„Inklusion gestalten! Anregungen zum Beteiligungsprozess, Bewertungen der Gestaltungsoptionen zum Verfahren (2. Teil), Finanzierung, Übergang in die Eingliederungshilfe, Gerichtsbarkeit, Umstellung und Übergangsphase sowie Kostenheranziehung“
Zweite zusammenführende Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ zum BMFSFJ-Diskussionsprozess „Gemeinsam zum Ziel“ [1]
Abstract
Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ unterstützt das durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz vorgegebene und politisch breit getragene Ziel einer inklusiven Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe seit langem. Innerhalb der AGJ beteiligt sich die AGJ-Gesamt-AG SGB VIII intensiv an dem vom BMFSFJ initiierten Diskussionsprozesses „Gemeinsam zum Ziel: Wir gestalten die Inklusive Kinder- und Jugendhilfe!“. Der AGJ-Vorstand verdeutlicht mit dieser Stellungnahme, dass die von der AGJ-Gesamt-AG SGB VIII zu den Bundes-AG-Sitzungen am 27.06.2023 und 12.09.2023 mündlich und in zwei Vorabkommentierungen vorgetragenen Positionen solche der AGJ sind. Die AGJ bringt Anregungen ein, was über die im BMFSFJ-Arbeitspapier genannten Aspekte innerhalb der Regelungen eines inklusiven Planungsverfahren zu beachten ist. Sie spricht sich entschieden für eine Bewahrung durch das KJSG im Jahr 2021 gesichert geglaubten Errungenschaften der Hilfe für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII) und eine Übertragung von dessen Grundprinzipien auf alle jungen Menschen mit egal welchen Beeinträchtigungen aus. Indem sie zu dem als eher sperrig wahrgenommenen Reformbaustein der Kostenheranziehung Leitgedanken zur Bewertung hervorarbeitet, statt sich auf eine Bewertung der im BMFSFJ-Arbeitspapier zu fokussieren, gelingt es ihr, die enthaltenen deutlichen Potentiale zur Verwaltungsentlastung sichtbar machen. Aus Zeit- und Kapazitätsgründen war es nicht möglich, auch diese Stellungnahme durch ein diskursives Eingehen auf Inputs und Äußerungen der Sitzungen zu ergänzen.
I. Allgemeine Anregung: Gemeinsam zum Ziel ohne zu erstarren!
Die AGJ unterstützt das durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) vorgegebene und politisch breit getragene Ziel einer inklusiven Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe seit langem und bringt sich in den aktuell durch das BMFSFJ initiierten Beteiligungsprozess „Gemeinsam zum Ziel“ kontinuierlich ein. Ihre zu den vorherigen Bundes-AG-Sitzungen erarbeiteten Positionierung hat die AGJ in einer ersten zusammenführenden Stellungnahme „Inklusion gestalten! Anregungen zum Beteiligungsprozess, Bewertungen der Gestaltungsoptionen zur künftigen Anspruchsnorm und Verfahren“ zusammengeführt und knüpft an diese an [2].
Die AGJ hält es weiterhin für dringend notwendig vor einer Bewertung der in den Arbeitspapieren vorgestellten Handlungsoptionen nochmal auf zwei übergeordnete Aspekte einzugehen – die Kostenneutralität und den Fachkräftemangel:
- Kostenneutralität hält sich als Vorgabe des Gesetzgebers für die weitere Reform hartnäckig. Es handelt sich um eine mögliche Ableitung aus § 108 Abs. 2 S. 2 SGB VIII („keine Ausweitung des Kreises der Leistungsberechtigten sowie des Leistungsumfangs“). Dem steht die begleitende Entschließung des Bundestags[3] gegenüber, dass Ziel der Neuregelung eine Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen und ihren Familien sein muss. Die AGJ wiederholt ihre bereits mehrfach in diesem Bundesbeteiligungsprozesses ausgesprochene Warnung, dass eine zu frühzeitige Fokussierung auf Kostenfolgen fachlichen Bewertungen vorweggreift. [4] Einer an die Forderung nach Kostenneutralität implizit gekoppelten Forderung nach Stillstand ist entgegenzusetzen, dass Kostensteigerungen gerade auch Folge ausbleibender Gesetzesänderungen sein können. Nicht jede Änderung zieht Kostensteigerung nach sich, aber manche fachlich als notwendig erachtete Veränderungen können auch Kostenauslösen (bspw. durch erleichterte Zugänge). Verschiebebahnhöfe und zu spät einsetzende Unterstützungsleistungen sind jedenfalls ineffizient, beidem ist als Ressourcenvergeudung politisch entschieden entgegenzutreten. Das gelingt keinesfalls durch Stillstand, sondern braucht klug gestaltete Veränderung.
- Fachkräftemangel ist seit vielen Jahren ein Faktum in der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Eingliederungshilfe. Er trifft öffentliche und freie Träger gleichermaßen. Alles spricht dafür, dass es dabei in den nächsten Jahren bleiben wird. Angemessene Antworten können wiederum nur durch grundlegende Veränderungen gefunden werden. Eine inklusive Jugendhilfe wird das Wie verändern, in welcher Art und Weise wir in Deutschland mit jungen Menschen mit Behinderungen und ihren Familien umgehen: Die Hilfe wird nachhaltiger sein, Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den Ressorts werden beendet und die Kapazitäten durch ein Ende des Verschiebens und ein Ende unnötiger Bürokratismen frei, um zu helfen.
Bei der Bewältigung der mit dieser Reform einhergehenden „neuen Aufgaben“ kann zudem – im Unterschied zu anderen Reformen – auf das Engagement der Fachkräfte in Ämtern sowie der Mitarbeiter*innen von leistungserbringenden Trägern der Eingliederungshilfe gezählt werden, durch welche die Adressat*innen bereits jetzt begleitet werden. Der Ressortwechsel wird jedoch als begleiteter Prozess zu vollziehen sein und ist als wertschätzendes Zusammenwachsen der Systeme zu gestalten. Soweit das geschieht, spricht viel dafür, dass eine gut gemachte „Inklusive Lösung“ ein Baustein dafür sein kann, der perspektivisch dem Fachkräftemangel begegnet und ihn nicht verschärft.
Selbstverständlich sind die Belastung der Strukturen durch den Fachkräftemangel, die Krisen und die in den letzten Jahren anwachsenden Aufgaben an Qualität bei der Gestaltung dieser Transformation im Blick zu halten. Deshalb ist etwa bei der Formulierung der Verfahrensregeln Augenmerk darauf zu legen, dass sie fachliche Standards von Unterstützungsleistungen absichern, statt Kraft für bürokratische Hülsen zu verbrauchen. Es gilt auf unterschiedlichen Ebenen konkrete Fragen zu erörtern: zum Bundesrecht (z.B. Vereinbarkeit der in der Eingliederungshilfe üblichen sog. Ergänzungskräfte mit dem Fachkräftegebot der Kinder- und Jugendhilfe), auf Länderebene (z.B. inwiefern in den zu den Rahmenverträgen die Gewährleistung qualitativer Anforderungen an Inklusion durch angepasste Regelleistungsbeschreibung und Grundfördersätze erfolgt oder inwiefern es jeweils bedarfsbezogene Aufstockungsanträge braucht), in den Kommunen (z. B. wo Versorgungslücken und -spielräume gesehen werden, welche Teams künftig zusammenarbeiten sollen und in den gemeinsamen Fachaustausch starten können). Die im aktuellen Arbeitspapier genannten Optionen zur Übergangsphase reißen solche Fragen erstmals an (dazu unter TOP 3 Nr. 3). Die Strukturen warten noch auf eine realistische Einschätzung, welche Unterstützung sie durch den Bund hinsichtlich der für die Umsetzung der Reform notwendigen Verwaltungsstrukturveränderungen und hinsichtlich des fachlichen Verständigungs- und Qualifizierungsprozesses zwischen den zusammenwachsenden Systemen erwarten können.
