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Zwischenruf zum Qualitätsentwicklungsprozess „Frühe Bildung“ von Bund und Ländern

Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

Zwischenruf als PDF

In Umsetzung des Communiqués „Frühe Bildung weiterentwickeln und finanziell sichern“ wurde am 15. November 2016 der von der Bund-Länder-AG „Frühe Bildung“ erarbeitete Zwischenbericht der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Bericht zeigt in neun für die Qualität in der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung bedeutsamen Handlungsfeldern Entwicklungsbedarfe und konkrete Handlungsziele auf und enthält eine erste Abschätzung der damit verbundenen zusätzlichen Kosten.

In einer gemeinsamen Erklärung hat die Bund-Länder-Konferenz darauf hingewiesen, dass sie in dem Bericht eine gute Grundlage für die Weiterentwicklung der Qualität in der Kindertagesbetreuung, ebenso wie für die weitere Diskussion über konkrete Umsetzungsschritte und die Klärung der entsprechenden Finanzierungsmöglichkeiten sieht.

In der Umsetzung sollen die unterschiedlichen Stärken und Entwicklungsbedarfe der Länder berücksichtigt werden. Angestrebt ist ein langfristig angelegter Entwicklungsprozess, der – unter Beteiligung des Bundes – aufsetzt auf die dynamischen Prozesse, die in den Ländern und Kommunen bereits stattgefunden haben und auch weiterhin stattfinden werden.  Die in dem Zwischenbericht aufgezeigten Handlungsdimensionen werden dabei insgesamt als Instrumentarien gesehen, die entsprechend der in den Ländern zum Teil sehr unterschiedlichen Bedarfe von den Ländern genutzt werden können. Es besteht Konsens über die Notwendigkeit einer dauerhaften und erheblich höheren Beteiligung des Bundes an den für die Kindertagesbetreuung aufzubringenden laufenden Kosten. Damit würde der Bund systematisch in die Finanzierung einer qualitätsvollen Kindertagesbetreuung einsteigen.  
Die Arbeitsgruppe „Frühe Bildung“ ist von der Bund-Länder-Konferenz beauftragt worden, bis zur Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) 2017 einen Vorschlag für Eckpunkte zur verbindlichen strukturellen Verankerung der abgestimmten Ziele in einem Qualitätsweiterentwicklungsgesetz vorzulegen.

Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ begrüßt und unterstützt den Qualitätsentwicklungsprozess von Bund und Ländern. Sie sieht den Zwischenbericht und die Erklärung der Bund-Länder-Konferenz als erste Schritte auf dem Weg der flächendeckenden und – unter Einbeziehung des Bundes – gemeinsamen Förderung der Qualität in der Kindertagesbetreuung, mit denen auch wesentliche Forderungen der AGJ gewürdigt wurden.[1] Als besonders gelungen betrachtet sie, dass nun erstmals in kompakter Form eine gemeinsame wissenschaftlich fundierte Grundlage zur Weiterentwicklung von Qualität in der Kindertagesbetreuung zwischen Bund und Ländern vorliegt. Durch die breite Zustimmung der Länder und des Bundes sieht die AGJ damit eine aussichtsreiche Situation für den weiteren Prozess gegeben.

Vor diesem Hintergrund möchte die AGJ folgende weitere Einschätzungen und Empfehlungen für den Qualitätsentwicklungsprozess der Kindertagesbetreuung von Bund und Ländern in die Diskussion einbringen:

  1. Der erfolgreich angestoßene Aushandlungsprozess von Bund und Ländern muss mit dem Ziel, Rechtssicherheit für die Eckpunkte zur Qualitätsentwicklung und ihrer gesicherten Finanzierung zu erreichen, transparent und partizipativ fortgesetzt werden.
     
  2. Es muss eine verbindliche Regelung geschaffen werden, mit der Bundesmittel dauerhaft für die Weiterentwicklung von Qualität in der Kindertagesbetreuung eingesetzt werden können. Darüber hinaus ist es nötig, Übersichtlichkeit in die förderpolitischen Strukturen des Bundes (z.B. Investitions- und Sonderprogramme sowie freigesetzte Mittel) zu bringen, mit dem Ziel, eine systematische und nachhaltige Förderpolitik zu gewährleisten.
     
  3. In den Finanzierungvorgaben zur Umsetzung des Qualitätsentwicklungsprozesses muss die Zweckbindung der Mittel verbindlich abgesichert werden. Länder und Kommunen stehen weiterhin im bisherigen Rahmen finanziell in der Pflicht, die finanzielle Beteiligung des Bundes muss in jedem Fall zusätzlich ins System fließen. Ziel ist es, die Qualitätsentwicklung in der Kindertagesbetreuung zu fördern und gleichzeitig die damit einhergehenden Lasten zwischen Bund, Ländern und Kommunen gerechter zu verteilen. Dafür muss auch der zweckgerichtete Transfer der zusätzlichen Bundesmittel zwischen Ländern und Kommunen sichergestellt sein.
     
