Leitlinien der AGJ zum Umgang mit der AfD und anderen rechtsextremistischen und rechtspopulistischen Akteuren[1]

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2024 feiert das Grundgesetz, das Fundament des freien, demokratischen Rechtsstaats in Deutschland, seinen 75. Geburtstag. Die wieder zunehmende Hinterfragung demokratischer Prinzipien sowie die populistische Tendenz gruppenbezogener Schuldzuweisungen für Krisen zeigen, dass die Errungenschaften des Grundgesetzes nicht als selbstverständlich und unverrückbar hingenommen werden dürfen, sondern beständig gepflegt, verteidigt und weiterentwickelt werden müssen. Auch die AGJ wird dieses Jahr 75 Jahre alt und nimmt dies zum Anlass, das demokratische, inklusive Selbstverständnis der Kinder- und Jugendhilfe zu unterstreichen und sich zum Umgang mit demokratie- und menschenfeindlichen Einstellungen, wie sie insbesondere von der AfD vertreten werden, zu positionieren.

Demokratie unter Druck

Die Demokratie gerät aktuell in Europa und weltweit immer stärker unter Druck, populistische und extremistische Akteure rütteln mehr denn je an den Grundfesten der freiheitlich- demokratischen Gesellschaft. Angesichts sich beschleunigender, überlagernder Krisen, immer komplexer werdender gesellschaftlicher Strukturen und sozialer, kultureller sowie ökonomischer Wirkzusammenhänge macht sich bei nicht Wenigen ein Gefühl der Zukunftsunsicherheit breit. Die Erzählung, dass die derzeit gelebte Demokratie nicht in der Lage sei, politisch adäquat und sozial gerecht auf diese Krisen zu reagieren, hat an Zuspruch gewonnen. Diese Verunsicherung in Teilen der Bevölkerung ist zu lange politisch nicht wahrgenommen und aufgegriffen worden, sodass sie sich verfestigen konnte. Sie ist Nährboden für den Aufstieg populistischer und extremistischer Akteure jeglicher Couleur, die einfache Antworten vorgaukeln und klare Identifikationsangebote machen. Hauptsächlicher Katalysator und größter Profiteur dieser Entwicklung ist die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD). Die AfD stellt die rechtsstaatlich verfasste, liberale und pluralistische Demokratie infrage, lehnt eine inklusive Gesellschaft ab und schließt Menschen aus, die nicht in ihr völkisches Weltbild passen. Sie ist inzwischen eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei, die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und verschwörungsideologische Ressentiments schürt und bedient.

Die zunehmende politische und gesellschaftliche Wirkmacht der AfD und anderer rechtsextremistischer und rechtspopulistischer Akteure, aber auch die Übernahme ihrer Rhetorik und Themen durch die demokratischen Parteien, haben zu einer Normalisierung demokratie- und menschenfeindlicher Positionen in öffentlichen und privaten Debatten geführt. Rechtsextremistische und rechtspopulistische Denk- und Sprechweisen verfestigen sich nicht nur an den Rändern des politischen Spektrums, sondern immer mehr auch in der Mitte der Gesellschaft. Hassrede und Falschinformationen verbreiten sich über die sozialen Medien rasant und adressieren und erreichen dabei insbesondere junge Menschen. Eine hohe Zahl von Straf- und Gewalttaten zeigt die Gewaltbereitschaft, die vom rechtsextremen Lager ausgeht. Verbale und physische Übergriffe mit rechtsextremistischem Hintergrund nehmen deutlich zu[2] – und sind folgenreich für die einzelnen Betroffenen, aber auch für die Gesellschaft insgesamt. Sie haben zuletzt immer wieder zum Rückzug ehrenamtlich und hauptamtlich Engagierter aus ihren Ämtern geführt und sorgen für eine angstvolle Stimmung bei Menschen(gruppen) und Organisationen, die im Visier der AfD und anderer rechtsextremistischer und rechtspopulistischer Akteure sind.