II. Zu den im BMFSFJ-Arbeitspapier aufgeworfenen Handlungsoptionen, das am 8. Juni 2023 zugesandt wurde
TOP 1: Hilfe-, Gesamtplan- und Teilhabeplanung (Teil 2)
Die im BMFSFJ-Arbeitspapier enthaltene Skizzierung des Planungsverfahrens wird von der AGJ als sehr hilfreich wahrgenommen (Option 3 des BMFSFJ-Arbeitspapiers v. 23.03.2023 zum „Hilfe- und Teilhabeplanverfahren“ konkretisierende mehrseitige Übersichtstabelle mit Verfahrenselementen, welche allgemein bzw. in Ableitung aus SGB IX 1. Teil ergänzend bei behinderungsspezifischen Bedarfen einzuhalten sind). Diese Übersicht zeigt auf, welche Grundvorstellung zu Verfahrensablauf und -inhalten bestehen und wo in den Vorgaben Differenzierungen bei behinderungsspezifischen Bedarfen geplant werden.
Die AGJ stimmt der aufgenommenen Übersicht weitestgehend zu. Sie weist jedoch darauf hin, dass der Unterpunkt „Beteiligung der Adressat*innen“ sprachlich sehr kurz auf ein zentrales Verfahrenselement verweist, welches sowohl aus Sicht der Kinder- und Jugendhilfe im Lichte des fachlichen Leitprinzips der Subjektorientierung wie auch aus Sicht der Eingliederungshilfe im Lichte des fachlichen Leitprinzip der Personenzentrierung höchste Bedeutung beigemessen wird.[5] Da die hiermit verbundenen fachlichen Implikationen jenseits der Kinder- und Jugendhilfe sowie Eingliederungshilfe nicht unbedingt bekannt sind, es sich aber um ein besonders sensibles und entscheidendes Verfahrenselement handelt, ist der AGJ wichtig zu betonen, dass sie an dieser Stelle weiter die Vorgabe der Methode eines Gesprächs bzw. einer Konferenz erwartet. Ein entsprechendes Stichwort fehlt. Das bisher vorgegebene Hilfeplangespräch bzw. Teilhabeplan- oder auch Gesamtplankonferenz sind aber deutlich weitgehender als die typische verwaltungsrechtliche Anhörung, da sie eine gemeinsame Beratung/ein gemeinsames Aufstellen des Plans als Grundlage für die Ausgestaltung der Leistung beinhalten (vgl. zum Hilfeplangespräch § 36 Abs. 2 S. 2 SGB VIII bzw. zur Teilhabeplankonferenz §§ 20ff. SGB IX 1 Teil, zur Gesamtplankonferenz § 119 Abs. 2 S. 1 SGB IX 2. Teil). Die AGJ spricht dem BMFSFJ ihr Vertrauen aus, die Normen in diesem fachlichen Geist zu entwerfen und auch in Abstimmung mit den anderen Ressorts darauf zu achten, dass der Stichpunkt „Mitwirkung von Personensorgeberechtigten sowie Kind oder Jugendlicher/Jugendlichem an der Planung“ nicht auf die Mitwirkungspflichten der Adressat*innen i. S. d. §§ 60ff SGB VIII verengt wird, sondern dass vielmehr in den Verfahrensnormen das sozialpädagogische Verständnis der bereits während des hoheitlichen Verwaltungsverfahrens beginnende Koproduktion mit den Adressat*innen aufgegriffen wird.
Anregen möchte die AGJ auch zu überlegen, wie die Verfahrensvorgaben zur Ermöglichung einer abgestimmten Hilfeerbringung bei einem Unterstützungsbedarf von Eltern mit Behinderung eingeflochten werden können (Elternassistenz oder begleiteter Elternschaft, § 113 Abs. 1 i. V. m. § 78 Abs. 3 SGB IX 1. Teil).
Die konkrete Formulierung der Verfahrensnormen im Rahmen der Erstellung des Referatsentwurfs trifft auf die Herausforderung, dass an konkrete Vorgaben die Hoffnung geknüpft ist, Adressat*innenrechte und Verfahrensqualität abzusichern. Je strikter Verfahrensnormen jedoch sind, desto höher ist aber auch der Anpassungsdruck der Leistungsberechtigten an die Verfahrensvorgaben und desto eher gerät die eigentlich fachgerechte Adaption an die Lebenssituation und -umstände aus dem Blick. Konträr zur Intention der Verfahrensqualität kann das schwerfällige bürokratische Automatismen anstelle von Beteiligung und Mitgestaltung treten lassen. Die daher erforderliche Balance zwischen beiden Anforderungen ist sicherlich eine der hervorgehobenen Herausforderungen an die Reform.
TOP 2: Übergang in die Eingliederungshilfe
1. Inklusion im jungen Erwachsenalter durch Altersgrenzen nicht aufgeben
Die AGJ hat mit Unverständnis angesichts der Fachdiskussionen der vergangenen Jahre wahrgenommen, dass die drei im BMFSFJ-Arbeitspapier genannten Optionen zur Gestaltung des Übergangs der Zuständigkeit von Kinder- und Jugendhilfe in die Eingliederungshilfe sehr restriktiv Altersgrenzen setzen und durch das KJSG gesichert geglaubten Errungenschaften der Hilfe für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII) aufgeben. Genannt werden im BMFSFJ-Arbeitspapier eine fixe Altersgrenze bei 18 Jahren (Option 1), eine fixe Altersgrenze bei 21 Jahren (Option 2) sowie eine Altersgrenze bei 18 Jahren mit der Möglichkeit eines kurzzeitigen bzw. maximal einjährigen Verlängerung der Zuständigkeit bei überwiegender Wahrscheinlichkeit, dass der Bedarf zeitnah entfällt (Option 3/3a). Die AGJ drängt entschieden auf die Berücksichtigung einer neuen vierten Option, die in enger Anlehnung an das Modell des jetzigen § 41 SGB VIII einen Erhalt der geeigneten und notwendigen Leistung aufgrund der konkreten Lebenslage des jungen Menschen in der Regel bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs vorsieht, aber in begründeten Einzelfällen (Erforderlichkeit zur Kontinuitätssicherung) auch eine Fortsetzung für einen begrenzten Zeitraum möglich macht – ggf. bis zum Ende der für die Kinder- und Jugendhilfe relevanten Altersspanne bis 27 Jahren.
