist aus Sicht der AGJ wichtig, damit keine überzogenen Erwartungen in der Praxis entstehen und der funktional für die Hilfebeziehung sowohl der Berufsgeheimnisträger wie auch des Jugendamtes mit den Familien notwendige Vertrauensschutz respektiert wird.

Die AGJ regt die in § 3 KKG benannten Netzwerke Kinderschutz/Frühe Hilfen an, fallübergreifend diese strukturelle Frage der Beteiligung nach § 8a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB VIII-RefE aufzugreifen.

Mit Unverständnis nimmt die AGJ wahr, dass im RefE der Professionen übergreifend breit geäußerten Forderung nicht nachgekommen wird, § 4 Abs. 1 bis 3 KKG in seiner jetzigen Form zu belassen. Obgleich im Vergleich zu den bekannt gewordenen Arbeitsfassungen Nachjustierungen in der Formulierung erkennbar sind, hält es die AGJ weiter für ein gänzlich verfehltes Signal an die Praxis, die Meldebefugnis aus Abs. 4 der aktuellen Fassung in § 4 Abs. 1 KKG-RefE vorzuziehen. So wird der bisher in der Reihenfolge der Absätze widergespiegelten Handlungsstufenchronologie nicht mehr gefolgt, obgleich laut Begründung inhaltlich an ihr festgehalten werden soll. Hinzukommt, dass § 4 Abs. 2 KKG-RefE nicht hinreichend verdeutlicht, dass es eine eigene Handlungspflicht der Berufsgeheimnisträger selbst ist, mit den Betroffenen die Situation zu erörtern und möglichst auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinzuwirken. Hierdurch droht erneut eine vorschnelle Verantwortungsabgabe an das Jugendamt bei Anhaltspunkten für Kindeswohlgefährdung und damit ein Rückschritt seit dem BKiSchG. Die AGJ fordert in diesem fachlich für alle handelnden Berufsgeheimnisträger fordernden Bereich eine fortgehende Qualifizierung der Praxis anstelle von Gesetzesänderungen.

V. Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz

Obgleich die AGJ die Vermittlung von Medienkompetenz für bedeutsam hält, lehnt sie die Ergänzung in § 14 S. 2 SGB VIII-RefE ab. Sie setzt innerhalb der Bandbreite des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes einen Schwerpunkt, der die für die kommunale Ebene zu bewahrende flexible Ausrichtung an dem vor Ort bestehenden Unterstützungsbedarf einschränken kann.

VI. Kindertagesbetreuung

Die Ergänzung zum Förderauftrag in § 22 Abs. 4 SGB VIII-RefE bezogen auf den Erwerb von Sprachkompetenzen wird von der AGJ begrüßt.

Da die gemeinsame Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderung in jeder Form der Kindertagesbetreuung vorkommen kann, hält die AGJ das Vorziehen der Pflicht zur Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe, anderen beteiligten Rehabilitationsträgern usw. aus § 22a Abs. 4 S. 2 SGB VIII der aktuellen Fassung in § 22 Abs. 2 S. 2 SGB VIII-RefE für sinnvoll.

Im Hinblick auf die Verstärkung des Inklusionsauftrages der Kinder- und Jugendhilfe ist aus Sicht der AGJ die Streichung der bisher in § 22a Abs. 4 SGB VIII-RefE enthaltene Relativierung des Ziels einer gemeinsamen Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderung konsequent und ausdrücklich zu begrüßen. Gleichzeitig macht § 22a Abs. 4 S. 2 SGB VIII-RefE deutlich, dass die besonderen Bedürfnisse von Kindern mit Behinderung zu berücksichtigen bleiben und beugt somit einer bedarfsfernen Gleichmacherei vor.

Die AGJ weist hier aber darauf hin, dass parallel zu den gesetzlichen Vorgaben eine Qualitätsoffensive in den Kindertageseinrichtungen dringend erforderlich ist, damit den stetig steigenden Erwartungen an die Kindertagesbetreuung in der Praxis fachlich adäquat nachgekommen werden kann. Die Berichtspflicht in § 24a SGB VIII-RefE wird vor diesem Hintergrund begrüßt.