  4. Die notwendige Weiterentwicklung des Qualitätsausbaus erfordert neben Qualitätsziel- und Finanzierungsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern auch die Umsetzung im Rahmen der jeweiligen länderspezifischen Finanzierungssysteme, die eine nachhaltige, auskömmliche Finanzierung von Einrichtungen gewährleisten.
     
  5. Die AGJ appelliert an die Länder, eine tragfähige Lösung zu finden, die es allen Ländern ermöglicht, die notwendigen Mittel für die Weiterentwicklung des Qualitätsprozesses abzurufen. Nur so kann die Qualitätsentwicklung bundesweit unter Berücksichtigung regionaler Disparitäten befördert und damit der grundgesetzliche Auftrag zur Schaffung gleichwertiger Bedingungen des Aufwachsens für alle Kinder umgesetzt werden.
     
  6. Vor dem Hintergrund des Rechtsanspruches auf Frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung muss der § 74a SGB VIII auf seine Umsetzung und Wirkung für das wachsende System der Kindertagesbetreuung hin geprüft werden. Ebenso ist vonseiten des Bundesverwaltungsgerichts die Bindung der Länder an die Strukturprinzipien des SGB VIII hervorgehoben worden.[2] Die AGJ sieht es deshalb als dringend erforderlich an, die bundesgesetzliche Regelung auf ihre Tragfähigkeit hinsichtlich der veränderten Bedingungen im Arbeitsfeld Kindertagesbetreuung hin zu prüfen und ggf. anzupassen.
     
  7. Die Kostenbeiträge der Eltern fallen in den einzelnen Bundesländern und Kommunen unterschiedlich hoch aus und gestalten sich insbesondere aus Sicht der Eltern intransparent. Die AGJ regt Bund und Länder an, in Fortführung des Qualitätsentwicklungsprozesses „Frühe Bildung“ dieses Thema aufzugreifen und zur Klärung der Situation die Erstellung einer bundesweiten Expertise zu beauftragen, die die Gebührensituation und mögliche Auswirkungen auf soziale Ungleichheiten im Bundesgebiet vergleichend analysiert.
     
  8. Die AGJ sieht es vor dem Hintergrund des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungs-platz und des beabsichtigten Qualitätsentwicklungsprozesses als dringlich an, die damit aufgeworfenen Fragen der Steuerung unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts, der Finanzierung einschließlich der Sozialverträglichkeit von Eltern-beiträgen sowie des Subsidiaritätsprinzips mit allen Akteuren im Bereich der Kindertagesbetreuung zu erörtern. Dabei ist zu prüfen, ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Hierzu sind in der Fortführung des Qualitätsentwicklungs-prozesses „Frühe Bildung“ Vorschläge zu erarbeiten.
     
  9. Die Umsetzung der zwischen Bund und Ländern vereinbarten Handlungsziele in der notwendigen Qualität obliegt den öffentlichen und freien Trägern sowie Einrichtungen. Diese sollten daher in geeigneter Weise in den weiteren Entwicklungsprozess einbezogen werden. Dabei ist zu berücksichtigen und in die weiteren Entwicklungsprozesse einzubeziehen, dass die Träger im Rahmen ihrer Trägerautonomie in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Qualitätsentwicklungsprozessen initiiert und umgesetzt haben und dies auch weiterhin tun werden.
     
  10. In einem Qualitätsweiterentwicklungsgesetz muss das Verfahren einer Evaluation geklärt werden. Ebenso ist ein Zeitplan für den erfolgreichen Umsetzungsprozess festzulegen.
     
  11. Vor dem Hintergrund der endenden Legislaturperiode ist zu erwarten, dass die Umsetzung des geplanten Qualitätsweiterentwicklungsgesetzes in der nächsten Legislatur erfolgt. Für diesen Fall fordert die AGJ die Parteien des Bundestages auf, die Vorbereitung des Vorhabens zumindest soweit voran zu treiben, dass eine Umsetzung in der nächsten Legislaturperiode abgesichert ist. 

 
Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ
Düsseldorf, 27. März 2017
 

[1] Vgl. AGJ – Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (2014). Nach dem U3-Ausbau: Qualität in der Kindertagesbetreuung kann nicht warten! Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ. Berlin, 04./05. Dezember 2014.

[2] Vgl. Wiesner, Reinhard (2016). Gutachten zum Reformbedarf bei der Finanzierung der Kindertagesbetreuung, April 2016.