Es ist fachlich nicht nachzuvollziehen, warum Inklusion in der Kinder- und Jugendhilfe mit 18 oder 21 Jahren enden soll und warum letztlich zum einzig entscheidenden Kriterium für eine Weiterbewilligung die Prognose fixiert werden sollte, ob der junge Mensch anschließend voraussichtlich zum Erhalt Eingliederungshilfeleistungen gem. §§ 90ff SGB IX 2. Teil aufgrund eines behinderungsbedingten Bedarfs berechtigt ist. Hinzukommt, dass eine solche Prognose bei vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der spezifischen Lebensphase noch gar nicht realistisch zu treffen ist.
Eine gesetzliche Fixierung auf das Vorliegen einer Behinderung beim Übergang aus der Kinder- und Jugendhilfe würde eine flächendeckende (kinder- und jugend)psychiatrische Diagnostik aller in Einrichtungen oder Pflegefamilien untergebrachten Kinder befürchten lassen, die allein dadurch motiviert ist, das Fortbestehen der eigenen Zuständigkeit zu prüfen. Das ist weder bedarfsgerecht noch ein sinnvoller Einsatz von Personalressourcen.
Selbstverständlich stellt die AGJ nicht in Abrede, dass ein Zuständigkeitsübergang im Prozess des Erwachsenwerdens erfolgen muss. Der vermeintlichen Rechtsklarheit einer Altersgrenze (der offenbar auch das BMFSFJ-Arbeitspapier als Ziel folgt) steht allerdings unvereinbar die Idee von Inklusion, das Bedürfnis der jungen Menschen nach Kontinuität in der Begleitung auf dem Weg ins selbstständige oder professionell begleitete Erwachsenenleben gegenüber. Die Entwicklungs- und Teilhabedynamik sozialer Lebens- und Bedarfslagen beim Übergang im Erwachsenenalter betrifft auch junge Menschen mit Behinderungen. Definierte Altersgrenzen sind für funktionales Sozialverwaltungshandeln bedeutsam, was keine datumsgenaue Fixierung bedeutet. Die AGJ hält anstelle der starren Altersgrenzen das Lebensphasenprinzip für geeigneter und fordert auf, das Interesse der Adressat*innen über jenes einer reinen Verwaltungslogik zu stellen. Das Modell einer Altersgrenze des § 41 Abs. 1 SGB VIII mit der Möglichkeit einer Ausnahme in begründeten Einzelfällen hat sich bewährt. Um gefährliche biografische Brüche zu vermeiden, sind Leistungen nach SGB VIII bei „Erforderlichkeit zur Kontinuitätssicherung“ weiter zu gewähren, bis ein Übergang in die Selbstständigkeit oder ein Unterstützungssystem für Erwachsene gewährleistet ist.
Aus Sicht der AGJ kann aus folgenden Gründen nur diese vierte Option als geeignet betrachtet werden:
- Der 15. Kinder- und Jugendbericht [6] hat das junge Erwachsenenalter in seiner Bedeutung für die Qualifizierung, Verselbstständigung, Selbstpositionierung junger Menschen herausgestellt und gerade darauf hingewiesen, dass diese keinesfalls mit Erreichen der Volljährigkeit abgeschlossen sind. Zudem hat der Bericht gerade betont, dass junge Menschen mit Behinderungen diesbezüglich bisher zu wenig beachtet wurden. Weiterhin hat das Bundesjugendkuratorium 2020 in einer ausführlichen Stellungnahme zum jungen Erwachsenenalter gerade auch die Bedeutung des jungen Erwachsenenalters für eine inklusiven Übergang ins Erwachsenenalter herausgestellt.[7] Durchgängig wird das junge Erwachsenenalter als das Lebensalter gesehen, in dem wichtige Weichenstellungen – gerade auch mit Blick auf die inklusive Berufsfindung – getroffen werden. Genau das griff das KJSG – auch in seiner Begründung – als Erkenntnis auf und stärkte im § 41 SGB VIII nicht nur den Anspruch auf „Ersthilfe“ bis 21 Jahren, sondern konkretisierte zudem die Möglichkeit des Coming-back und wahrte die sog. Fortsetzungshilfe bis 27 Jahren.
- Würde eine der drei Optionen des BMFSFJ-Arbeitspapiers gewählt, würde eine starke rechtliche Altersgrenze eingezogen, die junge Volljährige – über ein bisher nicht bekanntes oder erforschtes Einschätzungsverfahren – in zwei Gruppen der Selbstständigkeit in ihrer Lebensgestaltung und Unterstützungsbedarfen klassifiziert.
- Unklar ist dabei auch, wie eine Kontinuität von Leistungen gesichert werden soll und Leistungskürzungen z.B. für junge Menschen mit (drohender) seelischer Behinderung verhindert werden können, die bisher zweifelsohne dem Anwendungsbereich des § 41 SGB VIII unterfallen.[8] Für sie gilt in besonderer Weise, dass Krankheitsschübe und/oder (post)traumatische Belastungsstörungen zu unvorhersehbaren, keineswegs gradlinigen Hilfeverläufen führen und ggf. immer wieder durch Stabilisation, Auszeiten, Konflikte, Unsicherheiten aufgefangen werden müssen. Diese Hilfen jenseits des 18. Lebensjahrs sichern die von den jungen Menschen errungenen Erfolge und sind oftmals zukunftsweisend für ihren selbsttätigen Umgang mit der Beeinträchtigung als Erwachsene.
- Auch junge Menschen mit einer Behinderung bei körperlicher, geistiger oder Sinnesbeeinträchtigung, die auf Dauer – ggf. absehbar ein Leben lang – bleiben, kann keinesfalls per se eine dem jungen Erwachsenenalter entsprechende selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbstständige Lebensführung abgesprochen werden. Die Reform muss zwingend eine Diskriminierung dieser Personengruppen, deren Benachteiligung durch grundlose Ungleichbehandlung verhindern (Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2). In den vergangenen Jahren- und Jahrzehnten haben sich die Diskurse in der Behindertenhilfe, gefördert durch eine sehr aktive Selbstvertretung dahingegen verschoben, sowohl eine Ablösung aus dem Elternhaus als auch die Übergangsstrukturen in Arbeit und den Zugang zum sog. ersten Arbeitsmarkt als Lebensperspektive voranzutreiben. Inklusive Schulsozialarbeit, inklusive Jugendberufshilfe, inklusive (Aus-)Bildungsprozesse an allen Lernorten, ein inklusiver Arbeitsmarkt werden fachlich vorangetrieben[9]. Das Jugend- und junge Erwachsenenalter wird europaweit gerade auch in Bezug auf die Übergänge in die Arbeitswelt als Lebensalter bis zum 25. Lebensjahr gesehen[10]. Europaweit etabliert sich hier zunehmend Respekt, dass diese Findungsphase erst ungefähr mit 25 Jahren abgeschlossen ist – ungeachtet einer etwaigen Behinderung. Es wäre geradezu höhnisch, wenn ausgerechnet die „Inklusive Lösung“ in Deutschland eine Altersgrenze bei 18 oder 21 Jahren und eine gegenläufige Kehrtwende für junge Menschen mit Behinderungen setzt.