VII. Ergänzende Hilfeplanung bei stationären Leistungen, Änderungen im Bereich der Pflegekinderhilfe

Der diskursive Prozess innerhalb des Dialogforums Pflegekinderhilfe hat wesentlich dazu beigetragen, Weiterentwicklungsbedarfe in diesem Bereich aufzuzeigen und eine Verständigung über Lösungswege zu erreichen. Die AGJ befürwortet die Aufnahme dieser Erkenntnisse im RefE.

Sie begrüßt insbesondere die durch §§ 1632 Abs. 4, 1696 As. 3, 1697a Abs. 2 BGB-RefE ermöglichte zivilrechtliche Absicherung von Dauerpflegeverhältnissen und sieht in diesen eine gelungene Balance zwischen dem Interesse an Kontinuität und Stabilität im Pflegeverhältnis, aber auch fortbestehender Bindungen zur Herkunftsfamilie.

Obgleich § 36a SGB VIII-RefE wohl im gleichen Regelungswillen gestaltet wurde, wird hier diese Balance durch die deutliche Differenzierung von zeitlich befristeten und auf Dauer angelegten Pflegeverhältnissen nicht gleichermaßen erreicht. Gerade am Anfang von Pflegeverhältnissen kann oft noch keine eindeutige Prognose getroffen werden, ob es gelingen wird, die Entwicklungsbedingungen in der Herkunftsfamilie wieder so zu verbessern, dass die Rückkehroption greifen kann. Diese Unsicherheit auszuhalten, ist für Pflegekinder, Pflegeeltern, Herkunftseltern, aber auch betreuende Fachkräfte teils sehr schwer. Vorschnelle Festlegungen können aber andersherum gelingende Hilfe und gleichgerichtete Zusammenarbeit zwischen den Bezugspersonen gleichermaßen verunmöglichen. Die AGJ spricht sich daher dafür aus, in § 36a Abs. 1 SGB VIII-RefE sowie § 1697a Abs. 2 BGB-RefE aufzunehmen, dass Gegenstand der Hilfeplanung bei stationären Leistungen zunächst auch sein kann, die Perspektivklärung über einen festgelegten und dann zu überprüfenden Zeitraum zu betreiben.

Die Ausdifferenzierung der Beratung und Unterstützung von Pflegepersonen (§ 37 SGB VIII-RefE) wie Herkunftseltern (§ 37a SGB VIII-RefE) wird ausdrücklich begrüßt. Jenseits der gesetzlichen Regelung hält die AGJ in diesem Bereich eine Vorhaltung und Weiterentwicklung bedarfsgerechter Angebote für noch nicht hinreichend gegeben.

Um jungen Menschen, die innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe leben, nicht in ihren ersten Schritten in eine Erwerbstätigkeit zu demotivieren, begrüßt die AGJ die Reduzierung der Kostenheranziehung der jungen Menschen in § 94 SGB VIII-RefE sehr.

Die Verpflichtung in § 78 Abs. 2 SGB VIII-RefE Vereinbarungen mit Leistungserbringern abzuschließen, wenn sie Leistungen nach §§ 37 Abs. 1 oder 37a Abs. 2 SGB VIII-RefE erbringen, wird ausdrücklich begrüßt. Die Bezugnahme auf § 78e SGB VIII-RefE ist sinnvoll, da so die Zuständigkeit eines einzelnen örtlichen Trägers für den Vereinbarungsabschluss festgelegt wird.

Die Differenzierung in der Anknüpfung der örtlichen Zuständigkeit in § 87a Abs. 1 SGB VIII-RefE zwischen dem Bereich, in dem eine Tagespflegetätigkeit ausgeübt wird, und dem Bereich, in dem eine Vollzeitpflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, wird unterstützt.

VIII. Übergangsmanagement und Hilfen für junge Volljährige

Die AGJ schließt sich Forderungen an, das Übergangsmanagement in § 36b SGB VIII-RefE korrespondierend zur Hilfeplanung als Übergangsplanung zu bezeichnen. Obgleich sie das Regelungsziel einer transparenten Übergangsplanung teilt, befürchtet die AGJ, dass die Formulierung die Legitimierung bereits jetzt zu beobachtender Vollzugsdefizite verstärken könnte, die im Hinblick auf die Gewährung von Hilfen für junge Volljähre zu beobachten sind.