Die zunehmende Verschiebung von Diskursgrenzen, die Enthemmung bei der Verbreitung rechtsextremistischer und rechtspopulistischer Positionen sowie die Polarisierung von gesellschaftlichen Auseinandersetzungen machen auch vor der Kinder- und Jugendhilfe nicht Halt. Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe müssen sich mit Adressat*innen – jungen Menschen, aber auch ihren Familien – auseinandersetzen, die Werte vertreten, welche der freiheitlich-demokratischen Grundordnung widersprechen. Zugleich gibt es rechtsextrem oder rechtspopulistisch eingestellte Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe, die sich demokratie- und/oder menschenfeindlich äußern oder verhalten. Der im Bildungs- und Erziehungsauftrag verankerte Einsatz für Grund- und Menschenrechte gerät auch hier unter Druck. Konfrontation und Auseinandersetzung führen zu Verunsicherung und Überforderung bei den Fachkräften selbst und im gesamten Feld. Gerade dort, wo das völkisch-rechtsextreme Lager dominiert, geraten Fach- und Leitungskräfte, die sich für eine demokratische, diverse und inklusive Gesellschaft einsetzen, zunehmend in Bedrängnis und werden Zielscheibe von Attacken – häufig entzündet oder verstärkt im digitalen Raum.[3] Immer häufiger werden Träger von Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe z. B. durch eine Politisierung von Finanzierungen oder Prüfverfahren in ihrem Bestand bedroht.

Die Kinder- und Jugendhilfe: selbstverständlich demokratisch und inklusiv!

Vor diesem Hintergrund unterstreicht die AGJ das einer demokratischen und inklusiven Gesellschaft verpflichtete Selbstverständnis der Kinder- und Jugendhilfe. Die fachliche und rechtliche Richtschnur bilden das Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII), das Grundgesetz, die UN- Kinderrechtskonvention (UN-KRK) und auch die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK).

Die Kinder- und Jugendhilfe hat den Auftrag, positive Lebensbedingungen für Kinder, Jugendliche und ihre Familien zu schaffen und zu erhalten. Sie setzt sich jugend- und sozialpolitisch auf allen föderalen Ebenen für die Belange, Rechte und Anliegen junger Menschen und ihrer Familien ein. Sie unterscheidet dabei nicht in unterschiedliche Gruppen, sondern würdigt mit dem von der Kinder- und Jugendhilfe vertretenen inklusiven Leitbild Vielfalt als Bereicherung. Daher engagiert sich die Kinder- und Jugendhilfe dafür, dass die Diversität junger Menschen und ihrer Familien anerkannt, ihre Gleichberechtigung gefördert und ihre Teilhabe gestärkt wird. Das Menschen- und Gesellschaftsbild der Kinder- und Jugendhilfe ist unvereinbar mit jedweder Form von Rassismus, Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit und anderer gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Allerdings gelingt es nicht immer und überall, dieses Selbstverständnis mit Leben zu füllen. Auch Kinder- und Jugendhilfe ist nicht frei von (institutionellem) Rassismus oder anderen Formen der Diskriminierung. Ihr Anspruch und ihre Verpflichtung ist es aber, die eigenen Strukturen und Funktionslogiken beständig kritisch zu überprüfen und inklusiv weiterzuentwickeln.

Die Kinder- und Jugendhilfe ist eine zentrale Infrastruktur der politischen Bildung, der Demokratiebildung und der Beteiligung junger Menschen. Ihr Anspruch ist es, Demokratie als Gesellschafts- und Lebensform zu ermöglichen, zu fördern und für junge Menschen erfahrbar, bedeutsam und erstrebenswert zu machen. Das Wirken der Kinder- und Jugendhilfe zielt darauf ab, Kinder und Jugendliche dazu anzuregen und zu befähigen, sich selbstbestimmt in eine pluralistische Gesellschaft einzubringen, die sie betreffenden Belange mitzubestimmen und für die Gestaltung eines demokratischen, solidarischen Gemeinwesens Verantwortung zu übernehmen. Dazu hält sie Angebote vor, in die junge Menschen ihre Interessen und Belange einbringen, an denen sie sich freiwillig beteiligen und Verantwortung übernehmen können.