- Auf Grund der Zielkonflikte, Leistungsberechtigte möglichst früh an ein anderes Leistungssystem abzugeben bzw. möglichst spät zu übernehmen, ist es für die AGJ auch nicht nachvollziehbar, dass in der Problembeschreibung des BMFSFJ-Arbeitspapiers nicht darauf hingewiesen wird, dass ein entsprechendes Einschätzungsverfahren nicht vorliegt. Weiterhin wird nicht die Gefahr diskutiert, dass angesichts unklarer Einschätzungsverfahren Jugendliche und junge Volljährige mit besonders kostenintensiven Hilfen (d.h. insb. bei außerfamiliärer Unterbringung) systematisch einer medizinischen Diagnose zugeführt werden könnten, ob eine Behinderung vorliegt und dauerhafte Beeinträchtigungen anzunehmen sind und deshalb Hilfen nach § 41 SGB VIII als nicht geeignet abgelehnt werden können. Bereits im Kontext der Care Leaver-Debatte ist deutlich geworden, dass in Verfahren schematisch und nicht am Bedarf orientiert junge Menschen an andere Systeme abgegeben wurden. Gegen eine solche Praxis hat der Gesetzgeber mit den Änderungen des KJSG bewusst Schranken eingezogen und den Rechtsanspruch für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII) gestärkt. Mit den im BMFSFJ-Arbeitspapier genannten Optionen befürchtet die AGJ, dass junge Menschen (erneut) Diagnosen zugeführt werden, die sie nicht wünschen oder nachvollziehen können sowie Zuständigkeitsklagen bei heranrückender Volljährigkeit wiederum entstehen und nicht zuletzt (erneut) ein defizitorientierter Blick mit stigmatisierenden Differenzierungen Vorschub gegeben würde.
- Die Inklusive Lösung wird nicht nur wegen des in Aussicht stehenden Endes der Zuständigkeitsstreitigkeiten befürwortet, die junge Menschen mit Behinderung und ihre Familien im Hin und Her zwischen Jugendämtern und den (öffentlichen) Trägern der Eingliederungshilfe erdulden müssen („Verschiebebahnhöfe“). Ein weiterer Aspekt ist der familienorientierte Ansatz der Hilfen in der Kinder- und Jugendhilfe, der eben noch stärker als die moderne, vom bio-psycho-sozialen Behinderungsmodell geprägte Eingliederungshilfe den Blick weitet und auch jenseits des Personenbezugs der Eingliederungshilfe Unterstützungsleistungen im Umfeld des jungen Menschen möglich machen. Auch wenn mit zunehmendem Alter der Fokus immer mehr auf unmittelbar beim jungen Menschen ansetzenden Hilfen liegt, kann die Einbeziehung des sozialen Umfeldes gerade auch für junge Menschen mit dauerhaften Behinderungen besonders wertvoll sein.
Die AGJ spricht sich aus diesen Gründen also für eine Sicherung der Erfolge des KJSG im Hinblick auf die Hilfen für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII) und eine Übertragung der aktuellen Rechtslage für junge Erwachsende mit seelischer Behinderung auf alle jungen Erwachsenen mit egal welcher Behinderungsform aus.
2. Übergangsgestaltung mit dem Ziel der bedarfsentsprechenden Kontinuitätssicherung
Die AGJ mahnt an, neben dem Zeitpunkt des Übergangs (vgl. 1) auch die Gestaltung des Übergangs bei der Erarbeitung des Gesetzesentwurfs in den Blick zu nehmen. Hierbei sind die im BMFSFJ-Arbeitspapier im Rahmen der Darstellungen zur Rechtsentwicklung sowie Rechtslage aufgeführten KJSG-Erfolge, das verbindliche Übergangsverfahren zwischen Sozialleistungsträgern (§ 36b SGB VIII) sowie die Prüfpflicht zum Übergang (§ 41 Abs. 3 SGB VIII) in den Blick zu nehmen. Noch steht eine Evaluation dieser Regelungen aus.
Die AGJ kann aus ihrem Praxiseindruck berichten, dass die Umsetzung dieser Regelungen erst langsam anläuft und bisher noch keineswegs als flächendeckend gesichert und etabliert gelten kann. Besonders die bereits erwarteten Schwierigkeiten der konstruktiven Mitarbeit des nachfolgenden Sozialleistungsträgers aus Scheu vor Verantwortungsübernahme finden sich in den Berichten wieder. Dies mag dadurch befördert werden, dass die Verpflichtung zur Übergangsplanung nur die Jugendämter, nicht aber die anderen Sozialleistungsträger trifft. Sollten sich diese Beobachtungen in der Evaluation flächendeckend bestätigen und deutlich werden, dass die nachfolgend zuständigen Träger die Kooperationsbemühungen von Seiten der Jugendämter ignorieren, ist spätesten bei der Reformstufe zum Jahr 2028 eine ausdrückliche gesetzliche Kooperationsverpflichtung für diese Fälle im SGB IX 2. Teil aufzunehmen.[11]
Damit keine Leistungslücke während des Übergangs entsteht, braucht es zudem eine Vorgabe der weitergeltenden Verantwortung des abgebenden Trägers bis die Übernahme tatsächlich erfolgt ist, die jedoch durch eine Kostenerstattungspflicht des verzögernden Leistungsträgers – vergleichbar § 89c SGB VIII – zu ergänzen ist.
Mit Nachdruck weist die AGJ erneut darauf hin, dass das Leistungsvereinbarungsrecht für eine kontinuierliche Bedarfsdeckung über dem Zeitpunkt des Systemwechsels hinaus ebenfalls große Bedeutung hat, aber wegen des starren Regelungsregime des SGB IX aktuell zu enormen Brüchen führt. Beispielsweise im Bereich der Pflegefamilien lassen die teilweise dramatisch geringe Ausstattung nach einem Übergang in die Eingliederungshilfe (begleitende Fachdienste, Entlastung, Pflegegeld) eine qualitativ-gleichrangige Fortführung bislang bestehender Leistungsinhalte kaum zu und führen zu gravierenden Standardabsenkungen bei der Leistungserbringung nach dem Übergang.[12]
Verschärft wird die Problematik dadurch, dass im Vertragsrecht der Eingliederungshilfe (§ 123 Abs. 1 S.1 SGB IX) ausdrücklich festgehalten ist, dass zwingende Voraussetzung für jegliche Leistungsbewilligung ist, dass eine schriftliche Vereinbarung des leistungserbringendem (freien) Träger mit dem örtlichen Träger abgeschlossen ist, in dessen Kommunalgebiet dieser angesiedelt ist. Hieran sind alle übrigen Träger der Eingliederungshilfe gebunden (Abs. 2 S. 1). Beides führt zu harten Abbrüchen, soweit keine bedarfsgerechte Anschlusshilfe in der Eingliederungshilfe gefunden wird. Gesetzgeberisch könnte dem damit begegnet werden, dass Leistungen nach SGB IX auch dann gewährt werden können, wenn eine Qualitäts-, Leistungs- und Entgeltvereinbarung nach SGB VIII abgeschlossen ist.