Die Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe endet nicht automatisch und auch nicht grundsätzlich mit Erreichen der Volljährigkeit. Dies wird im Normtext von § 36b Abs. 1 SGB VIII-RefE sowie dessen Begründung aber suggeriert. Die AGJ hält dies für einen diametralen Widerspruch zu bestehenden Rechtsansprüchen gem. § 41 SGB VIII und fordert hier dringend Änderungen. Sie verweist insoweit auch auf die Feststellungen im 15. Kinder- und Jugendbericht.

Zudem sollte deutlich gemacht werden, dass die Übergangsplanung unabhängig vom Lebensalter vorzunehmen ist und z. B. auch die Beratung von Eltern umfassen kann, familienfördernde Leistungen jenseits der Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen.

Die AGJ begrüßt die klarstellende Aufnahme der sogenannten coming-back-Option in § 41 Abs. 1 S. 3 SGB VIII-E. Hilfreich wäre insoweit eine klarere Formulierung, z. B. „Der Anspruch besteht auch, wenn eine Rückkehr in eine beendete oder eine andere geeignete Hilfe nach diesem Sozialgesetzbuch notwendig ist“.

IX. Regelungen zur Betriebserlaubnis, Auslandsmaßnahmen

Auch im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Vorschriften zur Betriebserlaubnis befürwortet die AGJ, dass in §§ 45, 45a, 46, 47, 38 SGB VIII-RefE an eine erfolgreiche Debatte der vergangenen zwei Jahre angeknüpft wird und diese an die Vorschläge des JFMK-Beschlusses 1/2016 anschließen. Die hierauf bezogenen Anmerkungen der AGJ-Empfehlungen „Vielfalt gestalten, Rechte für alle Kinder und Jugendlichen stärken!“ vom 25.02.2016 sollen insofern nicht wiederholt werden. Allerdings ist es der AGJ wichtig nochmals darauf hinzuweisen, dass politische Erwartungen auf Grund von § 46 Abs. 2 SGB VIII-RefE an regelhafte, nicht einzelfallbezogene, unangemeldete örtliche Prüfungen bei der jetzigen personellen Ausstattung der Betriebserlaubnisbehörden zu dämpfen sind.

X. Erweiterte Führungszeugnisse; Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der offenen Jugendarbeit

Die Neufassung des § 72a Abs. 5 SGB VIII-RefE wird von der AGJ befürwortet, sie macht eine sinnvoll begrenzte Speicherung erlangter Erkenntnisse durch die Einsichtnahme in die erweiterten Führungszeugnisse Neben- und Ehrenamtlicher möglich. Sehr zu bedauern ist, dass die Neuschaffung der Möglichkeit einer sog. Negativbescheinigung im BZRG nicht gelungen ist. Die AGJ regt an, diesbezügliche Bestrebungen von Seiten des BMFSFJ fortzusetzen.

Die Regelung des § 48b SGB VIII-RefE lehnt die AGJ entschieden ab. Dem immensen bürokratischen Aufwand flächendeckend abzuschließender Vereinbarungen steht kein annähernd angemessener Anstieg im Kinderschutz entgegen. Die Ressourcen können für den Schutz von Kindern und Jugendlichen deutlich effektiver genutzt werden.

Die Regelung würde nicht nur eine erhebliche Erschwerung (offener) Jugendarbeit darstellen. Sie bedroht ehrenamtliches Engagement in diesem auf Selbstorganisation und Ehrenamt aufbauenden Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Bereits jetzt ist in der Praxis zu beobachten, dass aus einem Sicherheitsdenken heraus entgegen der Regelung in § 72a Abs. 4 S. 2 SGB VIII auch bei Aktivitäten unter nahezu gleichaltrigen Jugendlichen pauschal ein Führungszeugnis von Jugendleitungen gefordert wird, obgleich hier kein Macht- oder Abhängigkeitsverhältnis zu befürchten ist. Die AGJ lehnt ab, Jugendarbeit zusätzlichen Regelungen zu unterwerfen und fordert die Streichung von § 48b SGB VIII-RefE.