Handlungsempfehlungen zum Umgang mit rechtsextremistischen und rechtspopulistischen Positionen

Werte kennen und Haltung zeigen

Das Wichtigste im Umgang mit rechtsextremistischen und rechtspopulistischen Positionen ist die professionelle Haltung der Fachkräfte und der Träger: Für welche Werte stehe ich/stehen wir, für welche Gesellschaft setze ich mich, setzen wir uns ein? Dies sollte stets offensiv nach außen vertreten werden, statt sich an den antidemokratischen Akteuren und deren Themen abzuarbeiten. Das gilt auch, obgleich im Kontext von Kindeswohl und erzieherischen Bedarfen das Erziehungsverhalten im Vordergrund stehen muss, und nicht weltanschauliche Überzeugungen.[4] Die Orientierung an den Menschen- und Kinderrechten, insbesondere am Recht auf gewaltfreies Aufwachsen, in den Strukturen und Organisationen deutlich zu machen, zu leben und eigene attraktive gesellschaftliche Gesellschaftsentwürfe – etwa in Form von Leitbildern und Programmen – einzubringen, bleibt sinnvoll und notwendig. Daneben erleichtert die Entwicklung eigener Strategien und Verhaltenskodexe Organisationen, Trägern und Teams den Umgang mit rechtsextremistischen und rechtspopulistischen Positionen.

Wissen aneignen

Um der Normalisierung rechtsextremistischer und rechtspopulistischer Denk- und Sprechmuster entgegenzuwirken, muss der Blick für deren treibende Kräfte im eigenen Umfeld geschärft werden: Wer ist aktiv? Gibt es Netzwerke? Wie agieren sie? Wie argumentieren sie? Welche Inhalte vertreten sie? Was sind ihre Strategien?

Dabei ist die schriftlich fixierte und öffentlich einsehbare Programmatik solcher Akteure nur ein Baustein; gerade die AfD arbeitet vor allem mit Mitteln der Diskursverschiebung, indem ihre Funktionär*innen immer wieder durch (scheinbar unbeabsichtigte und anschließend bagatellisierte oder dementierte) verbale Entgleisungen die Grenzen des Sagbaren verschieben und bewusst in Kauf nehmen, dass verbale in physische Gewalt umschlägt. Daher gilt es, Versuche der Instrumentalisierung scheinbar harmloser Themen aufzudecken.

Mit dem Ziel der gesellschaftlichen Spaltung instrumentalisiert die AfD migrations- und asylpolitische Themen, inszeniert eine Bedrohung durch eine sog. Frühsexualisierung, skandalisiert Kinderschutzthemen und befeuert antifeministische und queerfeindliche Diskurse. Rechtsextremistische und rechtspopulistische Parteien stellen sich dabei als einzige politische Kraft dar, die sich selbst postulierten Denkverboten widersetzt, und inszeniert sich als Opfer von Medien und Politik, die angeblich ideologisch motiviert über die Partei berichten bzw. sprechen. Das ist vor allem deswegen bemerkenswert, weil kaum eine Partei über eine derartig überdurchschnittliche und anhaltende Medienpräsenz verfügt wie die AfD. Diese Inszenierung als Opfer des „Systems“ folgt einer einfachen Taktik: Sie erzeugt ein „Wir gegen die“-Gefühl.

Auch wenn es mühsam und nicht immer einfach ist: Es lohnt sich, diese Inszenierungen immer wieder aufs Neue durch wissensbasierte Argumente zu entlarven.