TOP 3: Finanzierung
Über die unter TOP 2 Nr. 1 zur Absicherung von Kontinuität bei Zuständigkeitsübergang eingebrachten spezifischen Veränderungsanregungen hinaus ist die AGJ der Überzeugung, dass noch weitere Veränderungen an den Finanzierungsregeln des SGB VIII geboten sind. Der AGJ fiel jedoch schwer anhand der unspezifisch formulierten Optionen des Arbeitspapiers eine fundierte Bewertung zu treffen. Sie hält die Inklusive Lösung hierfür eine sinnvolle Gelegenheit, das Leistungserbringungsrecht weiterzuentwickeln. Mit Blick auf die beispielhaft im BMFSFJ-Arbeitspapier zu Option 3 genannten Aspekte einer solchen Reform ist die AGJ jedoch nicht überzeugt. Aus Sicht der AGJ handelt es sich bei der Weiterentwicklung des Leistungserbringungsrechts auf der Regelungsgrundlage des SGB VIII eher um eine vierte Option.
Zentral wichtig ist, die dreiseitigen ambulanten Leistungen in das Leistungserbringungsrecht der §§ 78a ff. SGB VIII einzuflechten. Die AGJ teilt die in Option 3 angedeutete Auffassung, dass auch für ambulante Leistungen ein Rückgriff auf die detaillierteren Vorgaben der §§ 78aff. SGB VIII sinnvoll wäre, was bislang nur nach landesrechtlicher Öffnungsklausel möglich ist (§78a Abs. 2 SGB VIII). Gerade auch den Abschluss von Rahmenvereinbarungen i. S. d. § 78f SGB VIII erlebt sie bezogen auf stationäre sowie ambulante Leistungen zur Entwicklung, Erziehung und Teilhabe sowie für andere Handlungsfelder als hilfreiche Grundlage mit dem Ziel einer flächendeckenden, gleichgerichteten Versorgung. Die Eröffnung des Zugangs zu den Schiedsstellenverfahren würde sie ausdrücklich begrüßen (§ 78g SGB VIII).
Neben der dreiseitigen Finanzierung sind der AGJ insbesondere die Infrastrukturangebote mit zweiseitigen Verhältnissen wichtig. So sorgt immer wieder für Verwirrung, dass § 77 SGB VIII Rechtsgrundlage zum Abschluss von Finanzierungsvereinbarungen sowohl im zweiseitigen wie auch in dreiseitigen Verhältnissen sein kann.[13] Die Aufteilung der Regelungen zur zweiseitigen Vereinbarungsfinanzierung zwischen § 36a Abs. 2 SGB VIII und § 77 SGB VIII verdient einer weiteren Systematisierung.
Die AGJ rät hingegen entschieden davon ab, die in der Beschreibung der Rechtslage des BMFSFJ-Arbeitspapiers angerissene, für die Eingliederungshilfe erfolgte Auflösung von ambulant und stationär und die Konzentration der Leistungen der Eingliederungshilfe auf Fachleistungsstunden nachzuverfolgen. Vielmehr sollte das Prinzip der Leistungen zum Unterhalt sowie Krankenhilfe (§§ 39, 40 SGB VIIII) fortgesetzt und auch als immanenter Bestandteil der Leistungen in den Vergütungsregelungen mitgedacht werden.
Ferner hält die AGJ auch in Option 3 angesprochene die Aufnahme von Entgeltkürzungen als Sanktion nicht für zielführend, um konstruktiv und im Sinne der partnerschaftlichen Zusammenarbeit Konflikte zwischen öffentlichen und freien Trägern zu Leistungserbringung zu klären.
TOP 4: Gerichtsbarkeit
Die AGJ hat festgestellt, dass sie über keine Aufbereitung verfügt, die beide Gerichtsverfahrensordnungen oder gar die gelebte Gerichtspraxis gegenüberstellt.
Die AGJ ist überzeugt, dass eine Aufspaltung der Gerichtsbarkeit kein geeigneter Weg ist (Ablehnung Option 3), sondern die Zusammenführung der Zuständigkeit auch in diesem Bereich konsequent verfolgt werden. Sie fürchtet sonst eine Verlagerung der Zuständigkeitsstreitigkeiten von der Verwaltungsebene auf die Gerichtsebene. Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Handlungsbereichen würden weniger bedacht, was gerade auch bei den genannten Beispielen Inobhutnahme und nachfolgender Hilfe zur Erziehung absehbar Probleme auslösen würde. Die Einheit der Kinder- und Jugendhilfe ist auch im Hinblick auf die Gerichtszuweisung zu wahren.
Die AGJ bedauert, dass das BMSFJ-Arbeitspapier keine Gegenüberstellung der Konsequenzen bei Zuweisung an die Verwaltungsgerichte (Option 1) oder Sozialgerichte (Option 2) zur Verfügung stellt, um die gerichtsferne Fachwelt in die Lage zu versetzen beide Optionen fundiert abzuwägen. Als positiver Aspekt der Sozialgerichtsbarkeit sind der AGJ der einfachere Zugang zur 2. Instanz (§ 144 SGG vs. §§ 124, 124a VwGO). Als negativer Aspekt wurde die starke Prägung durch das Sozialversicherungsrecht eingebracht, was sich viel an den abgeschlossenen Vereinbarungen und weniger an der Gewährleistungsverantwortung der öffentlichen Hand orientiere. Abwägung zum Kindeswohl seien den Sozialgerichten bisher eher fremd.
Die AGJ kam zur vorläufigen Einschätzung, dass Fragen der Gerichtszuständigkeit nicht als reformentscheidend einordnet werden sollten.
TOP 5: Umstellung und Übergangsphase
1. Umsetzungsbegleitung und Stufenmodell
Die AGJ ist überzeugt, dass die Praxis für die Umsetzung der Reform eine Umsetzungsbegleitung benötigt. Auf Grundlage der bereits begonnen Forschungsprojekte werden einerseits Handlungshinweise zu den unterschiedlichen Modellen der Verwaltungsstrukturreform gebraucht, andererseits Auslegungs- und Ausführungshilfen zu den gerade diskutierten Regelungen der 3. Reformstufe sowie Fortbildungsprogramme und fachliche Verständigungsformate zwischen den zusammenwachsenden Systemen erwartet. Hier sind einerseits die überörtlichen Träger gem. § 85 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 4 und Nr. 8 SGB VIII gefordert, in Anbetracht des Umfangs der Reform wird aber Unterstützung von der Bundesebene gebraucht.
Die AGJ lehnt es ab, zum jetzigen Zeitpunkt eine Fortsetzung des Stufenmodells vertieft zu erörtern. Sie befürchtet, dass durch eine erneute Aufteilung in Stufen die Reform lediglich weiter verzögert wird. Besonders ablehnend steht sie Erwägungen gegenüber, eine nächste Stufe ggf. erneut von einem noch zu erlassenden Bundesgesetz abhängig zu machen und politisch schwierige Entscheidungen aufzuschieben. Da weder die Option 2 (konkrete Zielsetzungen) noch gar Option 3 (abstrakte Zielsetzungen) deutlich macht, welche aufeinander aufbauenden Schritte mit welchem Verbindlichkeitsgrad sie eigentlich bedeuten, votiert die AGJ für Option 1 (Umsetzungsbegleitung ab 2025 unter Berücksichtigung der ab 2028 gültigen Regelungen).