XI. Finanzierungsvorschriften

Die veränderte Reihenfolge der §§ 74 bis 78 SGB VIII-RefE ist aus Sicht der AGJ ebenso wenig zu beanstanden wie die Einordnung des § 36a SGB VIII aktuelle Fassung in diesen Kontext durch §§ 76a, 76b SGB VIII-RefE. Die Anpassung in § 78a Abs. 2 SGB VIII-RefE an die Aufnahme der §§ 42a ff. SGB VIII ist folgerichtig.

Die eingangs in dieser Stellungnahme aufgenommene und zur inklusiven Weiterentwicklung verdeutlichte Forderung nach einer Sicherung und Aufarbeitung der Diskussionsbeiträge des vergangenen Jahres unterstreicht die AGJ auch in Bezug auf die Themenbereiche der sozialräumlichen, unmittelbar zugänglichen Angebote und der Weiterentwicklung der Finanzierungsvorgaben.

XII. Jugendcheck

Die AGJ begrüßt und unterstützt ausdrücklich die geplante gesetzliche Verankerung des sogenannten Jugendchecks. Gleichzeitig will sie hier aber betonen, dass die vorgeschlagene Umsetzung in § 83 Abs. 2 SGB VIII-RefE hinter den Erwartungen aus dem Diskussionsprozess der vergangenen Monate zurückbleibt.

Der Vorschlag der Anbindung dieser Aufgabe an das Bundesjugendkuratorium überrascht. Die AGJ sieht darin durchaus Chancen, hält aber eine intensive und dialogische Auseinandersetzung mit diesem Beratergremium, ob und in welcher Ausgestaltung die Aufgabe übertragen wird, für dringend erforderlich.

Da das Bundesjugendkuratorium ein ehrenamtliches Gremium ist, sind Belastungsgrenzen zu berücksichtigen. Zu begrüßen ist, dass offenbar eine unterstützende Geschäftsstelle o. ä. geplant ist. Gleichzeitig sollte vermieden werden, dass das Bundesjugendkuratorium allein als Namensgeber ohne tatsächliche Einflussmöglichkeiten betraut wird. Das Verhältnis von BMFSFJ, Geschäftsstelle-Jugendcheck und Bundesjugendkuratorium muss genauer herausgearbeitet werden. Die Planungen hierzu (etwa im Rahmen der genannten Verwaltungsvorschriften) sind nicht bekannt, obgleich dies für eine Bewertung des Vorschlags dringend erforderlich wäre. Sehr problematisch erscheint die bereits jetzt in der Begründung angedeutete Relevanzvorprüfung durch das BMFSFJ, die als nicht-überprüfungsfähiger Filter wirken kann.

Daneben hält die AGJ die Formulierungen „wesentliche Auswirkungen“ und „Stellung nehmen“ in § 83 Abs. 2 SGB VIII-RefE für eine Wegführung von der bisher beabsichtigten Zielrichtung des Jugendchecks als Analyse- und Darstellungsinstrument spezifischer Auswirkungen von Gesetzgebungsvorhaben auf die benannte Gruppe junger Menschen. Der Jugendcheck sollte gerade keine weitere Stellungnahme sein und auch nicht selbst bewerten, sondern den Bundesressorts, Ländern, Verbänden, politischen Parteien und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren eine eigenständige Bewertung in diesem Sinne ermöglichen. Dies kann aber im Fall einer gleichzeitigen Zuleitung des Entwurfs gar nicht mehr erreicht werden.

XIII. Harmonisierung der Rechtskreise

Im Interesse eines sozialleistungsbereichsübergreifenden Kinderschutzes dringt die AGJ darauf, über die vorgesehenen Änderungen im SGB V hinaus weiter auf eine Ermöglichung solcher Leistungen des Gesundheitswesens hinzuwirken. Sie bedauert, dass im RefE hierzu keine weitergehenden Schritte vorgesehen sind.

Die Verweisungen in § 35a SGB VIII-RefE auf das durch das Bundesteilhabegesetz geänderte SGB IX sind ebenso wie eine erforderliche längere Geltungsdauer des § 54 Abs. 3 SGB XII zu überprüfen.

Vorstand der     
Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ    
Düsseldorf, 27. März 2017