Diskursräume schaffen, Demokratie- und Menschenfeindlichkeit entgegentreten

Es braucht eine gesellschaftspolitische Debatte über die Frage, wie wir miteinander leben wollen – und zwar über Milieus, Regionen, Parteigrenzen hinweg. Die Kinder- und Jugendhilfe kann und muss Diskursorte schaffen, die für junge Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungshintergründen offenstehen und in denen sie Beteiligung und Selbstwirksamkeit erleben. Partizipationsprozesse müssen aktiver angestoßen werden, aber auch langfristig erhalten bleiben.

Zugleich muss klar sein, was unverhandelbar ist: Die Grenze der Toleranz ist überschritten bei rassistischen, antisemitischen, ableistischen oder anderen menschenfeindlichen Äußerungen. Solchen Äußerungen gilt es klar zu widersprechen, denn sie hinzunehmen, trägt zur Normalisierung von Ideologien der Ungleichwertigkeit bei. Nicht immer geht es darum, das Gegenüber zu überzeugen. Gerade bei Menschen mit geschlossenem (rechts)extremem Weltbild ist das häufig gar nicht möglich. Wichtiger ist oft, gegenüber Umstehenden, die unsicher sind, deutliche Positionierungen, Argumente und eine klare Haltung zu zeigen. Gesellschaftlicher Zusammenhalt und demokratisches Miteinander sollten in den Vordergrund gerückt werden.

Über repräsentative Anlässe wollen sich rechtsextremistische und rechtspopulistische Akteure, allen voran die AfD, als bürgerliche Kräfte inszenieren und somit ihre Positionen in die Mehrheitsgesellschaft tragen. Um dem entgegenzuwirken, sollte sich demokratie- und menschenfeindlich Positionierenden keine Bühne geboten werden. Dabei gilt es, im Spannungsfeld zwischen Neutralitätsgebot und Hausrecht sicher zu navigieren. Dazu gehört auch, zu verstehen, für wen ein staatliches Neutralitätsgebot überhaupt besteht und wo es instrumentalisiert wird.

Strategien der Einschüchterung erkennen

Rechtsextremistische und rechtspopulistische Parteien nutzen verschiedene Einschüchterungsstrategien, um unliebsame Akteure und kritische Stimmen zu verunsichern. Eine gängige Methode ist das Verfassen von Drohbriefen, in denen rechtliche Schritte oder öffentliche Diffamierungen angedroht werden. Verleumdungskampagnen in sozialen Medien setzen Organisationen und Einzelpersonen unter Druck. Weiterhin wird häufig das Instrument der parlamentarischen Anfrage missbraucht, um einerseits demokratische Mechanismen lahmzulegen und andererseits an sensible oder skandalisierbare Informationen zu gelangen. Dabei werden insbesondere Arbeitsfelder und Aktivitäten in den Bereichen Soziale Arbeit, Politische Bildung, Demokratieförderung, Extremismusprävention, Jugendverbandsarbeit, Offene Kinder- und Jugendarbeit, Kulturelle Bildung, Förderprogramme und Angebote für Geflüchtete und Migrant*innen, für sozial Benachteiligte und junge Menschen mit Behinderungen hinterfragt. Diese müssen erleben, dass kritische Aussagen zur AfD, obwohl diese sachlich-konkret und im Rahmen ausgewogener Diskussionen stattfinden, mit einer Infragestellung von staatlicher Förderung verknüpft werden. Oft wird dies verbunden mit einer Infragestellung der Gemeinnützigkeit. Das staatliche Neutralitätsgebot erfasst jedoch nicht nicht-staatliche Projekte, Vereine und Verbände. Und selbst bei öffentlicher Förderung begrenzt sich der Anspruch von Parteien, die nicht verboten sind, darauf, dass sie gegenüber anderen Parteien in politisch-inhaltlichen Auseinandersetzungen in einer Weise berücksichtigt werden, die dem Gleichheitsgrundsatz entspricht.