2. Verfahrenslotse
Bereits vor dem Start der Verfahrenslotsen im Jahr 2024 deren Fortführung zu diskutieren, fällt der AGJ nicht leicht. Sie hält § 10b SGB VIII aber immer noch für eine klug gesetzte gesetzliche Vorgabe, um in den Jugendämtern Ressourcen für die Unterstützung der Adressat*innen im gegliederten Sozialleistungssystem (Abs. 1) und für die Unterstützung der örtlichen Träger bei der Umsetzung der Reform (Abs. 2). Ohne bisher zu wissen, ob sich die Verfahrenslotsen als Erfolg beweisen und wie sie sich im Verhältnis zu anderen Beratungsstellen (insb. Ombudsstellen gem. § 9a SGB VIII, Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung nach § 32 SGB IX 1. Teil, aber auch dem Beratungsangebot der öffentlichen Träger nach § 10a SGB VIII und § 106 SGB IX 1. Teil) entwickeln, votiert sie daher für Option 1, also eine Fortschreibung beider Aufgaben der Verfahrenslotsen bei gleichzeitiger Erweiterung des Beratungsauftrags gegenüber den Adressat*innen auf die gesamte Breite der Rehabilitationsträger einschließlich der Eingliederungshilfe, da gerade auch beim Übergang ins Erwachsensystem (vgl. TOP 2) Unterstützungsbedarf entstehen dürfte.
3. Übergangsphase
Unter Berücksichtigung der zum Wechsel der örtlichen Zuständigkeit bestehende Rechtsprechung, welche die Fortwirkung eines von einem unzuständig gewordenen Träger erlassenen Verwaltungsakt für den zuständig gewordenen Träger ablehnt[14], ist die AGJ überzeugt, dass der Gesetzgeber den vorhersehbaren Lücken mangels rechtzeitiger Umsetzung vorbeugen sollte (Ablehnung von Option 2).
Während neue Fälle ab Inkrafttreten der Reform zum 01.01.20208 zwingend sofort nach neuem Recht beschieden werden sollten, empfiehlt die AGJ für die Umstellung der schon laufenden Fälle eine Übergangsphase unter Weitergeltung der alten Bescheide bis zu ihrer Ersetzung durch den zuständig gewordenen öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Dabei nach Regelungsgegenständen zu differenzieren erscheint ihr sinnvoll, um Leistungsbescheide vorgezogen gegenüber z.B. von Kostenbescheiden umstellen zu können (Option 1c).
Die AGJ empfiehlt bei der Erörterung zu den Betriebserlaubnisvorgaben (§§ 45ff. SGB VIII) und zur Anerkennung als freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe (§ 75 SGB VIII) in der folgenden 4. Bundes-AG Inklusives SGB VIII Vorschläge zur Regelung des Übergangs aufzunehmen.
III. Zu dem im BMFSFJ-Arbeitspapier vom 03.08.2023 aufgeworfenen Reformbaustein Kostenheranziehung
Den Systemen der Kostenheranziehung des SGB IX und VIII ist gemeinsam, dass sie auch bei den meisten Fachkenner*innen beider Sozialrechtsbereiche nicht zum alltäglich gebrauchten Wissen gehören. Für das in seiner Regelungskonstruktion eher als sperrig wahrgenommenen Themengebiets will die AGJ folgende Leitgedanken für die Gestaltung einer einheitlichen Kostenheranziehung herausstellen, die in der rechtstechnischen Umsetzung als Orientierung dienen mögen. Auf ein detailliertes Eingehen auf jede Option des Arbeitspapiers wird verzichtet.
1. Einheitlichkeit
Für die Konsistenz eines inklusiven SGB VIII sind alle Regelungsbereiche von Bedeutung. Diese sind so zu gestalten, dass jede Ungleichbehandlung auf einen sachlichen Grund zurückzuführen sein muss und Gruppen junger Menschen und ihrer Familien weder ohne Grund zu bevor- noch zu beachteiligen sind. Anzustreben ist folglich ein einheitliches Regelungssystem, in dem es zwar Differenzierungen geben kann, diese jedoch durch Gesetzgeber aus sachlichen, grundrechtskonformen Erwägungen in Gestalt abstrakt-genereller Merkmale eingefügt sein müssen.
2. Orientierungspunkt: Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren Kindern
Das System der Kostenheranziehung des SGB IX wurde bei der Reform des Bundesteilhabegesetzes in seiner Grundkonstruktion weitgehend aus dem SGB XII übernommen – wenn auch mit wichtigen Anpassungen und Errungenschaften für die Leistungsberechtigten. Es blieb aber unübersichtlich und auch in sich nicht durchgängig schlüssig. Das Kostenheranziehungsrecht im SGB VIII hatte vor dem Jahr 2005 eine vergleichbar fehlende Systematik. Die im Rahmen des KICK durchgeführte Reform hat jedoch zu einer grundlegenden Umstellung, Überarbeitung und Vereinfachung geführt. Bei außerhalb der Familie untergebrachten Kindern wählt sie als zentralen Orientierungspunkt, dass alle Eltern eine Unterhaltspflicht trifft, wenn ihre Kinder nicht bei ihnen leben. Diese Barunterhaltspflicht trifft Eltern unabhängig davon, ob sie ein Kind mit Behinderungen haben oder nicht. Es drängt sich aus Sicht der AGJ daher auf, an dieser Orientierung im Sinne einer Gleichbehandlung bei einer Unterbringung in Einrichtungen oder Pflegefamilien auch künftig festzuhalten.
3. Kostenfreiheit ambulante Leistungen
Aus Sicht der AGJ ist ferner an der Kostenfreiheit ambulante Leistungen für alle Leistungsberechtigten (Option 1 unter Kapitel C II 1a des BMFSFJ-Arbeitspapiers) festzuhalten. Die ambulanten Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe sind bewusst überwiegend niedrigschwellig angelegt. Sie stellen eine Art Grundversorgung zur Verwirklichung des Rechts junger Menschen auf Förderung ihrer Entwicklung und auf Erziehung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit sowie zur grundgesetzlich verankerten Unterstützung des elterlichen Erziehungs- und Sorgerechts durch die staatliche Gemeinschaft dar. Sie bieten lebensweltorientiert Möglichkeiten, sich persönlich zu entfalten und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Sie wirken präventiv, indem sie bei Bedarf zu intensiveren Angeboten zu beraten und ggf. auch in Interventionsmaßnahmen überleiten können. Da die Reform des „Inklusiven SGB VIII“ darauf ausgerichtet ist, die strukturelle Barriere der zum 01.01.2028 zu überwindende Zuständigkeitsspaltung zu überwinden und so das System der Kinder- und Jugendhilfe für alle jungen Menschen und ihre Familien zugänglich zu machen, ist aus Sicht der AGJ die Kostenfreiheit dieser ambulanten Leistungen ein entscheidender Erfolgsfaktor der Reform.
4. Nachteilsausgleich durch Berücksichtigung besonderer Belastungen
a. Familien in ihrer Fürsorgeleistung stärken - Ermöglichung des Aufwachsens von Kindern mit Behinderung in ihrer Familie
Dass der Deutsche Behindertenrat die Veränderungen und Verbesserungen zur Kostenheranziehung durch das BTHG zwar als merkliche, da spürbare Verbesserung und zugleich lediglich als „Einstieg in den Ausstieg“ aus der Kostenbeteiligung[15] sah, kann die AGJ mit Blick auf das in UN-BRK, BTHG, § 3 SGB IX und § 7 Abs. 2 SGB VIII verankerte Behinderungsverständnisses (bio-psycho-soziales Modell) nachvollziehen. Schließlich entsteht eine Behinderung erst aus der Wechselwirkung einer individuellen Beeinträchtigung mit externen Faktoren, für die der/die Leistungsberechtigte keine Verantwortung trägt.
