Möglichkeiten und Grenzen von Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe während und nach der Corona-Pandemie
Am 07. April 2022 fand das erste „Transfer-Frühstück“ des Projekts „Transfer-Talks: Kinder- und Jugendhilfe nach Corona“ der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ statt. Im Rahmen dieser digitalen Veranstaltungen werden innerhalb einer Frühstückslänge neue Forschungsergebnisse zu einem Schwerpunktthema vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie vorgestellt und diskutiert. Das erste Transfer-Frühstück widmete sich den Möglichkeiten und Grenzen von Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe während und nach der Corona-Pandemie. Durch die Veranstaltung, an der etwa 120 Interessierte teilnahmen, führte die Erziehungswissenschaftlerin und Podcasterin Katrin Rönicke.
Grußwort der AGJ-Vorsitzenden
Die AGJ-Vorsitzende Prof.‘in Dr. Karin Böllert begrüßte alle Teilnehmenden zum ersten Transfer-Frühstück und gab damit den Auftakt des neuen Projekts „Transfer-Talks“. Sie betonte, dass ihr die Transfer-Formate der AGJ angesichts ihrer Tätigkeit als Professorin für Erziehungswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster besonders am Herzen liegen und zeigte sich erfreut, dass mit den Transfer-Talks die beliebten Transfer-veranstaltungen fortgeführt werden.
Input 1 – Dr. Andreas Mairhofer (Deutsches Jugendinstitut)
Dr. Andreas Mairhofer vom Deutschen Jugendinstitut bot im Rahmen eines ersten Inputs einen grundsätzlichen Einblick in Perspektiven und Herausforderungen der Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe. Mit Blick auf die Folgen der Pandemie fokussierte sich Dr. Mairhofer auf die Auswirkungen auf digitale Kommunikation und Angebote. Er berichtete, dass der Fokus in der Kinder- und Jugendhilfe im Laufe der Pandemie und der Ausweitung des digitalen Angebots besonders auf Leistungserbringung über digitale Alltagsmedien gelegen habe. So seien die Grenzen zwischen digitaler Kommunikation und digitalen Angeboten weitestgehend aufgelöst worden. Ferner regte Dr. Mairhofer an zu hinterfragen, welche Aspekte der Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe nicht mehr als eine hilfreiche Notlösung in Zeiten der Pandemie und welche eine tatsächlich sinnvolle Weiterentwicklung des Feldes seien. Die Herausforderung für die Kinder- und Jugendhilfe bestehe darauf aufbauend darin, sich hin zur hybriden Praxis zu entwickeln.
Input 2 – Carina Schilling (Universität Hildesheim) und André Weßel (TH Köln)
Im Anschluss stellten in einem zweiten Input Carina Schilling von der Universität Hildesheim und André Weßel von der Technischen Hochschule Köln das Projekt „DigiPäd 24/7: Digitalisierung und Organisationsentwicklung in Heimen und Internaten“ vor. Das Projekt zielt darauf ab, herauszuarbeiten, wie eine nachhaltige Integration von digitalen Medien in 24/7-Bildungsinstitutionen erfolgen kann, wobei sich Frau Schilling und Herr Weßel in ihrem Vortrag auf die Einrichtungen der Erziehungs- und Eingliederungshilfe konzentrierten. Es wurden drei zentrale Ergebnisse vorgestellt zu Strategien mit Digitalisierung und Digitalität umzugehen: Konstruktion von digitaler Vulnerabilität, diffuse Fachlichkeit und Responsibilisierung. Ferner formulierten Frau Schilling und Herr Weßel Empfehlungen für die Praxis sowie fachpolitische Forderungen, die im Rahmen des Projekts aus den Ergebnissen der empirischen Studie abgeleitet wurden.
- Video des Inputs von Carina Schilling und André Weßel
- Präsentation
- Das Recht junger Menschen auf analog-digitale Teilhabe verwirklichen – Empfehlungen für stationäre Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie Internate
Diskussion
In der anschließenden Diskussionsrunde wurden zunächst die Zugänge der Kinder und Jugendlichen zu digitalen Medien und die daraus resultierenden digitalen Ungleichheiten thematisiert. Häufig ist der Zugang zu Digitalmedien durch mangelhafte Qualität des Netzzugangs, nicht genügend Endgeräte und Regulierung begrenzt, was zu Ungleichheiten im Zugang (First Level Digital Divide) und in der Möglichkeit zur Ausbildung von Medienkompetenzen (Second Level Digital Divide) führt.
Darüber hinaus stand der Umgang mit der Unsicherheit der Fachkräfte hinsichtlich digitaler Medien im Zentrum der Diskussion. Es herrschte Einigkeit, dass Fachkräften entsprechende Gesprächs- und Weiterbildungsangebote gemacht werden sollten, um eventuelle Berührungsängste mit digitalen Medien zu überwinden. Frau Schilling und André Weßel berichteten, dass es vereinzelt Fachkräfte gebe, die an Weiterbildungen zu Medienkompetenz teilnehmen. Insgesamt bekomme dieses Thema aber zu wenig Aufmerksamkeit – alle Fachkräfte brauchen eine Grundqualifizierung im Bereich der digitalen Medien, nicht nur ausgewählte Personen in den Einrichtungen.
Auf Nachfrage zu Forschungsergebnissen zur Digitalisierung in Kitas verwiesen Frau Schilling und Herr Weßel auf die Sonderseite zu „Krisenbewältigung in der Kita“ des Deutschen Jugendinstituts.
Ausblick
Ergänzt werden die Transfer-Frühstücke des Projekts „Transfer-Talks“ um Podcast-Folgen, die im Laufe des Sommers 2022 veröffentlicht werden und im Rahmen derer Vertreter*innen aus Wissenschaft und Praxis zu den jeweiligen Themen ins Gespräch kommen.
Das Projekt „Transfer-Talks“ wird im Rahmen von AUF!leben – Zukunft ist jetzt. gefördert. AUF!leben – Zukunft ist jetzt. ist ein Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Das Programm ist Teil des Aktionsprogramms Aufholen nach Corona der Bundesregierung.
Wir danken an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich unseren Referierenden für die wertvollen Inputs sowie allen Teilnehmenden für das große Interesse und die rege Beteiligung!