Auch die Verbindung zwischen Aktivitäten von Jugendverbänden und Linksextremismus ist immer wieder Gegenstand der Anfragen der AfD sowie Fragen im Kontext Queerness oder gendersensibler Sprache.[5] Jugendkulturen, die als radikal und links bezeichnet werden, werden zu Feindbildern stilisiert. Demokratieprojekte sowie Programme zur Demokratieförderung sind häufig Themen der Anfragen. Der Duktus ist dabei immer, dass es Kürzungen oder eine Beendigung der Programme brauche und vermeintlich die „falsche“ Jugend unterstützt werde. Inklusion wird als Behinderung Nicht-Behinderter diffamiert. Wohlfahrtsverbände werden als „Wohlfahrtsindustrie“ diskreditiert und die Förderpolitik infrage gestellt. Auf lokaler Ebene werden Demonstrationen oder gezielte Störaktionen initiiert, die darauf abzielen, die Arbeit der Organisationen/Institutionen zu behindern. Mit gezielten Provokationen in Veranstaltungen und Diskussionen versucht die AfD, Fachkräfte zu verunsichern und zu emotionalen Reaktionen zu drängen.

Um den Einschüchterungsversuchen wirksam zu begegnen, ist es wichtig, eine offene Diskussionskultur innerhalb der Strukturen und Organisationen zu fördern, in der über Ängste und Drucksituationen gesprochen werden kann. Dies schafft Bewusstsein und Vertrauen, mit solchen Konfrontationen nicht allein gelassen zu werden, und stärkt die Bereitschaft, sich nicht einschüchtern zu lassen. Eine weitere Strategie besteht darin, rechtliche und fachliche Beratung frühzeitig einzuholen, um auf Drohungen und Angriffe professionell reagieren zu können. Schließlich sollte ein klares, auf Menschenrechten und demokratischen Werten basierendes Profil in allen Kommunikationskanälen bewahrt werden, um den eigenen Standpunkt deutlich zu machen und sich nicht von antidemokratischen Kräften beeinflussen zu lassen. Öffentlichkeitsarbeit, die Angriffe transparent macht und eine breite gesellschaftliche Solidarität mobilisiert, kann ebenfalls ein starkes Mittel gegen solche Taktiken sein.

Da nicht nur zivilgesellschaftliche Akteure in Visier der AfD stehen, sondern ein erklärtes Ziel auch die Lahmlegung der Verwaltung ist, ist eine auch hier eine Sensibilisierung und Strategieentwicklung wichtig. Eine wehrhafte Verwaltung kommt ihren Rechenschaftspflichten nach und stellt sich unter Verweis auf fachliche Prinzipien schützend vor die Träger und die Adressat*innen.

Mechanismen der Selbstzensur begegnen

Es gilt, sich auch die eigenen Mechanismen der Selbstzensur und deren Wirkungen bewusst zu machen: Wenn auf die Einschüchterungsversuche reagiert wird, indem in Projektanträgen, Veranstaltungsprogrammen, Rede- oder Social-Media-Beiträgen auf die Nennung eigentlich zentraler, aber rechtsextrem motivierte Akteure womöglich auf den Plan rufender Begriffe (wie Vielfalt/Diversität, Inklusion, LGBTIQ+, Rassismus, Rechtsextremismus etc.) verzichtet wird, dann entsteht eine Form von Selbstzensur, die die inhaltliche Klarheit und Integrität der Arbeit untergräbt. Dadurch wird nicht nur die eigene demokratische und menschenrechtliche Grund- haltung verwässert, sondern es wird auch der Raum für die öffentliche Auseinandersetzung mit diesen zentralen Themen eingeschränkt. Langfristig kann dies dazu führen, dass die Deutungshoheit über solche Begriffe und Themen an antidemokratische Kräfte abgegeben wird.