Vor dem Hintergrund, dass solche Maximalforderungen mit Blick auf die auch finanzielle Verantwortung von Eltern für ihre Kinder vor der Volljährigkeit nicht nur unrealistisch erscheint, sondern sich auch Gerechtigkeitsfragen gegenüber sieht, legt die AGJ ihren Fokus darauf, dass durch Nachteilsausgleich den Familien von Kindern mit Behinderung die Ermöglichung des Aufwachsens innerhalb des familiären Umfelds erleichtert und dafür Nachteilsausgleiche gewährt werden.
Die AGJ ist verwundert, dass durch eine wohl wertungsfrei beabsichtigte Orientierung an § 136 Abs. 1 SGB IX ausgerechnet Elternteile besonders stark entlastet werden würden, die nicht (!) mit ihren Kindern in einem Haushalt leben (Kapitel C II 1 b 2. Unterpunkt des BMFSFJ-Arbeitspapiers). Aus Sicht einer Förderung des Aufwachsens in der Familie regt die AGJ eine Überprüfung anstatt Übertragung dieses Status quo an oder bittet darum, ein vielleicht entstandenes Missverständnis auszuräumen.
Die Sorgearbeit von Eltern(teilen) von Kindern mit Behinderung, die mit Kindern zusammenleben, geht über die altersentsprechenden Anforderungen hinaus und kann dabei Tätigkeiten in der Betreuung, Erziehung und Bildung sowie auch in der Gesundheit und Pflege betreffen. Sie gleichen nicht nur in der Prüfungs- und Bearbeitungszeit vor dem Greifen von Unterstützungsleistungen aus, sondern gehen vielmehr auch mit Lücken in der Pflege- und Betreuung ihrer Kinder durch Fachkräftemangel oder einer faktisch nicht hinreichend inklusiv aufgestellten Gesellschaft um. Als Ausfallbürg*innen springen sie kurz-/mittel-/langfristig ein, um ihren Kindern dennoch Teilhabe- und bestmögliche Entwicklungschancen zu bereiten. Eine Basis hierfür bereiten die im BMFSFJ-Arbeitspapier in der Kategorie als „weitere Leistungen (Mobilität, Wohnraum, Besuchsbeihilfen, Verständigung)“ zusammengefassten Leistungen, weshalb aus Sicht der AGJ viel dafür spricht, sie nicht am Erwachsenensystem des SGB IX Teil 2 auszurichten, sondern als ambulante und damit kostenfreie Leistungen zu behandeln (Kapitel C II 5 Option 3 des BMFSFJ-Arbeitspapiers).
Als Schritt in die richtige Richtung, unterstützt die AGJ, dass zumindest der Einsatz von Vermögen i. S. d. § 140 Abs. 1 SGB IX von ihnen nicht mehr gefordert werden soll (Ankündigung unter Kapitel C II 5 des BMFSFJ-Arbeitspapiers).
Innerhalb der nach aktuellem Recht gültigen Privilegierung bestimmter Leistungen der Eingliederungshilfe durch enumerative Aufzählung (§ 138 Abs. 1 SGB IX) wurde die Herausnahme aus der Kostenbeteiligung von Leistungen zur schulischen und beruflichen Bildung als besonders zentral bewertet. Die Begrenzung auf die sog. „ersparten häuslichen Aufwendungen“ ist keinesfalls eine „Besserstellung“ gegenüber anderen Kostenbeitragspflichtigen, sondern Nachteilsausgleich und dient der Zukunftssicherung.
b. Entlastung von CareReceiver*innen
Das zum 01.01.2023 in Kraft getretene Gesetz zur Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe war ein wichtiger Schritt, um den in staatlicher Obhut aufwachsenden jungen Menschen und die ihnen gleichgestellten Bewohner*innen einer Eltern-Kind-Einrichtung u.a. eine Rücklagenbildung für das eigenverantwortliche Leben nach Beendigung der Leistung zu ermöglichen. Dieser Fortschritt ist zu bewahren und die im Gesetzgebungsprozess weitgehend zurückgestellten Überlegungen zur Auflösung der Ungleichbehandlung von jungen Menschen in einer geförderten Ausbildung fortzusetzen, welche durch Einfügung eines Freibetrags (§ 93 Absatz 1 Satz 3 SGB VIII) vorübergehend befriedet wurde. [16]
5. Zugang zu Leistungen nicht blockieren durch Stigmatisierungen oder Kostenstreitigkeiten
Die Kinder- und Jugendhilfe ist wesentlich darauf ausgerichtet, die Lebenssituation der Adressat*innen in den Vordergrund zu stellen und Hilfezugänge niedrigschwellig zu halten. Mit der Inanspruchnahme von Leistungen soll keinesfalls eine Beschämung oder gar der Vorwurf eines „Versagens“ einhergehen. Das Anliegen des Leistungssystems ist vielmehr, den Willen und die Lage der Eltern so zu stärken, dass sie – ggf. auch mit Unterstützung – ihre durch das verfassungsrechtliche Elternrecht abgesicherte elterliche Sorgepflicht wahrnehmen können. Dieser Fokus auf die Ermöglichung des Zugangs ist auch bei der Gestaltung der Kostenheranziehungsregeln zu berücksichtigen. In der Konsequenz spricht sich die AGJ daher auch entschieden für die Erbringung der Leistung unabhängig von der Erhebung des Kostenbeitrags (Kapitel C II 9 Option 1 des BMFSFJ-Arbeitspapiers) bzw. gegen deren Ersetzung durch das „Netto“-Prinzip nach § 137 Abs. 3 und 4 SGB IX 2. Teil aus.
6. Vereinfachungen führen zu Verwaltungsentlastung und letztlich Kostensenkung
Die Neuregelung der Kostenbeteiligung des SGB VIII im Jahr 2005 waren ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Zustimmung der Länder zum KICK, weil diese zu einer Verwaltungsvereinfachung und damit erwartbaren Kosteneinsparungen (insbesondere beim Personalaufwand) führten. [17] So entfällt durch den grundsätzlichen Pauschalabzug bei der Ermittlung des maßgeblichen Einkommens (§ 93 Abs. 3 S. 2 SGB VIII), durch das einheitliche System bei der Berechnung der Kostenbeiträge und die Verwendung einer Kostenbeitragstabelle die Notwendigkeit komplexer, stetig zu aktualisierender Berechnungen. Dies senkt den Verwaltungsaufwand deutlich. Auch die Leistungsberechtigten profitieren von dem System. Ihnen wird ermöglicht zu prüfen, ob es sich für sie lohnt, über 25% hinausgehende Abzüge unter Beibringung entsprechender Nachweise geltend zu machen, was die Darlegungslast deutlich reduziert.
Die AGJ erinnert zudem daran, dass sich bereits im Jahr nach dem Inkrafttreten der Reform die Einnahmen der Kommunen verbesserten, obgleich die Kostenbeitragssätze sogar gesenkt wurden: Vor der Reform im Jahr 2004 betrugen diese 567.406.000 EUR und nach der Reform im Jahr 2006 bei 617.556.000 EUR.[18] Hintergrund ist, dass mit der Entbürokratisierung die Geltendmachung der Heranziehung einfacher und überschaubarer wurde, was entsprechenden Personaleinsatz innerhalb der Kommunalverwaltungen effektiver machte und den Vollzug der Normen steigerte.
7. Übergangsregelungen
Die AGJ hält bei der Zusammenführung der Kostenbeteiligungsregelungen zu einem einheitlichen System Übergangsregelungen für erforderlich.
Schlechterstellungen bisher schon kostenbeitragspflichtiger Personen sind zu vermeiden. Dies kann durch eine Festschreibung der bisherigen Kostenbeitragshöhe erreicht werden, wenn das neue System bei gleichbleibendem Einkommen zu höheren Beiträgen führen würde. Ansonsten erscheint eine Umstellung bei Neufällen und eine um ein halbes Jahr zeitversetzte Umstellung laufender Fälle angezeigt. Eine Fortgeltung verschiedener Kostenbeitragssysteme ist unbedingt zu vermeiden. Die Kostenfreiheit ambulanter Leistungen (vgl. III. 3) sowie eine Privilegierung der Leistungen zur schulischen und beruflichen Bildung (vgl. III. 4a) sollte unbedingt umgesetzt werden bzw. erhalten bleiben, so dass bei einer Umstellung auch keine groben Härtefälle zu erwarten sind.
IV. Abschlussappell: Gesamtbewertung nicht durch überfordernde Detailbetrachtungen verdecken
Die AGJ ist der Überzeugung, dass sich keine und erst recht keine so grundlegende Reform gestalten lässt, wenn sich gleichzeitig nichts ändern darf. Inklusion zu erreichen, heißt Veränderung. Die AGJ möchte daher zum Abschluss noch einmal alle Beteiligten der Reform (Bund, Länder, Kommunen, Zivilgesellschaft, Selbstvertretungen, Wissenschaft) dazu aufrufen, die Ziele der Inklusiven Lösung und die in der Reform enthaltenen Chancen für die leistungsberechtigten jungen Menschen und ihrer Familien und für die Verwaltungen nicht aus dem Blick zu verlieren, indem Details als vermeintliche Grundsatzfragen überhöht werden. Selbst zu dem als sperrig und unzugänglich wahrgenommen Thema der Kostenheranziehung, bei dem sich Zielsetzungen (Vorgabe der Verhinderung einer Schlechterstellung von leistungsberechtigte oder kostenpflichtige Personen vs. der politisch hochgehaltenen Zielsetzung der Kostenneutralität) scheinbar unauflöslich gegenüberstanden, ließ sich herausarbeiten, dass diese Reform nicht nur im Interesse der Adressat*innen ist, sondern durch Vereinfachungen und Entbürokratisierungen dem System auch die erforderliche Luft verschaffen kann, um seinen Kernaufgaben gerecht zu werden.
Die AGJ betont daher zusammenfassend ihre Überzeugung, dass sich die erforderlichen Anstrengungen lohnen. Sie drückt gegenüber dem BMFSFJ ihr Vertrauen aus, einen in sich stimmigen Gesetzesentwurf zu verfassen und die notwendigen Verhandlungen mit den Ländern zu einem guten Abschluss zu bringen. Die AGJ wird sich auch weiter intensiv in die Debatte einbringen und sowohl den Gesetzgebungsprozess als auch die nachfolgende Umsetzung konstruktiv begleiten.
Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ
Berlin, den 21./22. September 2023
Fußnoten
[1] Ansprechperson für diese Vorabkommentierung in der AGJ ist die stellv. Geschäftsführerin Angela Smessaert (angela.smessaert@agj.de).
[2] 1. Zusammenführende AGJ-Stellungnahme zum Bundesbeteiligungsprozess „Gemeinsam zum Ziel“ v. 27.04.2023.
[3] Plenarprotokoll der 224. BT-Sitzung v. 22.04.2021, S. 28418 i.V.m. BT-Drs. 19/28870 (FSFJ-Ausschussempfehlung), S. 9.
[4] Vgl. zur Gefahr des Vorweggreifens von Finanzierungsfragen auch: 1. Zusammenführende AGJ-Stellungnahme zum Bundesbeteiligungsprozess „Gemeinsam zum Ziel“ v. 27.04.2023, S. 7.
[5] Vgl. zur Beachtung des Selbstbestimmungsrechts: 1. Zusammenführende AGJ-Stellungnahme zum Bundesbeteiligungsprozess „Gemeinsam zum Ziel“ v. 27.04.2023, S. 28
[6] 15. Kinder- und Jugendbericht - Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland, 2017.
[7] Bundesjugendkuratorium, Junge Erwachsene - Soziale Teilhabe ermöglichen! Stellungnahme zum institutionellen Gefüge des jungen Erwachsenenalters, 2020.
[8] Eine (drohende) seelische Behinderung kann sogar eine anerkannte Begründung für eine Fortsetzungshilfe sein, vgl. z.B. Tammen, Frankfurter Komm, 9. Aufl. 2022, § 41 Rn 6, 20.
[9] Vgl. etwa Expertise von Enggruber/Neises/Oehme/Palleit/Schröer/Tillmann, 2021.
[10] Stauber/Walther, 2017.
[11] So schon AGJ, Stellungnahme zum KJSG-Regierungsentwurf v. 11.02.2021, S. 8.
[12] Auf die gravierenden Auswirkungen u.a. für Pflegefamilien von Kindern mit Behinderung wurde hingewiesen u.a. in AGJ, 2. Zusammenführende Stellungnahme zum Bundesdialogprozess „Mitreden – Mitgestalten“ v. 12./13.12.2019, S. 23; AGJ, Stellungnahme zum KJSG-Regierungsentwurf v. 11.02.2021, S. 16.
[13] Aufbereitung in AGJ, 2. Zusammenführende Stellungnahme zum Bundesdialogprozess „Mitreden – Mitgestalten“ v. 12./13.12.2019, S. 4 f.
[14] BVerwG, Beschl. v. 09.12.2004 – 5 B 80/04: Diese gesetzliche Sicherung kontinuierlicher Leistungsgewährung bei Zuständigkeitswechsel unterstreicht, dass Jugendhilferecht der Wechsel der Zuständigkeit nicht als Eintritt in ein fremdes Rechtsverhältnis nach Art einer Vertragsübernahme bewertet werden kann, sondern die Begründung einer eigenen Wahrnehmungskompetenz bewirkt und der nunmehr zuständige örtliche Träger mit Wirkung für die Zukunft den Jugendhilfefall in eigener Verantwortung zu regeln hat.
[15] DBR, Vorläufige Erstbewertung BTHG-ArbeitsE v. 23.2.2016.
[16] vgl. AGJ-StN zum RefE v. 30.6./1.7.2022 und Beschlussempf. Des FSFJ-Bundestagsausschuss BT-Drs. 20/4371.
[17] vgl. nds. Bericht zur 831. Bundesratssitzung zu TOP 8.
[18] Destatis, Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Ausgaben und Einnahmen der Kinder- und Jugendhilfe 2018, Wiesbaden 2019.