Präsent und kompetent sein im digitalen Raum

Soziale Netzwerke dienen als wichtige Hilfsmittel zur Mobilisierung. Allmählich wird deutlich, dass die parlamentarische Demokratie und für Vielfalt und marginalisierte Gruppen eintretende Akteure im digitalen Raum und insbesondere in den sozialen Medien zu wenig präsent sind und dass es ein Umdenken in der politischen Arbeit braucht. Nötig sind neue Formate zur Vermittlung politischer Prozesse und Entscheidungen, ein Vermitteln und Erfahrbarmachen von Zukunftszuversicht und mehr Kommunikation mit jungen Menschen jenseits der üblichen Kanäle.

Auch Akteure der Kinder- und Jugendhilfe müssen präsent und kompetent sein im digitalen Raum, hier Informationen teilen und ihre demokratischen Werte vertreten. Politische Informiertheit und Medienkompetenz sind Voraussetzung dafür, gut mit Adressat*innen in den Austausch zu gehen und rechten Mobilisierungskampagnen im Netz eine andere Form des digitalen Diskurses entgegenzusetzen.

Netzwerke stärken und sich mit Angefeindeten solidarisieren

Wenn es zu diskriminierenden und menschenverachtenden Anfeindungen kommt, ist Solidarisierung das oberste Gebot, sowohl auf der individuellen als auch auf der organisationalen Ebene. Unterstützung kann gezeigt werden, indem man sich mit betroffenen Personen gegen Anfeindungen verbündet, sowohl mit direktem Zuspruch als auch mit öffentlichen Statements.

Das ist für die Betroffenen wichtig, unterstreicht aber auch, dass die Mehrheitsgesellschaft auf der Seite der Demokratie und für ein Miteinander unterschiedlichster Menschen steht. In diesem Zusammenhang ist auch die Bildung lokaler oder regionaler Bündnisse für Demokratie und gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bedeutsam, denn sie können Organisationen und Fachleuten einen wichtigen Rückhalt bieten.

 

Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ
Berlin, den 26./27.09.2024

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[1] Ansprechperson für diese Leitlinien ist die AGJ-Geschäftsführerin Franziska Porst (geschaeftsfuehrung@agj.de).

[2] Die Gesamtzahl der rechtsextremistischen Straf- und Gewalttaten im Jahr 2023 nahm gegenüber 2022 (20.967) deutlich um 22,4 % auf 25.660 Delikte zu. Auch die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten stieg im Jahr 2023 um 13,0 % gegenüber dem Vorjahr (2023: 1.148, 2022: 1.016). siehe www.verfassungsschutz.de/DE/themen/rechtsextremismus/zahlen-und-fakten/zahlen-und-fakten_node.html; vgl. auch die Zahlen zu Thüringen, wo seit der Wahl eines AfD-Politikers zum Landrat von Sonneberg ein Hotspot rechtsmotivierter Angriffe in ebendiesem Landkreis liegt: https://ezra.de/jahresstatistik2023/.

[3] Etwa DEZIM (2022), www.dezim-institut.de/fileadmin/user_upload/Demo_FIS/publikation_pdf/FA-5334.pdf; ISS
(2021), www.demokratie-leben.de/fileadmin/Demokratie- Leben/Downloads_Dokumente/Berichte_der_wissenschaftlichen_Begleitung_und_Programmevaluation/2._Foerderperiode/Handlungsbereich_Kommune/Kurzbericht_2021_Bedrohungslagen.pdf

[4] Vgl. AGJ-Positionspapier „Demokratisch und nicht indifferent – Orientierungen und Positionierungen zum Neutralitätsgebot in der Kinder- und Jugendhilfe“, www.agj.de/fileadmin/files/positionen/2023/Positionspapier_Neutralit%C3%A4tsgebot.pdf

[5] Hafeneger et al. (2020), Die AfD und die Jugend. Wie die Rechtsaußenpartei die Jugend- und Bildungspolitik verändern will.